Deutschlands größte Buchmesse feiert das 75. Jubiläum. Warum Deutschland zwei Buchmessen braucht
Die größte Literaturveranstaltung der Welt, begeisterndes Lesefest, Zentrum der Buchbranche – die Beschreibungen der Frankfurter Buchmesse übertrumpfen sich gegenseitig. Entsprechend aufgeregt bin ich, als ich als einer von über 7.000 Journalist:innen Mitte Oktober nach Frankfurt fahre, und dann sogar zum 75. Jubiläum der Messe.
Bisher kannte ich nur die kleinere Buchmesse in Leipzig, jetzt warten bekanntere Autor:innen, größere Verlage aus mehr Ländern und die wichtigsten Preisverleihungen auf mich. Das Literaturfestival hält, was es verspricht – doch trotz Menschenmassen merke ich immer wieder, dass es primär keine Publikumsmesse ist.
Eine Vielzahl internationaler Aussteller, von Kinderbuchverlagen mit improvisierten Messeständen bis zur protzigen saudi-arabischen Massivholzkonstruktion, verdeutlicht direkt: Frankfurt ist ein wichtiger Treffpunkt für die Branche, weit über Deutschland hinaus. Die Anwesenheit der heißdiskutiertesten Autor:innen und Politiker:innen, die neben einigen Lesungen und Autogrammstunden vor allem Interviews geben, lässt keinen Zweifel: Diese Messe ist wichtig – nicht zuletzt für Journalist:innen.
Doch als Besucher fehlen mir die neuen Autor:innen, die anderen von ihren Werken erzählen wollen, die kleinen Lesungen und die Menschen, die durch Cosplays ihre Liebe für fantastische Welten ausdrücken. Die Leipziger Buchmesse hat es nämlich gewagt, die Buchmesse mit der Manga-Comic-Con zu kombinieren. Dafür sucht man dort so manche großen Medienhäuser vergeblich, und hinter den Kulissen werden weit weniger Verträge geschlossen oder Kooperationen geplant. Genau dafür sowie für prestigeträchtige Buchpreise braucht Deutschland die Frankfurter Messe, die deshalb auch regelmäßig über 100.000 Fachbesucher:innen anlockt. In Leipzig sind es meist halb so viele. Bestimmt könnte ich aus der Frankfurter Buchmesse weit mehr Artikel produzieren – über die unzähligen politischen Kontroversen, über den pompösen Auftritt von Staaten, denen Literaturfreiheit außerhalb Frankfurts nicht so wichtig ist, oder ein weiteres Interview einer Bundestagsabgeordneten.
Eben weil Leipzig in all diesen Punkten nicht mit Frankfurt mithalten kann, wurde die dortige Literaturveranstaltung in den letzten Jahren als Publikumsmesse ausgebaut. In diesen Punkten will Frankfurt mittlerweile aufholen. In manchen Hallen gibt es Signierstunden im großen Stil. Bei Lesungen und Podiumsdiskussionen glänzt die Messe durch die Prominenz der Gäste. So ist zum Beispiel am Samstag der Andrang auf die Lesungen der Jugendbuchautorin Cornelia Funke riesig, Philosoph Slavoj Žižek sorgt bereits ab Beginn der Messe für Kontroversen und an vielen Ecken wird hitzig diskutiert.
Trotz der Größe bietet die Frankfurter Buchmesse für das allgemeine Publikum das kleinere Angebot. Der Besuch lohnt sich dennoch: Die Auswahl ist groß genug. Die deutsche Literaturbranche braucht eben beides – die kommerzielle, ernstere Frankfurter Buchmesse, auf der die wichtigen Geschäfte abgewickelt werden, und die lockere Publikumsmesse in Leipzig. So unterschiedlich sie auch sind, zu beiden gehe ich gerne wieder.
Von Bastian Mucha
...studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.