Heidelberger Fälschungs-Studien-Sammlung: Der Professor für Kunstgeschichte Henry Keazor erklärt, wie man Fakes erkennen kann und warum sie interessant sind
Die Alarmanlage piept, als sich die Tür öffnet. „Wir müssen die gleichen Bedingungen liefern wie eine Asservatenkammer, der Raum muss einbruchsicher sein”, erklärt Henry Keazor. Der Professor am Institut für Europäische Kunstgeschichte gewährt Einblick in die Heidelberger Fälschungs-Studien-Sammlung.
Die Idee für das Projekt hatte Keazor bereits 2012, umgesetzt wurde sie erst 2021. Es ist ein Versuch der Enttabuisierung von Kunstfälschungen auf dem Kunstmarkt. Die Sammlung soll darauf aufmerksam machen, wie problematisch Fälschungen sind und wie raffiniert Fälscher:innen sein können.
Die Kunstwerke in der Sammlung stammen aus den überfüllten Asservatenkammern der Landeskriminalämter. Je nach Bundesland kann es sogar dazu kommen, dass die Fälschungen verbrannt werden, was Keazor für falsch hält. Schließlich würden auch Originale manchmal irrtümlich für Fälschungen gehalten und damit bestünde die unmittelbare Gefahr, dass sie zu Unrecht vernichtet werden.
Auch für die Sammlung erwarb er bereits eine vermeintliche Fälschung, die sich bei Untersuchungen als das Original aus dem 17. Jahrhundert entpuppte. Für die Lehre können Fälschungen von großer Bedeutung sein, denn an ihnen lerne man genauso gut wie an einem Original, so der Professor für Kunstgeschichte.
In manchen Bundesländern werden Kunstfälschungen verbrannt
Fälschung und Original voneinander zu unterscheiden, kann je nach Fall ganz schön schwierig sein. Es gibt nicht die eine richtige Methode oder Vorgehensweise. Man untersucht Aspekte wie die Motive des Kunstwerks, Farben, Stil, Sig-natur oder woher die Gemälde kommen. Selbst Labore sind sich trotz modernster Möglichkeiten teilweise uneinig, da die gleiche Methode zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann.
Im Rahmen des Seminars über Kunstfälschung, das Keazor für Masterstudierende anbietet, beschäftigen sich die Teilnehmer:innen mit der Identifizierung der Fälschungen. Hier werden unter anderem technische Untersuchungs- möglichkeiten wie die Infrarotreflektografie oder die Röntgenfluoreszenz-Pistole thematisiert.
Selbst Labore sind sich bei der Untersuchung von Bildern manchmal uneinig
Die Wahrscheinlichkeit, dass Studierende der Kunstgeschichte in ihrer beruflichen Zukunft in Museen, Galerien oder Stiftungen mit Fälschungen konfrontiert werden, ist sehr hoch. Weil dies im Studium bisher kaum behandelt wird, soll das Seminar auf den tatsächlichen Kunstmarkt vorbereiten. Gerade Online-Plattformen wie Ebay sind problematisch, weil Fälschungen auf diese Weise noch schneller in Umlauf geraten. Sobald sie dann erstmal in einer reputablen Sammlung sind, wird ihre Echtheit weniger angezweifelt.
Die Befürchtung, dass er durch die Seminare und Fälschungen seine Studierenden selbst zu Fälscher:innen ausbildet, hat Keazor nicht. Wenn man mit dem Fälschen Geld verdienen möchte, komme man immer an Informationen, dafür bräuchte man nicht seine Seminare. Was man dabei auch beachten sollte: „Crime doesn’t pay. Letztendlich ist Fälschen eine künstlerische Bankrotterklärung”, so Keazor.
Obwohl Fälschungen in der Branche mittlerweile offener diskutiert werden, ist das Thema noch mit einer gewissen Peinlichkeit verbunden. Beim versehentlichen Kauf einer Fälschung verschwindet diese oft schnell im Depot eines Museums. Häufig wird für kurze Zeit sehr intensiv darauf geachtet, den gleichen Fehler nicht nochmal zu begehen. Die Gefahr gerät dann jedoch schnell wieder in Vergessenheit.
Auch sei bei Kunstfälschungen der sogenannte „Rückschaufehler” zu beobachten: Sind Menschen bereits einmal auf Fälschungen hereingefallen, überschätzen sie danach ihre Fähigkeit, andere Fälschungen zu erkennen.
Momentan ist der Raum, in dem sich die Sammlung normalerweise befindet, recht leer. Die meisten Fälschungen sind nämlich gerade im Kurpfälzischen Museum, wo sie, teilweise neben ihren Originalen, von Februar bis Juni ausgestellt sind. Auch eine Vortragsreihe zum Thema ist geplant, unter anderem wird dort der Einfluss künstlicher Intelligenz sowohl beim Erkennen von Fälschungen als auch beim Fälschen thematisiert.
Keazor geht es darum, dass man Fälschungen nicht unterschätzt. „Das ist etwas, das die Kunstgeschichte von Anfang an begleitet. Mir ist es ein großes Anliegen, dass sie sich damit auseinandersetzt.”
Von Annika Bacdorf und Pauline Zürbes
...studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Seit dem Winter 2023 ist sie beim ruprecht, wo sie mal dies und mal das macht.
...studiert Übersetzungswissenschaft im Master und fotografiert seit dem Wintersemester 2023/2024 für den ruprecht.