Die Krisen häufen sich, die Zukunftsängste nehmen mit jedem Jahr zu. Wie können wir mit der Unsicherheit umgehen?
Wohin ist die heile Welt geflüchtet? Umwelt, Corona, russischer Angriffskrieg, Gaspreis, Inflation… Eigentlich will man davon nichts mehr hören. Die tägliche Dosis schlechte Nachrichten im ZDF möchte man am liebsten auch ignorieren, das schadet nur der Laune. Und warum nicht? Das Leben würde doch viel leichter fallen, wenn man den ganzen Schlamassel einfach ausblenden könnte. Probleme lösen und so, das machen sowieso die anderen. Doch trotz allem Willen zur Ignoranz muss man sich eingestehen: Der Elefant im Raum droht schon jetzt den einen oder anderen zu ersticken, und hat noch immer einen unersättlichen Appetit.
Aus einem Traumbild einer sicheren, chancenreichen Zukunft, das Studierenden so oft in den Schoß gelegt wird, scheint zunehmend eine durchsichtige Fassade zu werden. Die durch die sich häufenden Krisen erzeugte Unsicherheit greift nun akut in unsere Seinsgewissheit ein. Wenngleich die Aussichten schon schlecht genug sind, müssen wir uns auch vor direkten Konsequenzen solcher Unsicherheit in Acht nehmen: „Wird dem Bürger unbequem, wird er plötzlich rechtsextrem.“ So hieß es auf einem Demonstrationsschild im August.
Corona hat uns gezeigt, welche Gestalten dieses Phänomen annehmen kann: Querdenker:innen, Verschwörungstheoretiker:innen und Anhänger:innen der weit Rechten- und Linken-Szene haben sich laut gemacht und waren schwerlich voneinander zu unterscheiden. Glücklicherweise haben wir nach Ergebnissen des Populismusbarometers der Bertelsmann Stiftung in Deutschland, zumindest im Jahr 2020, keinen Zuwachs an Rechtspopulismus erfahren. Doch, dass sich die Dinge auch anders entfalten können, belegen die Entwicklungen in Ländern wie Italien, den USA und Frankreich.
Denn nach wie vor bleibt Unsicherheit wie die, die sich in der Bevölkerung aufgrund von Sorgen wie Umwelt, Corona etc. breit gemacht hat, das wichtigste Besteck für einen Populisten. Angstmacherei, Feindbilder und andere populistische Methoden finden in solchen Umständen fruchtbaren Boden. Nicht nur aus diesem Grund sollte man bei der steigenden Unsicherheit umso wachsamer bleiben. Aber wie können wir nun als „machtlose Studierende“ diesen Herausforderungen entgegentreten? Wie überhaupt anfangen? Als aktuell Studierende sind wir Teil einer Generation, die gezwungen ist, sich mitten im Wirbel des Wandels zurechtzufinden.
Wir müssen stark anpacken, um diesen Wandel in die richtige Richtung zu lenken: eine überwältigende Verantwortung. Reicht es, wenn wir bei der aktuellen Entwicklungsrichtung sagen „alles wird gut“? Ist das nicht bloß ein naiver Optimismus, der zu falschen Hoffnungen und Passivität verleitet? An dieser Stelle scheint vielmehr ein dialektischer Pessimismus angebracht zu sein, der uns erlaubt, dem Problem ins Auge zu blicken. Wenn man dabei den Glauben an die Möglichkeit zur Veränderung behält, kann Hoffnung weiter bestehen bleiben. So umstritten die neue Serie „Rings of Power“ auch sein mag, sie trifft das Herz der Sache ganz gut: „Sometimes we cannot know [the light] until we have touched the darkness.“
von Maximilian Boehm-Beziny