Gegen Corona haben mRNA-Impstoffe schon ihr Potential gezeigt. Nun könnte diese Technologie schon bald gegen Krebs eingesetzt werden. Aktuelle Studien geben Grund zur Hoffnung
Moderna, Pfizer, Biontech, Curevac. Die meisten von uns werden die Zeit, in der diese Namen in aller Munde waren, wohl verdrängt haben. Und dennoch läuteten die Covid-19-Impfstoffe dieser Firmen das lang ersehnte Ende der Pandemie ein. Laut einer vorläufigen Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO haben Corona-Impfungen allein in Europa seit Ende 2020 eine Million Menschenleben gerettet. All diese Impfstoffe haben gemeinsam, dass sie auf der mRNA-Technologie basieren. Das neuartige Verfahren schützt jedoch nicht nur vor Coronaviren – sondern bald vielleicht auch vor Krebs.
Impfungen, die auf der mRNA-Methode basieren, enthalten Botenstoffe mit dem genetischen Bauplan für ein bestimmtes Protein. Nach der Impfung wird die mRNA in die Zellen des Körpers aufgenommen. Die produzieren nun das gewünschte Protein. Das Immunsystem erkennt das Protein schließlich als Fremdkörper und merkt es sich. So erkennt es den Erreger schließlich als potentiellen Feind. Im Fall von Corona hat die Immunreaktion durch eine solche Impfung eine starke Schutzwirkung gegen Covid-19 erzeugt.
Auch in der Krebsforschung wecken mRNA-Impfstoffe große Hoffnungen. Obwohl sie dort schon seit rund 30 Jahren erforscht werden, war gerade die letzte Zeit durch bemerkenswerte Fortschritte gekennzeichnet. Das Prinzip ist dabei ähnlich wie bei Corona, es unterscheidet sich jedoch leicht in der Anwendung und Zielsetzung: Der Impfstoff versetzt das Immunsystem in die Lage, den Tumor zu erkennen und die Krebszellen gezielt mit Antikörpern zu bekämpfen. Ein solcher Impfstoff gegen Krebs setzt also eine mRNA ein, die den genetischen Bauplan für ein Tumor-Antigen enthält. Wenn diese mRNA in die Zellen des Körpers eingebracht wird, produzieren die Zellen das Tumor-Antigen und stimulieren damit das Immunsystem, um spezifische Abwehrreaktionen gegen Krebszellen zu aktivieren.
Biontech arbeitete vor der Pandemie sogar schwerpunktmäßig an Krebs-Impfstoffen auf mRNA-Basis. Aufgrund der globalen Dringlichkeit durch Covid-19 hat das Mainzer Unternehmen seinen Fokus jedoch kurzfristig geändert. Ohne die Vorarbeiten aus der Krebsforschung wäre die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus nie in so kurzer Zeit möglich gewesen.
In der Krebsforschung sind die Fortschritte mittlerweile vielversprechend. So sagen die Biontech-Gründer:innen Uğur Şahin und Özlem Türeci voraus, dass Krebs-Impfstoffe bereits vor 2030 verfügbar sein könnten, da es bereits erste Hinweise auf ihre Wirksamkeit gebe. Aktuell erprobt Biontech mehrere Krebsvakzine in klinischen Versuchen, die etwa gegen Darmkrebs, Hautkrebs, Prostatakrebs und weitere Tumore helfen sollen. Die britische Regierung arbeitet mit Biontech zusammen, um noch im laufenden Jahr bis zu 10.000 Patient:innen in klinischen mRNA-Immuntherapie Versuchen zur Krebsheilung zu testen. Dabei wird je nach Krebsart mit einer bestimmten Kombination von mRNA-kodierten tumorassoziierten Antigenen gearbeitet.
Das amerikanische Biotechnologieunternehmen Moderna hatte bereits auf Grundlage einer klinischen Studie erste Erfolge mit mRNA-Therapien bei schwarzem Hautkrebs verkündet. Im Rahmen dieser Studie erhielten einige von 157 schwer erkrankten, bereits operierten Menschen neben einem herkömmlichen Krebsmedikament auch einen personalisierten mRNA-Impfstoff. Moderna zufolge sank durch die Kombinationstherapie das Risiko, innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts zu sterben oder erneut an Hautkrebs zu erkranken, um rund 44 Prozent.
Es bleibt jedoch die Herausforderung, dass die Krebszellen den gesunden Zellen sehr ähnlich sind. Tumorzellen können sich zudem tarnen oder das Immunsystem ausbremsen. Daher ist es viel schwieriger, einen mRNA-Impfstoff gegen einen körpereigenen Tumor zu entwickeln als gegen einen Angreifer von außen, wie im Fall von Covid-19. Auch deswegen sollte man die Hoffnungen auf ein Allheilmittel gegen Krebs derzeit noch zügeln.
Mithilfe einer mRNA-Impfung könnte das Immunsystem zwar übrig gebliebene Zellen nach der erfolgreichen Entfernung eines Tumors eigenständig bekämpfen. Das würde den Körper nach einer Operation vor einer erneuten Erkrankung schützen – und könnte im besten Fall eine Chemotherapie überflüssig machen. Ein mRNA-Impfstoff sollte dennoch nicht als Wunderwaffe gesehen werden, die zukünftig jeden Krebs besiegen kann. Denn auch die Impfung kann nur dann wirken, wenn das Immunsystem überhaupt in der Verfassung ist, den Tumor zu bekämpfen. Wenn sich bereits Metastasen gebildet haben, könnte es auch mit einem möglichen Impfstoff schon zu spät sein.
Die Forschung an diesen neuartigen Therapien steckt zurzeit noch in den Kinderschuhen. Es wird weitere klinische Studien brauchen, um die Wirksamkeit und Sicherheit von mRNA-Impfstoffen gegen Krebs zu bestätigen.
Von Marcel Impertro
Marcel Impertro studiert Anglistik und Germanistik im Master und ist seit dem Sommersemester 2022 beim ruprecht. Am liebsten schreibt er über wissenschaftliche Themen.