Der Heidelberger Wohnungsmarkt ist extrem angespannt. Für viele studierende Mieter:innen wird das zu einer immer größeren Herausforderung. Mit welchen Problemen sind sie konfrontiertund wo können sie Unterstützung erhalten? Eine Bestandsaufnahme
Vor einigen Monaten ist Johanna* aus Heidelberg weggezogen. Eine Person wird sie sicherlich nicht vermissen: ihren Vermieter. „Er hat mich kein bisschen respektiert, war aggressiv und hat mich ständig beleidigt“, schildert sie den Umgang rückblickend. Als sie kurz nach dem Einzug Mängel an der altstädtischen Altbau-WG mitteilte, habe er lediglich erbost reagiert. Bald warnte ein einbestellter Handwerker sie: Der Vermieter habe Mieter:innen in der Vergangenheit regelmäßig ohne triftigen Grund die Kautionsrückzahlung verweigert. Das Verhältnis besserte sich nicht – schließlich kündigte Johanna. „Man fühlt sich absolut abhängig, in Heidelberg ist die Wohnungslage halt nicht so leicht“, sagt sie heute.
Schaut man auf die aktuellen Zahlen, hat Johanna sicherlich recht. Laut dem aktuellen Studentenwohnreport des Finanzdienstleisters MLP und des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft ist die Kaltmiete in deutschen Hochschulstädten allein im letzten Jahr um durchschnittlich 6,2 Prozent gestiegen. An der Spitze steht mit acht Prozent: Heidelberg.
Vor wenigen Tagen hat die Stadt Heidelberg zudem den aktuellen Mietspiegel vorgelegt. Das Ergebnis: Seit 2021 ist die durchschnittliche Miete um 13,5 Prozent gestiegen. Besonders teuer sind Neuenheim, Bergheim, die Altstadt und die Weststadt.
Viele studentische Mieter:innen sind daher auf die klassische Alternative zum teuren freien Wohnungsmarkt angewiesen: Studierendenwohnheime. Die meisten davon betreibt das Studierendenwerk Heidelberg, hinzu kommen Wohnheime in kirchlicher oder privater Trägerschaft. Auch Verbindungshäuser können in diese Kategorie fallen.
Ein Mitglied einer Studentenverbindung bestätigt, dass sich das Angebot von günstigem Wohnraum bei der Rekrutierung neuer Verbindungsmitglieder zu einem immer wichtigeren Faktor entwickle. Viele Verbindungen seien auf Online- Portalen wie wg-gesucht.de zudem wenig transparent. Gerade unerfahrene und ausländische Studenten wüssten vor der Besichtigung daher oft nicht, worauf sie sich einließen.
Auch in anderen Heidelberger Wohnheimen machen nicht alle Studierenden positive Erfahrungen. Über ihre Erdgeschoss-WG in der Altstadt berichtet Lara*, das Studierendenwerk habe Schadensmeldungen zu Schimmelproblemen oder einem kaputten Türschloss lange ignoriert. Bis das letztere Problem kurz vor Redaktionsschluss behoben wurde, sei zwei Monate lang „Tag der offenen Tür“ gewesen.
Charlotte* erinnert sich an das private Wohnheim in Rohrbach, in das sie zu Beginn ihres Studiums gezogen war. Der Vermieter wohnte im gleichen Gebäude. Er habe mindestens drei Kameras installiert – darunter auch eine, die den Wohnungsflur inklusive Charlottes Zimmertür im Sichtfeld gehabt habe. Außerdem habe er die Küchenbenutzung nur bis 22 Uhr erlaubt; jede Nacht habe anschließend ein WG-Mitglied, vom Vermieter kontrolliert, die Küche putzen müssen. Jeglichen Besuch habe er grundsätzlich untersagt und sofort eingegriffen, wenn er über die Kameras einen Gast erspäht habe.
Sigrid Schwab ist Fachanwältin für Mietrecht und Rechtsberaterin beim Mieterverein Heidelberg, der hiesigen Interessenvertretung der Mieter:innen. In Fällen wie denen von Lara oder Charlotte empfiehlt sie, sich beraten zu lassen, um gegebenenfalls rechtlich gegen den:die Vermieter:in vorzugehen. Das allgemeine Mietrecht gelte schließlich auch für Studierendenwohnheime. Nur wenige Punkte seien davon ausgenommen, so Schwab: „Gerade die Befristungsmöglichkeit der Mietverträge – bei Studierendenwohnheimen meist auf das Semesterende – und die einhergehende beidseitige Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit ist, anders als auf dem privaten Wohnungsmarkt, zulässig.“
Bei anderen vertraglichen Regelungen des Studierendenwerks ist das nicht so eindeutig. Kontinuierliche Übernachtungsbesuche schränkt es in seinen Wohnheimen beispielsweise erheblich ein – auf maximal eine Woche. Dies kann im Sinne der Mieter:innen sein, denn das Studierendenwerk ist verpflichtet, kostendeckende Pauschalmieten zu erheben. Längere Besuche können zu erhöhten Nebenkosten und damit zu höheren Mieten für alle führen.
