Im Verein Pro Bono beraten Jurastudierende Hilfesuchende ehrenamtlich in Rechtsfragen des Alltags
Verträge werden von Juristen für Juristen gemacht, damit die Laien merken, dass man ohne Juristen nicht auskommt“, meinte einst Jean Paul Getty. Nicht erst seitdem ist klar, dass das deutsche Rechtsgebilde komplex und schwer durchdringbar ist – auch für Erprobte.
Trotz der Theorie der deutschen Volljährigkeit und damit des Erwachsenseins mit 18 Jahren stecken auch wir Studierende hin und wieder in Situationen, in denen wir trotz langwierigem Recherchieren keine Antworten auf komplizierte Rechtsfragen des Alltags finden. Wenn dann auch Mutti nicht helfen kann, muss juristischer Rat her. Doch was für die einen aufgrund der Kanzlei eines Vaters des Freundes eines Cousins schnell gelöst ist, wird für andere zur kostspieligen Ausnahmesituation.
Eine einfache und doch oft verkannte Lösung kann hier eine Institution wie Pro Bono Heidelberg sein. Die Initiative schafft mit kostenloser Rechtsberatung Abhilfe. Ganz nach ihrem Motto „Helfen – Lernen – Verantwortung übernehmen“ geht es den Mitgliedern des eingetragenen Vereins darum, Ansprechpartner:innen für diejenigen zu sein, die rechtlichen Rat brauchen, sich eine anwaltliche Beratung aber nicht ohne Weiteres leisten können. Das Besondere daran: Die Beratenden sind Jurastudierende, die sich hier neben ihrem Studium engagieren – ohne Gegenleistung.
Der einst von Studierenden gegründete Verein hat sich mittlerweile in Heidelberg etabliert. Seit bald zehn Jahren wird beraten. Johannes, der etwa für die Ressortleitung im Zivilrecht und die Fallverteilung zuständig ist, erklärt, dass Pro Bono keine Probleme habe, Berater:innen für anstehende Fälle zu finden. Man könnte sogar noch mehr Fälle übernehmen. Kapazität sei vorhanden: „Für alle Fälle werden wir ein Team finden!“
Die Bandbreite angenommener Fälle ist groß, einen Versuch sei es immer wert. Lediglich Fälle, die vor Gericht verhandelt werden müssen, die sehr kurze Fristen haben oder bei denen der Streitwert 1000 Euro übersteigt, werden abgelehnt. Dennoch seien von Standardfällen im Mietrecht wie unwirksamen Wohnungskündigungen und willkürlichen Mieterhöhungen über Fälle im Kaufrecht wie Abofallen bis hin zu unwirksamen AGB alles dabei. Beraten wird von Zivil- über Verwaltungsrecht hin bis zu Asyl- und Migrationsrecht.
Für Studierende sei besonders das zivilrechtliche Ressort interessant. Pro Bono selbst versteht sich jedoch als Anlaufstelle für jede:n, der Hilfe braucht. So geht es im Migrationsrecht eher um politische und soziale Beratung. Vorbereitungen auf Anhörungen zu Aufnahmeverfahren des Bundesamts für Migration stehen dabei im Vordergrund. Diese Anhörung bildet den Hauptteil im Asylverfahren und ist ausschlaggebend für Entscheidungen über Asyl. Die Art der Beratung unterscheidet sich vor allem durch den Kontakt: Im Zivilrecht beschränkt er sich oft auf Mailverkehr und Telefonate, während im Asylrecht persönliche Treffen vereinbart werden. Das soll Kommunikationsprobleme vermeiden, da Mandant:innen im Asylrecht teilweise kaum Deutsch sprechen. Nebenbei kann so auch eine Vertrauensbasis geschaffen werden, gerade weil viele der Mandanten nicht wissen, an wen sie sich sonst wenden sollten.
Doch wie genau läuft es für Studierende eigentlich ab, wenn man Pro Bono anfragt? Die Hürde zur Anfrage selbst wird so niederschwellig wie möglich gehalten. Das Ausfüllen eines Formulars auf der Internetseite des Vereins genügt zur Kontaktaufnahme. Die Studierenden auf Seiten Pro Bonos sind zuvor durch freiwillige Fortbildungen und verpflichtende Einführungsworkshops geschult worden. Das sichert die Qualität der Beratung und erleichtert die Herangehensweise.
Der Fall wird dann einem Beraterteam zugeteilt. Diese sind grundsätzlich gemischt aus bereits erfahrenen und noch unerfahrenen Studierenden. Ein Team besteht aus zwei bis drei Personen, wobei nur eine Person Kontakt zum Mandanten aufnimmt. Besonders viel Wert wird hier auf Datenschutz gelegt: Lediglich dem Berater:innenteam sind die Kontaktdaten bekannt, so kann Anonymität garantiert werden.
Daraufhin wird ein Gutachten erstellt. Das Besondere dabei ist, dass nicht nur das Berater:innenteam aktiv wird, sondern auch immer ein Rechtsstudierender kurz vor dem Staatsexamen mitwirkt. Spannend wird es, wenn sich noch während der Gutachtenerstellung Tatsachen ändern. Tatsächlich sei dies vor allem im Mietrecht nicht selten, bemerkt Marit, die selbst Vorstandsvorsitzende ist. „Da muss man einfach flexibel bleiben!“
Im letzten Schritt wird das entstandene Gutachten durch einen Beirat überprüft. Dieser steht auch während der Erarbeitung schon für Rückfragen zur Verfügung. Sie selbst sind Volljurist:innen, also Personen, die das Erste juristische Staatsexamen abgelegt und den juristischen Vorbereitungsdienst beendet haben.
Das fertige Gutachten ersetzt zwar keine Anwälte, jedoch kann so das Rechtsproblem ermittelt und eine Handlungsempfehlung abgegeben werden. „Bei Pro Bono begegnet man sich auf Augenhöhe“, erklärt Marit. Die Hemmschwelle zwischen Studierenden sei niedriger. Diese Dynamik ermögliche es, individuell, persönlich und unkompliziert zu beraten. Eben Pro Bono, also zum Wohle der Allgemeinheit.
Von Anneliese Heindel
Anneliese Heindel studiert offiziell Jura und versucht sich an Ethnologie. Beim ruprecht steht sie für presserechtliche Fragen zur Verfügung und schreibt seit Herbst 2022 über alles Faszinierende und was sie sonst so loswerden möchte.