Theresia Bauer trat bei der OB-Wahl letzten Herbst für mehr Veränderung an – ohne Erfolg: Die Grünen-Politikerin über eine verlorene Wahl und ihre neue Tätigkeit im Landtag
Die OB-Wahl liegt nun sieben Monate zurück. Warum hat sich Heidelberg erneut für Eckart Würzner statt für Sie entschieden?
Das muss man eigentlich die Wählerinnen und Wähler fragen. 42 Prozent der Stimmen für mich sind zwar ordentlich, aber es hat eben nicht gereicht für einen Wahlsieg. Auch die Wahlbeteiligung war viel zu niedrig. Das ist sehr schade, denn bei der OB-Wahl geht es um viel, weil unsere Gemeindeordnung in Baden-Württemberg dieser Position sehr viel Gestaltungsmacht gibt. Ich hätte dieses Amt gerne übernommen, weil ich überzeugt bin, dass Heidelberg neue Impulse und eine andere Handschrift gut getan hätten. Ich bin angetreten für einen Wechsel an der Stadtspitze. Aber der Wunsch nach Veränderung war bei den Wählerinnen und Wählern offensichtlich schwächer ausgeprägt als der Wunsch nach Weiter-So.
Wie stehen Sie zu Sofia Lesers Vorwurf, Sie hätten sich im zweiten Wahlgang ihren Slogan „Eine für Alle“ angeeignet?
Der Slogan ist doch von niemandem die neueste Erfindung. Genau genommen haben wir ihn beide von den Drei Musketieren geklaut. Da hat niemand ein Patent drauf.
Was ist für Sie derzeit bei Ihrer wieder aufgenommenen Tätigkeit als Landtagsabgeordnete wichtig?
Ich habe zwei neue Aufgabenbereiche übernommen. Zum einen bin ich im Bildungsausschuss, wo die Themen Schulen, Kitas und Sport verhandelt werden, und im Wirtschaftsausschuss, wo ich für Tourismus und Gesundheitswirtschaft verantwortlich bin. Da gibt es viel zu tun – auch konkret für Heidelberg. Momentan kümmere ich mich beispielsweise darum, dass die vielen Kinder, die sich zum Teil monatelang im Ankunftszentrum in Heidelberg aufhalten, vor Ort einen geregelten Zugang zu Bildung und Deutsch bekommen. Beim Thema Bildung geht es mir besonders um Bildungsgerechtigkeit, denn bis heute ist dies ein unerfülltes Versprechen unserer Gesellschaft. Die Weichen dafür, dass Kinder einmal ein selbstbestimmtes Leben führen können, werden früh gestellt und Bildung ist dafür entscheidend. Gerade für die Kleinen muss noch Vieles besser werden.
Sie sind für die OB-Kandidatur von Ihrem Amt als Ministerin für Forschung, Wissenschaft und Kunst zurückgetreten. Bereuen sie es, das Amt niedergelegt zu haben?
Nein. Obwohl mir dieses Amt eine Freude war und ich mich auch keineswegs „amtsmüde“ gefühlt habe. Dennoch war es richtig. Ich hatte mich entschieden, dass ich eine neue Aufgabe anstrebe. Damit signalisiert man dem bisherigen Amt: So schön es war, aber da gibt es jetzt „etwas Schöneres“ für mich. In einer solchen Position kann man nur mit voller Kraft und ganzem Herzen dabei sein. Und wissen Sie, ich war über elf Jahre im Amt. Dann ist die Zeit vielleicht auch reif für einen neuen Impuls. Das ist doch ein hohes Gut in der Demokratie, dass alle Ämter auf zeitliche Befristung angelegt sind und dass Beweglichkeit und Veränderung normal sind für Führungspositionen. Das gilt nicht nur für den OB in Heidelberg – es ist auch richtig für mein ehemaliges Ministerium.
Viele Studierende haben Grün gewählt und sind enttäuscht von dem Wahlausgang. Was macht Ihnen für die ökologische und soziale Zukunft von Heidelberg Hoffnung?
Vielleicht ist es die Hoffnung der Verzweiflung. Wir haben gar keine Alternative, als mit aller Energie für Klimagerechtigkeit zu kämpfen. Die OB-Wahl ist das eine, aber danach geht die Welt nicht unter. Sie geht an anderen Fragen unter. Wir dürfen alle die Fortschritte im Verkehr, der Wärmeversorgung und beim Ausbau der Erneuerbaren nicht aus den Augen verlieren. Als Abgeordnete kann ich an diesen Themen dranbleiben und hoffe, dass andere das auch tun. Eine verlorene Wahl ist dann eine Motivation, vielleicht noch etwas aktiver zu werden.
Treten Sie in acht Jahren wieder an für die OB-Wahl?
Acht Jahre sind eine lange Zeit. Nicht nur biologisch, sondern besonders in politischen Kategorien. Die Frage stellt sich also zurzeit nicht.
Das Gespräch führten Justus Brauer und Vera Neise
…hielt schon immer gerne eine Zeitung in der Hand. Seit Frühling 2023 kann er seine Begeisterung für den Journalismus beim ruprecht ausleben.
Vera Neise studiert Politikwissenschaft und Soziologie, aber in ihrer Freizeit am liebsten den ruprecht. Daher schreibt sie seit Herbst 2021 selber mit und zwar besonders gern über gesellschaftspolitische Themen, die die Heidelberger Studis betreffen.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.