„Die rechtliche Beurteilung ist letztlich vom Einzelfall abhängig“, erläutert Anwältin Schwab. Üblicherweise erlaube die Rechtsprechung jedoch einen Besuch von bis zu sechs Wochen. Schwab hat daher Bedenken, dass die deutlich striktere Regelung des Studierendenwerks zulässig ist.
Auch bei Partys, Grillaktivitäten, der Haustierhaltung oder bei Farbanstrichen im eigenen Zimmer ist das Studierendenwerk in seinen allgemeinen Mietbedingungen vergleichsweise restriktiv. Eine Haftung für die Funktionalität des Netzwerkzugangs in den Wohnheimen schließt das Studierendenwerk aus, gleichzeitig verbietet es grundsätzlich den Aufbau eigener Netzwerke. Dass es bei Arbeiten am Gebäude oder an den Mieträumen außerdem Mietminderungsansprüche pauschal ausschließt, hält Schwab für „definitiv unzulässig“.
Eine Auskunft des Studierendenwerks zu diesen vertraglichen Regelungen stand bis Redaktionsschluss aus.
Die größten Probleme scheinen Studierenden jedoch nicht durch das Studierendenwerk, sondern auf dem privaten Wohnungsmarkt zu entstehen. Schwab berichtet auch, sie habe es noch nie mit einem Fall zu tun gehabt, der das Studierendenwerk betroffen hätte.
Aus ihrer Arbeit kennt die Rechtsanwältin die typischen Problemkonstellationen. In WGs komme es oft vor, berichtet sie, dass ein einzelnes Mitglied aus einem einheitlichen Mietverhältnis mit gemeinsamem Vertrag aussteigen möchte. Die Vermieterseite verwehre dies mitunter, weil sie Potenzial für eine Neuverhandlung des Vertrags zu für sie günstigeren Bedingungen erkenne.
Ein Anspruch auf den individuellen Ausstieg aus einem gemeinsamen Vertrag könne dennoch bestehen, sofern dem Vertragsabschluss zugrunde lag, dass es sich bei den Mietenden um eine studentische WG handeln würde. Dies sei jedoch in Verträgen nur selten explizit vermerkt, weshalb für die Beweisführung oft Zeug:innen notwendig seien. Änderungen bei der WG-Zusammensetzung langfristig zu dokumentieren und Kontakte zu Vormieter:innen zu erhalten, kann sich daher auszahlen.
„Auch Befristungen sind im Gegensatz zu Studierendenwohnheimen nur eingeschränkt zulässig“, ergänzt Schwab. Nicht immer müssen Mieter:innen ausziehen, nur weil der Mietvertrag eine Frist festsetzt. Das entgegengesetzte Instrument des Kündigungsausschlusses – etwa in Form von Mietverträgen mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr – sei bei Studierenden wegen ihrer typischen Bedürfnisse nach Flexibilität in aller Regel unwirksam. Auch hier sei eine rechtliche Überprüfung sinnvoll.
Wer noch auf die Kaution wartet, sollte möglicherweise sechs Monate warten, bevor er diese einfordert, empfiehlt Schwab. Denn bis dahin seien die Ansprüche des Vermieters in Bezug auf den hinterlassenen Zustand des Mietobjekts verjährt. Und: Bei der Wohnungsübergabe zum Auszug seien Zeug:innen wichtiger als Fotos.
Wohl den Studierenden, die diese rechtlichen Details kennen, wenn sie auf ein Mietproblem stoßen. Besonders hart traf es Sophia.* Vor wenigen Jahren besichtigte das Bauamt ihre damalige Mietwohnung in der Altstadt – und untersagte ihr kurzerhand die Nutzung. Die Begründung: Der Vermieter hatte den Dachstuhl, in dem Sophia wohnte, ungenehmigt ausgebaut; es fehlte ein zweiter Flucht- und Rettungsweg. Plötzlich war Sophia wohnungslos.
