Diese Frage ist klar rassistisch, findet Tupoka Ogette. Wer die Augen davor verschließe,mache das Problem nur noch schlimmer. Im Dezember 2022 stellte sieim Karlstorbahnhof ihr zweites Buch vor, in dem sie Strategien gegen Alltagsrassismus
Nach ihrem 2017 erschienenen Bucherfolg „Exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen“, stellte Tupoka Ogette am 05. Dezember 2022 ihre zweite Spiegel-Bestseller Buchveröffentlichung aus dem Jahr 2022 „Und jetzt du. Rassismuskritisch leben“ im Karlstorbahnhof vor. In ihrer Neuerscheinung berichtet die Autorin von alltäglichen Rassismuserfahrungen und möchte auf rassistische Denkstrukturen aufmerksam machen. Diese ernsten Themen begleitet Tupoka mit Humor und Offenheit. Seit 2012 arbeitet Tupoka Ogette als Trainerin und Beraterin für Rassismuskritik in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.
In den letzten Jahren nutzte sie verschiedene Online-Plattformen, um ihre Bildungsarbeit fortzusetzen. 2019 wurde sie von dem Online-Frauenmagazin Edition F als eine der 25 einflussreichsten Frauen des Jahres ausgezeichnet und erhielt zudemim Jahr 2021 den Idol of the Year Award bei den About You Awards. Auf der Bühne des Karlstorbahnhofs: eine wohnzimmerähnliche Kulisse; zwei Sessel, Stehlampen als Bühnenlicht und darunter Tupoka Ogette. Neben ihr die Moderatorin des Abends, Heidelbergs Antirassismus-Beauftragte Evein Obulor. Vor ihnen ein ausverkaufter Saal.
Nach einer kurzen Selbstvorstellung beginnt Tupoka Ogette aus ihrem Buch den Prolog vorzulesen: Sie erinnert sich an eine Rassismuserfahrung, die ihr Sohn auf einem Spielplatz erleben musste. Damals wurde ihr bewusst, dass sie ihre Kinder vor Rassismus nicht schützen könne. „Wir werden keine Gesellschaft rassismusfrei erleben“, so Tupoka. Rassismus läge in der Mitte unserer Gesellschaft und sei kein Randphänomen. Er sei sozial in uns verankert und steckt in jedem und muss keine bewusste Einstellung sein.
Dafür zieht sie ein Paradebeispiel für unbewusstes rassistisches Verhalten heran: die Frage nach der Herkunft. „Woher kommst du?“ Hinter dieser Frage steckt eine Haltung, die voraussetzt, dass man nur deutsch sein könne, wenn man auch „deutsch“ aussähe. Laut Tupoka Ogette werden uns bestimmte Vorstellungen vermittelt, die suggerieren, dass Menschen, die nicht weiß sind, auch nicht aus Deutschland kommen können. Dies ist eine von vielen rassistischen Verhaltensweisen, die aber nicht immer als solche anerkannt werden. Alltagsrassismus wird oft abgetan und runtergespielt. Zum Selbstschutz Betroffene:r empfiehlt Tupoka Ogette, immer in Aktion zu gehen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und Räume zu schaffen, in denen man Wut, Frustration und Schmerz freien Lauf lassen kann.
Wichtig sei die Erkenntnis, dass auch das eigene Verhalten rassistisch sein kann. „Wir wurden in einer Umgebung sozialisiert, in der „Weißsein“ die Norm ist. Diese Norm ist zwar machtvoll aber gleichzeitig auch sehr fragil“, so Tupoka Ogette. Dabei entsteht das sogenannte Othering, ein Phänomen, das aufkommt, wenn eine soziale Gruppe glaubt, sich von einer anderen durch gewissen Merkmale zu unterscheiden. Am Beispiel der Schule macht die Autorin deutlich wie Rassismus an Institutionen wirkt; mit Machtsymmetrie geht oft auch Rassismus einher. Doch PoC (People of Color) sind darauf angewiesen, dass die wenigen Lehrenden in Machtposition sensibel gegenüber Alltagsrassismus sind. Denn die Schule ist ein rassistisch sozialisierter Ort und das Bildungssystem in Deutschland nur schwer änderbar und kaum offen für Rassismuskritik.
Eine Lösung bieten externe Ausbildungszentren, die für den Austausch von eigenen Rassismuserfahrungen zur Verfügung stehen. Damit könnte man an Schulen und an deren Perspektiven etwas verändern. Die Autorin selbst bietet keine Workshops mehr an Schulen an, da es für sie zu retraumatisierend sei. Trotzdem weiß sie um die Wichtigkeit, den Ort, an dem künftige Generationen den Großteil ihrer Zeit verbringen, rassismuskritischer zu gestalten. Gegen Ende ihrer Lesung möchte Tupoka Ogette ein letztes, in ihren Augen, wichtiges Thema ansprechen. Liebe und Rassismus. Liebe macht bekanntlich blind, bei Rassismus sollte die Liebe unsere Augen nicht verschließen. Der Glaube, dass Liebe Rassismus ersetzen könne, verneint Tupoka Ogette, „Wir müssen den Tatsachen ins Gesicht schauen“.
Denn Lieben bedeutet eine andere Person zu sehen und auch deren negative Erfahrungen. Rassismus werde unsere Gesellschaft immer spalten und trotzdem versuchen weiße Menschen diese Trennung und Blindheit mit Lieben aufzuheben, dabei sei es aber wichtig, dass Rassismus verstanden und wahrgenommen wird. „Rassismus existiert und davor die Augen zu verschließen, verschlimmert das Problem nur“, erläutert Tupoka Ogette. Trotzdem könne Liebe bei diesem Prozess eine Unterstützung sein. Emotionales Nachvollziehen, Wissen, Konzepte und Worte spielten eine wertvolle Rolle. Tupoka Ogette sieht Liebe als ein revolutionäres Konzept, bei dem man sich mit gegenseitiger Verletzlichkeit begegnen sollte und gleichzeitig das Konstrukt Rassismus offenlegen.
von Klara Lison und Amélie Lindo
...studiert Germanistik und Japanologie im Bachelor. Seit 2022 ist sie beim ruprecht aktiv und leitet seit dem WiSe 2022 das Feuilleton.
..ja,ich kann die Autorin gut verstehen.
Jedoch wird mir, wenn ich im.Ausland oder Deutschland unterwegs bin, die Frage, “ woher kommst Du ?“ auch gestellt.
Ist stelle sie auch, wenn es mich interessiert; egal wem, ebenfalls.
Für mich ist die Frage eine Chance zur beginnenden Kommunikation. Gut, wird diese mir verboten, dann lasse ich es mit der Kommunikation. Bitte, es kommt immer auf die Intonation an, und das wird hier leider vergessen.
Bin weiß, 65 Jahre alt.