Heidelberg liegt bei den Grünflächen deutlich unter dem Landesdurchschnitt. Über die Probleme bei der Stadtplanung und die Folgen der Pflanzenarmut für kommende Hitzesommer
Die Sommer werden durch den Klimawandel heißer und trockener, das macht sich auch in Städten bemerkbar. Dichte Bebauung und schwarzer Asphalt verwandeln einen schönen Sommertag in drückende Hitze. Die Stadt Heidelberg sieht sich selbst als Vorreiter in klimaresilienter Stadtplanung. Doch dabei läuft nicht alles rund. Grünflächen, die zur Regulierung der Temperatur beitragen, hat Heidelberg nur wenige. Die Grünfläche pro Einwohner beträgt mit rund sieben Quadratmetern weniger als die Hälfte des baden-württembergischen Landesdurchschnitts.
„Der geringe Grünflächenanteil Heidelbergs ist ein Problem“, erzählt Petra Fochler. Sie setzt sich beim Naturschutzbund (Nabu) und im Rahmen ihres Projekts Stadtgrün Heidelberg für innerstädtisches Grün ein. Laut ihr setzt die Stadt falsche Prioritäten: „Das Grün kommt an allerletzter Stelle, man geht immer auf die einfachste Lösung, die möglichst wenige laufende Kosten verursacht“. Die Baumaterialien in Städten, speziell Beton und Asphalt, speichern mehr Wärme als natürliche Grünflächen. Nachts sind Städte deshalb deutlich wärmer als das Umland, im Mittel vier Grad Celsius. Außerdem speichern diese versiegelten Flächen keine Feuchtigkeit, die zur Abkühlung beitragen könnte.
Was eine Stadt nachweislich abkühlen kann, sind Grünflächen, Fassadenbegrünung und Bäume. Sie speichern Feuchtigkeit und kühlen durch Verdunstung aus ihren Blättern aktiv ihre Umgebung, außerdem spenden sie Schatten.
Die Bahnstadt verfügt in Heidelberg über sehr wenige Grünflächen. Sie wurde vor zwanzig Jahren als besonders zukunftsfähiger Stadtteil mit stark gedämmten Passivhäusern und begrünten Dächern geplant. Doch die Bahnstadt ist meist spürbar heißer als der Rest der Stadt. Die Gebäude heizen sich im Sommer stark auf und öffentliche Plätze wie der Gadamerplatz bieten wenig Schatten und kaum Grün.
Die Stadt engagiert sich in mehreren Initiativen für Klimaschutz- und Anpassung. Neben dem Projekt Oasis, mit dem der Oberbürgermeister Würzner „zusätzlich zu bestehenden Grünflächen kleine Oasen mitten in den Stadtteilen schaffen“ möchte, gibt es einen Klimaschutz-Aktionsplan. In diesem nennt die Stadt als Maßnahme zur Klimaanpassung die Pflanzung eines Klimawäldchens in jedem Stadtteil. Gemeint ist damit die Pflanzung von jährlich 500 Bäumen bis 2025, insbesondere auf derzeit versiegelten Flächen.
Doch die Umsetzung verläuft nicht immer sinnvoll. So wurde eines dieser „Klimawäldchen“ am SNP Dome angelegt. Der Platz um die Arena herum ist großflächig versiegelt. Statt diesen großzügig zu bepflanzen, wurden auf der anderen Straßenseite 70 Bäume gepflanzt. Insgesamt sei das Konzept der Klimawäldchen laut Fochler „als Tiger gestartet, als Bettvorleger geendet“. Ein Grund dafür seien die Kosten für das Anlegen und die Instandhaltung von Stadtgrün. Ein versiegelter Platz verursacht fast keine laufenden Kosten. Ein neu gepflanzter Baum muss hingegen fünf Jahre lang betreut und mit 600 Litern Wasser pro Woche gegossen werden.
Ein weiteres großes Problem ist die Menge an versiegelter Fläche in der Stadt. Große Teile der Stadt sind so gebaut, dass Regenwasser möglichst schnell durch die Kanalisation abgeführt wird. Dieser Regen gelangt nie ins Grundwasser, sodass im Sommer viel künstlich bewässert werden muss. Ohne Bewässerung geht der kühlende Effekt der Bäume verloren: Die Blattöffnungen schließen sich bei Trockenheit, sodass weniger Wasser an die Luft abgegeben wird.
Wenn Grünflächen und Bäume von versiegeltem Boden umgeben sind, haben sie nur eingeschränkten Zugang zum Grundwasser. Ein aktuelles Beispiel ist der Montpellierplatz in der Nähe des Marstalls. Dort wird im Zuge der Sanierung der Stadthalle einer der letzten unversiegelten Parks der Altstadt ausgehoben. An dessen Stelle entsteht ein unterirdischer Technikraum. Dieser soll zwar eine Dachbegrünung bekommen, allerdings kann diese die Funktionen der vorherigen Grünfläche nicht ersetzen. Laut dem Nabu komme es zu einer Reduzierung der Wasserspeicherfähigkeit und Behinderung des Hangwassers vom Königsstuhl. Zudem werde der Wurzelraum des alten Baumbestandes zum Neckar hin abgeriegelt.
Die Stadt hat also noch viel zu tun, um das Leben in heißen Sommern angenehmer zu machen. Dabei ist statt der Fokussierung auf Klimaneutralität und einzelne Vorzeigeprojekte ein generelles Umdenken der Flächenplanung notwendig, um mehr Freiräume für Mensch und Natur zu schaffen. Doch auch kleine Maßnahmen, wie die Berankung von Garagen und Fahrradunterständen, wären ein Schritt in die richtige Richtung.
Von David Hildebrandt, Marco Winzen und Silas Janke
Die gute Nachricht …
Im Jahr 2023 hat Deutschland erstmals mehr als die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Der Anteil an Solar-, Wind- und Wasserkraft ist im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent gestiegen. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien stammen.
Von Heinrike Gilles
...studiert Physik und schreibt seit dem Wintersemester 2023 für den ruprecht. Neben natürlicherweise der Wissenschaft, schreibt er hier vor allem für die Ressorts Heidelberg und Hochschule.
...studiert Politikwissenschaft und Japanologie und schreibt seit dem Wintersemester 2023/24 für den ruprecht. Er schreibt am liebsten zu Themen, die vielleicht nicht alle auf dem Schirm haben.
...studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.