Auch Fabienne* hat Ende des letzten Jahres schlechte Erfahrungen gemacht. Mit einem Tag Vorankündigung ließ ihr Vermieter in ihrer 3er-WG in Kirchheim umfassende Bauarbeiten beginnen. Aus der Küche wurde ein weiteres Schlafzimmer, das dem Vermieter einen zusätzlichen vierten Mietzins einbrachte. Wegen der Arbeiten standen Fabienne und ihren Mitbewohner:innen wochenlang weder Herd noch Dusche zur Verfügung.
Für Marius* fingen die Probleme beim Auszug aus seiner Altstadtwohnung an. Bereits unter seinen Vormieter:innen sei die Wohnung nie gestrichen worden, habe er über eine Nachfrage bei diesen ermittelt. „Dementsprechend sah es auch aus“, sagt er und beschreibt Schuhabdrücke sowie Nägel in der Wand. Ohne dass sich der Zustand der Wände verschlechtert hätte, seien ihm bei seinem Auszug mehrere hundert Euro für „Malerkosten“ von der Kaution abgezogen worden.
An wen können sich studentische Mieter:innen wie Sophia, Fabienne und Marius wenden? Manche Studierende können über ihr soziales Umfeld befreundete Anwaltspersonen um Hilfe bitten. Fabienne, die inzwischen aus ihrem WG-Zimmer ausgezogen ist, hofft, auf diesem Weg die Kaution zurückzuerhalten.
Wer privat keinen anwaltlichen Kontakt herstellen kann, für den gibt es in Heidelberg eine ganze Reihe von Anlaufstellen, die günstige oder sogar kostenfreie Rechtsberatung anbieten. Die größte ist der Mieterverein Heidelberg – diesen Weg wählte Sophia. Mithilfe ihres Rechtsberaters konnte sie von ihrem Vermieter eine Erstattung der zusätzlichen Kosten erwirken, die ihr aus der plötzlichen Verfügung durch das Bauamt entstanden waren.
Bisher bietet der Mieterverein Studierenden neben der Vollmitgliedschaft für 74 Euro jährlich (37 Euro bei Bezug von Bafög) eine limitierte „Schnuppermitgliedschaft“ mit einem Eigenbeitrag von 25 Euro an, informiert Geschäftsführer Nils Meier. Der Mieterverein habe jedoch eine Änderung beschlossen. Studierende sollen bald grundsätzlich als Vollmitglieder behandelt werden und dafür Bafög-unabhängig den ermäßigten Beitrag von 37 Euro im Jahr zahlen.
Neben dem Mieterverein gibt es auch Angebote unentgeltlicher Rechtsberatung. Eine wichtige Anlaufstelle ist dabei der Studierendenrat, der mit dem Mieterverein und dem Anwaltsverein Heidelberg kooperiert. Auch Marius erhielt hier schon Unterstützung.
Laut den Stura-Sozialreferent:innen Lera Dragan und Ole Fuchs können bei Mietproblemen mitunter auch die Sozialberatung und der Notlagenausschuss helfen. Zudem unterhält der Stura seit Oktober 2022 eine Bettenbörse, über die fortgeschrittene Studierende Erstsemestern eine kurzzeitige Bleibe anbieten können.
Auch das Studierendenwerk bietet eine Rechtsberatung an, die das Mietrecht miteinschließt. Wer keine Beratung braucht, jedoch noch ein Zimmer sucht, kann zudem online auf die Privatzimmervermittlung zurückgreifen.
Schließlich kommen auch studentische Rechtsberatungen infrage. Bastian Rath von Pro Bono Heidelberg und Michelle Sieburg von Legal & Law Heidelberg bestätigen auf Anfrage, dass auch sie bei Mietproblemen beraten.
Johanna hat ihre Kaution bisher nicht zurückerhalten. Nach rechtlichem Beistand musste sie nicht lange suchen, denn ihre Mutter ist Juristin. Das breite Beratungsangebot in Heidelberg zeigt jedoch: Auch wer privat keinen Anwalt oder keine Anwältin kennt, muss sich auf dem prekären Wohnungsmarkt nicht alleingelassen fühlen.
*Namen von der Redaktion geändert
Von Linus Lanfermann-Baumann
...studiert Geschichte im Master und schreibt seit 2022 für den ruprecht. Er interessiert sich für Vergangenes und Gegenwärtiges im Kino, in der Literatur, in Heidelberg und in den USA.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.