Für billige Reisen zahlt die Umwelt, doch Alternativen passen selten zum studentischen Geldbeutel. Ein Dilemma zwischen Fernweh und Nachhaltigkeit
Die Abenteuerlust ist groß, das Budget dafür umso geringer und auch die zeitliche Flexibilität lässt dank im Nacken sitzender Hausarbeit zu wünschen übrig. Umweltbewusstsein ist das Gebot der Stunde und Reisen ist – Newsflash – in den meisten Fällen nicht sehr nachhaltig. Dass das Fliegen von allen Transportmitteln das umweltschädlichste ist, ist ebenfalls nicht zu leugnen. Dabei geht es immer auch um die CO2-Emissionen. Für Hin- und Rückflug von Berlin nach Barcelona entstehen beispielsweise fast 670 Kilogramm CO2 pro Kopf. Jährlich wäre ein Ausstoß von weniger als einer Tonne pro Person noch klimaverträglich, so das Umweltbundesamt. Der deutsche Durchschnitt liegt aktuell bei circa 11,2 Tonnen. Die meisten Emissionen werden bei Start und Landung freigesetzt. Also einfach direkt oben bleiben? Vielleicht auch, um Freunden und Familie nach begangener Umweltsünde nicht unter die Augen treten zu müssen?
Im Schwedischen ist dafür ein Neologismus entstanden: flygskam. Flugscham. Ein treffender Begriff für ein Gefühl, das einige vermutlich schon mal gespürt haben. Aber schließlich gibt es eine Alternative: die Bahn! Nach einer kurzen Recherche wird jedoch schnell deutlich, dass Umweltfreundlichkeit einen hohen Preis hat, denn um von Heidelberg in den Süden Frankreichs und zurück zu kommen, muss man nicht selten mit 300 Euro und mehr rechnen. Das kommt dem studentischen Geldbeutel teuer zu stehen. Besonders, wenn Ryanair gleichzeitig mit Angeboten für Ziele wie London, Korfu, Stockholm oder sogar Tel Aviv ab 20 Euro lockt, fällt der Widerstand doppelt schwer.
Den zehnfachen Preis zu zahlen und dafür die zehnfache Anreisedauer zu bekommen, ist eine Entscheidung, die man nur aus Überzeugung treffen kann. Grund für dieses preisliche Ungleichgewicht ist die Besteuerung. Während auf Zugtickets eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben wird, fällt diese für Flugtickets nicht an – die Fluggesellschaften werden sogar zusätzlich staatlich subventioniert. Auch der Treibstoff von Flugzeugen, Kerosin, ist steuerfrei, wohingegen die Bahn für den verbrauchten Strom Energieabgaben zahlen muss.
Ist also der Bus unser Transportmittel der Wahl? Schließt man die Augen, fühlen sich die Schlaglöcher auf der Landstraße nach Neuss fast wie Luftlöcher kilometerweit über dem Pazifik an. Doch selbst Flixbus, der einstige Rettungsanker für Budgetreisende, hat mittlerweile deutlich an Erschwinglichkeit eingebüßt. Vielleicht ist das unser Zeichen, uns auf altbewährte, „authentische“ Reisearten zu besinnen und wie Mama und Papa auf Paddelboot und Fahrrad umzusteigen. Die Abenteuerlust kann so sicher gestillt werden, aber sie bringen dich nicht in 24 Stunden nach Indien zum Taj Mahal.
Es ist ein Dilemma. Für viele bedeutet die Möglichkeit zu fliegen trotz allem sehr große Freiheit. Gerade nach Jahren der Pandemie ist die Reiselust von Generation Z so groß wie nie, das hart verdiente Geld wird in Erlebnisse statt in Statussymbole gesteckt. Wir sind in eine globalisierte Welt hineingeboren, und dieses Privileg freiwillig aufzugeben, fällt schwer. Nicht immer stillt ein Trip nach Friedrichshafen das große Fernweh, nicht immer haben wir das nötige Kleingeld für ein Zugticket nach Neapel.
Eine Relativierung des Fliegens wäscht die Weste nicht wieder weiß, genauso wenig wie ein schlechtes Gewissen den Klimawandel nicht aufhält. Als letzter Ausweg bleibt noch die Zwergpalme für den Balkon, Meeresrauschen aus der JBL-Box und Wassereis von Penny, denn dank Klimaerwärmung lässt sich so auch in Deutschland ein tropischer Sommer erleben.
Von Eileen Taubert
...studiert Französisch und Germanistik. Seit 2022 schreibt sie für den ruprecht über die kleinen und großen Fragen des studentischen Alltags.