Sollten Frauen im Einklang mit ihrem Zyklus trainieren?
„Der erste Tag ist immer so schwer, wissen Sie. Ich muss Sport treiben, und ich habe immer so große Schmerzen am ersten Tag. Und heute konnte ich nicht gegen meine Natur angehen“, so Qinwen Zhen im Interview nach ihrem Achtelfinal-Aus beim Grand Slam Turnier 2022. Mit diesen Worten sprach die damals 19-jährige chinesische Profitennisspielerin über ein Thema, das bislang kaum Beachtung fand: die Auswirkungen des weiblichen Zyklus auf körperliche Leistungsfähigkeit und psychisches Wohlbefinden, gerade im Spitzensport. Bei Frauen schwankt der Hormonspiegel monatlich.
Im Durchschnitt dauert ein weiblicher Zyklus 28 Tage und beginnt mit der Menstruation. Ungefähr am 14. Tag kommt es zum Eisprung. In der ersten Hälfte des Zyklus sind Frauen erregter, die Risikobereitschaft steigt und die Bänder sind dehnbarer. In einzelnen Studien ist in dieser ersten Zyklushälfte ein erhöhtes Verletzungsrisiko zu beobachten. Auch wird vermutet, dass Krafttraining in dieser Phase besondere Wirkungen erzielen kann. Die Heidelberger Ironman-Europameisterin und Profitriathletin Laura Phillipp trainiert schon seit Jahren im Zusammenspiel mit ihrem Menstruationszyklus.
„In der ersten Zyklushälfte kann ich richtig trommeln und Gas geben in der zweiten Hälfte gehe ich ein bisschen achtsamer mit meinem Körper um“, so Laura Phillipp in der Sportschau. Trotz dieser positiven Erfahrungen sind wissenschaftliche Studien bislang rar und teils sogar widersprüchlich. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen hormonellen Schwankungen sowie sportlicher Leistungsfähigkeit besteht nicht. Stattdessen korrelieren Gefühle wie Lust, Motivation, Erregung und Leistungsfähigkeit. Auch eine Leistungsminderung kurz vor und zu Beginn der Menstruation ist belegt.
„Kontrollierte Studien in diesem Bereich durchzuführen, ist extrem schwierig“, wendet Birgit Friedmann-Bette ein. Die Professorin für Sportmedizin am Uniklinikum Heidelberg betreut mit ihrem Team Olympia-Sportlerinnen. Training grundsätzlich auf den Zyklus zu basieren, findet sie falsch. Stattdessen befürwortet sie individuelle Betreuung. Die Zeitpläne der Sportlerinnen seien bereits jetzt extrem „durchgetaktet“. Friedmann-Bette, die einst selbst Leichtathletik-Weltmeisterin war, gibt allerdings auch zu bedenken: „Hochleistungssport ist kein Gesundheitssport.
Vielmehr heißt es, immer wieder seine individuellen Grenzen zu überschreiten, psychisch wie auch körperlich.“Hohe Belastungen ließen sich nicht nur im Leistungssport finden, auch sehr stressige Prüfungsphasen können beispielsweise in verschiedenen Zyklusphasen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden – und auch zu Zyklusstörungen führen. „Frauen müssen generell lernen, mit ihrem Körper umzugehen“.
von Anabelle Kachel
...studiert Humanmedizin und schreibt seit März 2021 für den „ruprecht“. Während im Studium die funktionellen Zusammenhänge des menschlichen Körpers im Vordergrund stehen, fasziniert sie bei ihrer Arbeit als Redakteurin der Mensch in seiner Gesamtheit. Besonders gerne tritt sie direkt mit den Menschen in Kontakt und interessiert sich für Einblicke in ihre Lebensrealitäten und Ansichten. So führte sie zahlreiche Interviews, zum Beispiel mit dem Comedian Florian Schroeder oder dem Lokalpolitiker Sören Michelsburg.