Deutschland ist im internationalen Bildungsvergleich auf dem absteigenden Ast. Wie die Politik und das Schulsystem bei der Zukunft junger Menschen versagen
Ende 2023 blickt ganz Deutschland auf das ernüchternde Ergebnis der 2022 durchgeführten Pisa-Studie. Im internationalen Leistungsvergleich haben die deutschen Schüler:innen das bisher schlechteste Ergebnis im Vergleich zu den Vorjahren erzielt. Doch nicht nur in Deutschland sind die schulischen Kompetenzen gesunken.
Die sogenannte Pisa-Studie, kurz für Programme for International Student Assessment, wird seit dem Jahr 2000 im Dreijahresrhythmus durchgeführt. Es handelt sich hierbei um ein Programm der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur internationalen Schüler:innenbewertung. Getestet werden die in der Schule erworbenen Kompetenzen von 15-jährigen Jugendlichen in den Bereichen Naturwissenschaften, Lesen, Mathematik sowie kreatives Denken.
In der aktuellen Studie nahmen fast 700.000 Schüler:innen aus 81 Ländern teil. Damit stellt Pisa die erste groß angelegte Studie dar, die Daten über Leistung, Wohlergehen und Chancengleichheit von Schüler:innen vor und nach der Covid-19-Pandemie erfasst.
Insgesamt lagen 18 Länder in den drei Pisa-Kernfächern über dem OECD-Durchschnitt, darunter waren die Nachbarländer Polen und Tschechien. Auch Finnland, Estland, Korea und Singapur zählten dazu, wobei Letzteres in jedem der Kernfächer an der Spitze lag. Deutschland erreichte in den Kompetenzen Mathematik und Lesen knapp Werte über dem Durchschnitt. Nur in den Naturwissenschaften erreichte der Bund eine deutlich überdurchschnittliche Punktzahl. „Die Ergebnisse der Pisa-Studie 2022 sind besorgniserregend“, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz Katharina Günther-Wünsch.
Die Ergebnisse der aktuellen Studie sind einzigartig, denn in den zwei Jahrzehnten, in denen die Tests durchgeführt wurden, hat sich der OECD-Durchschnitt nie um mehr als wenige Punkte in den Fächern Mathematik und Lesen verändert. Dieses Mal verzeichnete sich jedoch ein beispielloser Rückgang des Durchschnitts. In Mathematik ist der Leistungsrückgang knapp dreimal so hoch wie im Vergleich zur vorherigen Studie. Damit liegt dieses Ergebnis sogar unter dem im Jahre 2000, das damals als Pisa-Schock bezeichnet wurde. In den Naturwissenschaften haben sich die durchschnittlichen Leistungen nicht wesentlich verändert.
In den drei Kompetenzbereichen sind bei allen Ländern bis auf Japan verschlechterte Ergebnisse zu verzeichnen. Nur bedingt kann der Leistungsrückgang auf die Covid-19-Pandemie und die miteinhergehenden Einschränkungen zurückgeführt werden. Bereits vor 2018 gab es länderübergreifend negative Trends bei den Kernleistungen.
Der Leistungsrückgang kann auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden. In allen OECD-Mitgliedsstaaten wurde festgestellt, dass herkunftsbezogene Ungleichheiten vorliegen. Zunehmend heterogene Schulklassen stelle sowohl das Schulsystem als auch die Lehrkräfte vor enorme Herausforderungen, führte Günther-Wünsch aus.
Der Sozialwissenschaftlerin Daniela Nord zufolge, zeigen diese Ergebnisse, dass Bildungserfolg und Bildungsbeteiligung von der sozialen Herkunft der Kinder abhängig seien. Ein weiterer Grund liegt bei den fehlenden Sprachkenntnissen. Laut der Studienleiterin Doris Lewalter habe es das deutsche Bildungssystem nach wie vor nicht geschafft, eine frühe Sprachförderung für alle, die sie benötigen, durchgängig sicherzustellen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine unmittelbare systematische Sprachförderung dringend notwendig ist.
Auch der Mangel an Lehrkräften spiegelt sich in den Ergebnissen wider. In Ländern mit vergleichbaren Resultaten wie Deutschland berichtete die Hälfte von einem Lehrkräftemangel. Die Befunde zeigen, dass Schüler:innen einer Schule schlechtere Ergebnisse erzielten, wenn die Schulleitungen einen Lehrkräftemangel gemeldet hatten.
Die aktuelle Pisa-Studie zeigt akute Mängel nicht nur in unserem Bildungssystem, sondern auch auf internationaler Ebene auf. Es hat also nicht allein die Covid-19-Pandemie zu den verschlechterten Ergebnissen beigetragen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch längerfristige Probleme eine Rolle spielen, die es zu beheben gilt, um die Lernleistung zu verbessern.
Von Sandy Placzek
...studiert Geographie, Geschichte sowie Biologie im Master of Education und ist seit Oktober 2023 beim ruprecht dabei. Sie interessiert sich besonders für (natur-)wissenschaftliche, historische und gesellschaftliche Themen, welche die Welt gerade so beschäftigen: Vom Klimawandel und Umweltschutz bis hin zur sozialen Gerechtigkeit.
...studiert seit dem WiSe 2021 im Bachelor in Geschichte und Religionswissenschaft – beim ruprecht ist sie seit Studienbeginn, hat zwischendurch Hochschule mitgeleitet und ist zurzeit im Layout-Team. Bei Gelegenheit produziert sie auch Illustrationen für Artikel und schreibt am liebsten über Medien und internationale Themen.