Sexuelles Fehlverhalten ist auch an der Universität Heidelberg ein Problem. Eine Kampagne des Studierendenrats will darüber aufklären und diskutieren
Am 03. und 04. Mai finden im Neuenheimer Feld Info-Nachmittage gegen sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt statt. Neben Vorträgen und Diskussionen sollen dort die Ergebnisse einer uniweiten Umfrage vorgestellt werden. Wir sprechen mit Diana Zhunussova, die als Co-Vorsitzende der Verfassten Studierendenschaft die Kampagne mitorganisiert hat.
Was erwartet uns an den beiden Info-Nachmittagen?
Es wird verschiedene Vorträge von Referenten zu dem Thema sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt geben. Wir haben versucht alles abzudecken: Welche Hilfe kann man von der Stadt Heidelberg und der Universität bekommen? Wie komme ich an Therapieplätze? Wie helfe ich meinen Nächsten, wenn ich Fachschaftler:in bin und jemand zu mir kommt, der erzählt, ein Prof habe ihr oder ihm etwas angetan.
Generell gilt für die Kampagne: Auch wenn manche denken, Gesagtes sei falsch, am Ende der Vorträge gibt es immer Diskussionen.
Wie entstand die Idee für diese Kampagne?
Nach meiner Wahl zur Vorsitzenden der Verfassten Studierendenschaft und im Fachschaftsrat wurden mir Geschichten zugetragen, wo Studierende in hilflosen Situationen, wie bei Auslandsaufenthalten, gefragt wurden, ob sie nicht mit der Lehrperson ins Bett gehen würden oder etwas indirekt angedeutet wurde.
In solchen Situationen ist man verloren und weiß nicht, was man machen soll. Das war meine Motivation für die Kampagne: Leute zu informieren, denen in universitären Räumen und auch generell in der Stadt etwas passieren kann. Schließlich kann das Mitgliedern der Universität in jeder Position passieren.
Da ich selbst nicht wusste, was ich tun würde, wenn mir so etwas passiert, wollte ich diese Kampagne ins Leben rufen, damit Studierende wissen, dass es gar nicht so kompliziert ist und Hilfe kommt, wenn man sie braucht.
Wie sehen die Fälle, die an dich getragen wurden, ungefähr aus?
Es gibt manche die kurz vor ihrem Abschluss stehen, noch die eine Arbeit abgeben müssen und ihre Zeit hier nur abhaken wollen, weil sie wegziehen oder anfangen zu arbeiten. Die sagen dann „Ich gebe die Arbeit ab und bleibe leise, um eine gute Note zu bekommen, dann haue ich ab.“
Die meisten Fälle laufen so ab und werden vergessen. Die harten Fälle landen bei anderen Stellen, dazu haben wir auch gar nicht die Ausbildung. Wir können nur unterstützen und nicht direkt weiterhelfen. Größere Fälle kommen dann zum Gleichstellungsbüro, dort werden Gespräche mit den Tätern eingeleitet, das passiert natürlich alles intern. Im Bereich sexualisierte Gewalt ist es nicht so schlimm, aber ich denke jede:r hat schon mal in ihrem/seinem Umfeld Fälle von sexueller Belästigung mitbekommen.
Welches Ziel verfolgt der StuRa mit der Kampagne?
Studierende zu informieren. Erklären, dass es immer eine Lösung gibt. Aufzeigen, dass es nicht immer unbedingt nachweisbar sein muss, sondern dass man auch in kleinen Verdachtsfällen nach Lösungen suchen kann.
Die Kampagne ist auch eine Art Test, schließlich ist es die erste ihrer Art an der Uni Heidelberg. Wenn sie gut läuft, wird es das jedes Jahr in angepasster Form geben. Denn dieses Problem hat kein Ablaufdatum. Wir möchten die Vielfalt von Fällen zeigen und signalisieren, dass es niemals peinlich sein soll und dass es immer Lösungen gibt, auch wenn Abhängigkeitsverhältnisse bestehen.
Wie gut bewertest du den bisherigen Umgang der Universität mit dem Thema sexualisierte Gewalt?
Allgemein ist es nicht ganz klar für Außenstehende, die Systeme sind etwas undurchsichtig. Das Thema sexualisierte Gewalt ist der Öffentlichkeit verschlossen, da wird einzeln darüber geredet, es soll ja auch eine Vertrauensatmosphäre geben.
