Nach einem antisemitischen Gewaltverbrechen wurde die Aktivitas der Burschenschaft Normannia aufgelöst. Nun laufen Bestrebungen einer Neugründung
Die Heidelberger Burschenschaft Normannia arbeitet bereits seit mehreren Monaten an der Neugründung ihrer Aktivitas, dem aktiven Teil der Studentenverbindung.
Seit September 2020 bestand bis jetzt offiziell nur noch der Altherren- und Hausverein der Normannia. Die Altherren lösten den studentischen Teil der Burschenschaft auf, da es im Monat zuvor bei einer Veranstaltung im Haus der Normannia zu einem antisemitischen Gewaltverbrechen gekommen war.
Bei der Normannia handelt es sich um eine 1890 gegründete, pflichtschlagende Burschenschaft, die bis jetzt als Mitglied des Dachverbands „Deutsche Burschenschaft“ gilt.
Verbindungen und Burschenschaften bestehen aus studierenden und berufstätigen Mitgliedern. Die studierenden Mitglieder sind in der Aktivitas organisiert. Diese versteht sich meistens als nicht eingetragener Verein, der nicht rechtsfähig ist.
In der Vergangenheit schockierte die Heidelberger Burschenschaft Normannia immer wieder mit extremistischen Mitgliedern und Bestrebungen. So beispielsweise als „Normannen“ im Jahr 2000 Flyer gegen das „jüdische Finanzkapital“ verteilten. Auch Rechtsrock und antisemitische Gesänge sollen immer wieder aus dem Verbindungshaus zu hören gewesen sein.
Im August 2020 kam es dann bei einer Feier im Haus der Normannia zur Tat, die schließlich zur Auflösung führte. Mitglieder und befreundete Studierende der Burschenschaft schlugen einen Gast mit Gürteln, bewarfen ihn mit Münzen und beleidigten ihn wegen der jüdischen Herkunft seiner Großmutter antisemitisch.
Mitglieder der Burschenschaft schlugen einen Gast mit Gürteln
Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Heidelberg Ermittlungen gegen zehn Personen ein. Im Rahmen der Untersuchungen wurde eine Hausdurchsuchung in der Normannenvilla durchgeführt. Im Mai 2021 stellte die Staatsanwaltschaft Strafbefehle gegen sechs Personen wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlicher Beleidigung. Gefordert wurden vergleichsweise hohe Geld- und Bewährungsstrafen.
Zu Beginn des Prozesses bezeichnete eine Ermittlerin das Verhalten einiger Zeug:innen als „Mauer des Schweigens“. Die Vorsitzende Richterin Nicole Bargatzky nannte das Verfahren „eine Katastrophe“. Zudem drohte sie mit Ermittlungen wegen möglicher Falschaussagen. Angeklagte und Zeugen verwiesen bei ihren Aussagen immer wieder auf fehlende Erinnerungen und Alkohol. Im ersten Verfahren vor dem Jugendgericht erhielten im Dezember 2022 drei der Angeklagten Haftstrafen von je acht Monaten auf Bewährung, während der vierte Angeklagte freigesprochen wurde. Derzeit läuft ein Berufungsverfahren.
Im Nachgang des Verfahrens wurde durch Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg und verschiedener Investigativjournalist:innen öffentlich, dass das Haus der Normannia schon seit Längerem und im Wissen der „Alten Herren“ für Treffen der rechtsextremen Identitären Bewegung genutzt wurde. Der Umgangston soll von NS-Symbolik und Antisemitismus geprägt gewesen sein. Auch unter Heidelberger Burschenschaften war die Normannia daher zunehmend isoliert. Der Versuch des Vorstandes, die Verbindung davon zu distanzieren und neue Leitlinien zu etablieren, hatte schließlich zahlreiche Austritte zufolge.
Wiederaufbau der Normannia unter ehemaligem Namen Cimbria
Neben einer weiteren Verschärfung der ohnehin angespannten personellen und finanziellen Lage der Verbindung kamen im April dieses Jahres Pläne auf, die Normannia unter dem ehemaligen Namen Cimbria wiederaufzubauen. Zudem wolle die Normannia aus dem als stark rechtsgerichtet geltenden Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ austreten. Dies war geleaktem Mailverkehr zu entnehmen. Darin war auch mehrfach von einem Wiederaufbau durch die „Bundesbrüder vor Ort“ die Rede.
Mitglieder der Normannia äußerten Sorge vor dem Widerstand der Antifa gegen die Neugründung der Aktivitas. Auf Anfrage des ruprecht antwortete die Normannia bislang nicht.
Von Mathis Gesing und Josefine Nord
...studiert Politikwissenschaften und Literaturwissenschaft und schreibt seit dem Wintersemester 2021/22 für den ruprecht. Nach langer Zeit in der Leitung widmet sie sich nun hauptsächlich Meinung, investigativen Recherchen und gesellschaftskritischen Themen.
...studiert Politikwissenschaft und Philosophie und schreibt seit dem Wintersemester 2023/24 für den ruprecht. Er interessiert sich vor allem für Politik, Kultur, die neuesten Entwicklungen in Heidelberg und was die Studis oder ihn gerade so bewegt.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.
Ihr tut Eurem berechtigten Anliegen keinen Gefallen, wenn schon die Überschrift („Gewaltverbrechen“) sachlich falsch ist. Die StA hat gegen Mitglieder der Verbindung Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidung erhoben. Beides sind Vergehen aber keine Verbrechen. Mit dem Begriff „Gewaltverbrechen“ macht Ihr dazu die Räume eng für Opfer von wirklichen Verbrechen.