Die Ruperto Carola verwehrte Frauen 514 Jahre lang das Studium. Zum zweiten Mal steht nun eine Frau an der Spitze der Uni. Ein Blick zurück auf ein Jahrhundert weiblicher Akademikerinnen an der Universität Heidelberg
Die Ruperto Carola verwehrte Frauen 514 Jahre lang das Studium. Zum zweiten Mal steht nun eine Frau an der Spitze der Uni. Ein Blick zurück auf ein Jahrhundert weiblicher Akademikerinnen an der Universität Heidelberg
Bis heute haben 748 Rektoren die Geschicke dieser Institution gelenkt. Doch erst im Jahr 1966 wurde Margot Becke als erste Frau zur Rektorin ernannt. Sie war eine Pionierin, die den Weg für zukünftige Generationen ebnete. Und jetzt, nach all diesen Jahren, tritt eine weitere Frau in ihre Fußstapfen: Die Molekularbiologin Frauke Melchior wird künftig an der Spitze der Universität Heidelberg stehen.
Doch die Geschichte der Frauen an dieser Universität begann lange vor Margot Becke und Frauke Melchior. Ihr Ursprung liegt im Jahr 1869, als Sofja Wassiljewna Kowalewskaja aus Moskau mit gerade einmal 15 Jahren ihren Vater überzeugte, ihr Privatunterricht bei einem Professor zu ermöglichen. Zu dieser Zeit war es Frauen in Russland nicht gestattet, Vorlesungen zu besuchen. Unbeirrt reiste sie nach Wien und dann nach Heidelberg, wo die Immatrikulation für Frauen noch untersagt war. Kowalewskaja führte persönliche Gespräche mit einzelnen Mathematik- und Physikprofessoren und erkämpfte sich schließlich ihr Studienrecht für das Sommersemester 1869.
1891 markierte dann endlich ein Jahr des Wandels, als Frauen als Gasthöherinnen an der Universität Heidelberg zugelassen wurden. Doch es sollte noch drei weitere Jahre dauern, bis Katharina Windscheid Geschichte schrieb. Am 16. Februar 1895 promovierte sie als erste Frau an dieser Universität und wurde somit zur Vorreiterin des Frauenstudiums und zur ersten weiblichen Doktorin der Philosophie in Heidelberg.
1896 brachte eine weitere mutige Frau, die US-amerikanische Physiologin Ida Henrietta Hyde, ihre Ambitionen nach Heidelberg. Sie hatte erfolgreich an der Universität Straßburg geforscht, doch die akademischen Mitarbeiter der Universität lehnten ihren Antrag auf Abschlussprüfungen ab und verweigerten ihr allein aufgrund ihres Geschlechts die Verleihung eines Doktortitels in Physiologie. Entschlossen wechselte Hyde nach Heidelberg und trotzte dem Widerstand von Wilhelm Kühne, einem Professor für Physiologie. Schließlich, im Jahr 1896, wurde sie als dritte Frau in Heidelberg mit „magna cum laude“ promoviert.
Es dauerte bis zum Jahr 1900, bis Frauen endlich zur Immatrikulation an der Universität Heidelberg zugelassen wurden. Zuvor waren sie nur als Hörerinnen geduldet. Die ersten immatrikulierten Frauen Georgine Sexauer, Rahel Goitein, Irma Klausner und Else von der Leyen, betraten die Bildungsbühne. Doch insbesondere als Frau war ein Studium mit erheblichen sozialen Herausforderungen verbunden. Gesellschaftliche Vorurteile, finanzielle Benachteiligungen und eingeschränkter Zugang zu wichtigen Ressourcen wie Laboratorien und Bibliotheken sollten Frauen aus der Universität fernhalten. Wer dennoch seinen Weg ins Studium wagte, wurde häufig als unkonventionell betrachtet und sah gleichzeitig schlechten Berufs- und Heiratschancen entgegen. Die Entschlossenheit derjenigen Frauen, die sich für ein Studium entschieden, leistete im beginnenden 20. Jahrhundert einen wichtigen Beitrag zur Emanzipation und Förderung von Frauenrechten in Deutschland.
1923 eröffnete sich Gerta von Ubisch als erste Frau die Tür zur Lehre und Forschung an der Ruperto Carola. In ganz Deutschland gab es vor ihr erst 14 weitere habilitierte Frauen. Von Ubischs habilitierte über Vererbungslehre und wurde 1929 Professorin für Botanik. Doch aufgrund ihrer jüdischen Abstammung wurde ihr dieser Lehrauftrag 1933 von den Nationalsozialisten entzogen. Erst nach dem Krieg kehrte sie nach Heidelberg zurück und kämpfte erfolgreich um Wiedergutmachung.
Im Jahr 1928 betrat eine heute weltbekannte Philosophin das Heidelberger Kopfsteinpflaster: Hannah Arendt. Sie studierte Philosophie und promovierte 1928 in Heidelberg. Ihr Name wird für immer mit bedeutenden Beiträgen zur politischen Theorie und ihrer Auseinandersetzung mit Totalitarismus und Menschenrechten in Erinnerung bleiben. Und im Jahr 1946 war es dann so weit: Margot Becke kam an die Universität Heidelberg. Sie studierte und promovierte zuvor in Halle und München, bevor sie Dozentin an der Universität Heidelberg wurde. Bereits im Jahr 1959 wurde sie zur außerordentlichen Professorin ernannt und nur zwei Jahre später hatte sie die Position der Dekanin der naturwissenschaftlichen Fakultät inne. 1966 wurde sie zur ersten Rektorin einer westdeutschen Hochschule ernannt. Ihre Amtszeit fiel jedoch in die Zeit der 1968er-Studentenaufstände, welche sie dazu bewegten, ihr Amt nach wenigen Jahren niederzulegen. Dennoch hinterließ Margot Becke bleibende Spuren und wurde 1977 Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Ist die Situation heute, mehr als hundert Jahre, nachdem die ersten Frauen in Heidelberg studieren durften, eine andere? Im Wintersemester 2022 sind Frauen mit einem Anteil von 54,8 Prozent aller Studierenden an der Universität Heidelberg vertreten. Doch trotz dieser Fortschritte sind 2021 immer noch nur 22 Prozent der Professuren von Frauen besetzt. Immerhin eine Verbesserung im Vergleich zu den 1980er Jahren, als es an der Universität Heidelberg nur etwa fünf Prozent Professorinnen gab.
Die Frauen der Ruperto Carola haben einen langen Weg zurückgelegt, aber die Reise ist lange nicht zu Ende. Sie werden weiterhin die Geschichte dieser Universität prägen, und viele von ihnen Vorbilder für zukünftige Generationen sein.
Von Emily Burkart
...studiert Politikwissenschaften und Soziologie an der Universität Heidelberg und schreibt seit Oktober 2022 für den ruprecht. Sie interessiert sich besonders für das aktuelle politische Geschehen, sowie für alles rund um das studentische Leben in Heidelberg.
...studiert Politikwissenschaften und Literaturwissenschaft und schreibt seit dem Wintersemester 2021/22 für den ruprecht. Nach langer Zeit in der Leitung widmet sie sich nun hauptsächlich Meinung, investigativen Recherchen und gesellschaftskritischen Themen.