Solange Betroffenen gut geholfen wird, ist das aber erstmal kein Problem. Bis jetzt habe ich nur positive Rückmeldungen gehört, dennoch ist es schwer die Arbeit der Stelle zu beurteilen, da die Leute bei Problemen mit Ansprechpartnern eher nicht zu mir kommen würden.
Auch will ich betonen, dass diese Veranstaltung von uns als Studierendenrat veranstaltet wird und nicht von der Universität selbst. Wir haben zwar universitäre Vertreter eingeladen, aber alles selbst finanziert und auf Basis von freiwilliger Arbeit geschaffen.
Wie lässt sich die Situation an der Uni verbessern? Habt ihr konkrete Forderungen?
Im Großen und Ganzen nein. Obwohl ich erst ein Statement, das sich an Betroffene und Täter richtet, verfassen wollte, haben wir uns gegen Forderungen und für das Anbieten von Lösungen entschieden. Dies hängt aber auch noch von den Ergebnissen der Umfrage ab, die am Donnerstag vorgestellt werden und von den Diskussionsergebnissen.
Wird die Universität in Zukunft selbst Kampagnen wie eure ausrichten oder werdet ihr nochmal so eine Veranstaltung planen?
Ja, wir wollten eigentlich mehr Kampagnen veranstalten, aber gleichzeitig auch der Uni Anreize schaffen, mitzuwirken. Dadurch würden wir mehr Gelder bekommen, vielleicht würden sogar neue Projekte oder Arbeitsplätze entstehen.
Hauptsächlich geht es darum, Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren, um später ausführlicher mit Leuten darüber zu sprechen und zu sehen, wer daran Interesse zeigt und wer nicht. Ich würde trotzdem sehr gerne die Organisation nicht aus unserer Hand geben, damit das studentische Element erhalten bleibt.
Richtet sich die Kampagne ausschließlich an Studierende?
Wir nennen das Ganze „Von Studis für Studis“, allerdings ist die Kampagne für alle offen. Angestellte der Universität sind auch betroffen und wollen sich oft informieren, wie sie sich und Studierenden helfen können.
Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft? Wie sollte am besten mit dem Thema umgegangen werden?
Ich setze auf die Studierenden. Dass sie aufmerksam aufeinander sind und sich gegenseitig ernst nehmen. Wir wollen Studierende sensibilisieren und Systeme des Respekts und der Toleranz schaffen, in denen man Sachen auch untereinander anonym behandeln kann. Dass sie andere nicht belächeln, die ihre Erfahrungen teilen oder etwas unangebrachtes wie „Na wenn der Professor schön ist…“ sagen. Das macht die Probleme von den, in den meisten Fällen weiblichen, Kommilitoninnen wertlos, wenn sie sich öffnen, aber nicht ernst genommen werden.
Auch sollten wir uns auf unsere Fachschaften verlassen können, selbst wenn sie keine therapeutische Ausbildung haben. Sie sollten genügend Mittel erhalten, um mit Fällen von sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt angemessen umgehen zu können. Denn Studierende sind füreinander die nächsten, man spricht doch erst mit Kommiliton:innen, bevor man bei der Universität irgendwelche Formulare ausfüllt oder sogar eine Anzeige bei der Polizei macht, auch wenn man schnell handeln soll.
Ich finde es wichtig, auf die Studierenden im Einzelnen einzugehen und nicht auf die Uni als Ganzes, auf diese großen Systeme, die nicht immer direkt von uns abhängen. Diese Kampagne ist für sie gedacht, damit sie für sich und andere Informationen sammeln können. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass sich so etwas schnell unter den Studierenden verbreiten kann, so können wir uns selbst besser schützen und uns helfen.
Hinweis: Auf der Website des Stura findet ihr den Zeitplan und weiterführende Informationen zu der Kampagne.
Das Gespräch führten Vera Neise und Justus Brauer.
Vera Neise studiert Politikwissenschaft und Soziologie, aber in ihrer Freizeit am liebsten den ruprecht. Daher schreibt sie seit Herbst 2021 selber mit und zwar besonders gern über gesellschaftspolitische Themen, die die Heidelberger Studis betreffen.