Wo sich Reiche und Arme in Heidelberg die Straßen teilen. Ein Überblick
Man muss nicht lange in Heidelberg studieren, um zu sehen, dass hier das Geld wohnt. Schicke Cafés und Häuserfassaden, Teslas und Porsche-Cabrios fallen einem schnell auf. Aber wo leben in Heidelberg eigentlich die Reichen – und wo die Ärmeren? Eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum in Berlin für Sozialforschung (WZB) von Dezember 2023 untersucht die Wohlstandsverteilung, innerstädtische Segregation und Akademiker:innenquote in den 153 größten Städten Deutschlands. Die Wochenzeitung Die Zeit hat diese Daten interaktiv aufgearbeitet, sodass Städte und Stadtteile im deutschen Vergleich betrachtet werden können. Heidelberg schneidet vornehmlich ab. Im Ranking der Akademiker:innen-Quote liegt die Universitätsstadt deutschlandweit auf Platz zwei, nur übertroffen von Tübingen.
In Heidelberg haben 46,4 Prozent der Einwohner:innen einen Hochschulabschluss. Verstünde man die 38.000 Heidelberger Studierenden auch als Akademiker:innen, so wäre dieser Anteil noch einmal erheblich höher. Diese werden in der Studie aber nur dann betrachtet, wenn sie bereits einen Bachelorabschluss haben und der Bundesagentur für Arbeit bekannt sind. Es ist davon auszugehen, dass dies nur auf wenige Studierende zutrifft. Zudem wird eine Gutverdienenden-Quote erfasst. Diese umfasst Arbeitende mit einem Bruttoeinkommen über 4800 Euro.
In der Liste der Städte mit dem höchsten Gutverdienenden-Anteil platziert sich Heidelberg in den Top Ten. 26,3 Prozent der Heidelberger:innen zählen dazu, der deutsche Mittelwert liegt nur bei 16,3 Prozent. Folgerichtig geht damit in Heidelberg auch eine geringe Armut einher. Die Quote der Grundsicherungsempfänger:innen nach dem Sozialgesetzbuch II ist hier mit 5,4 Prozent eine der niedrigsten. Nur vier deutsche Städte haben eine niedrigere Armutsquote. Im Groben ist festzuhalten: Wer nah am Neckar wohnt, ist mit höherer Wahrscheinlichkeit gutverdienend, Akademiker:in oder sogar beides. Stadtteile wie Boxberg, Emmertsgrund und auch Kirchheim gehören zu den Vierteln mit einer ärmeren Bevölkerung. Allgemein ist die Korrelation zwischen Akademiker:innen und Gutverdienenden hoch. Aber wo leben denn nun die meisten Reichen? Das Wohnviertel, das von der Berliner Straße und der Handschuhsheimer Landstraße eingeschlossen ist, gehört zu den reichsten in Heidelberg. Übertroffen wird dies nur von Haushalten in Schlossnähe
Generell scheint die Lage am Hang – und damit auch mit schöner Aussicht – mit viel Geld in Verbindung zu stehen. Für alle, die dort schon einmal unterwegs waren und die Villen kennen, sollte das keine Überraschung sein. Weit davon entfernt liegt das Patrick-Henry-Village. Eine ehemalige, zum amerikanischen Militärstützpunkt gehörende Wohnsiedlung, die seit 2014 als Unterkunft für Geflüchtete dient, zeigt eine mögliche Verzerrung in den Daten auf. Dort soll es eine Armutsquote von 0,0 Prozent geben. Das wäre eine schöne Welt, in der Geflüchtete nicht von Armut betroffen sind.
Die naheliegende Erklärung ist allerdings, dass die dort lebenden Asylsuchenden kein Bürgergeld bekommen, da das Flüchtlingsdorf nur als Ankunfts- beziehungsweise Übergangsunterkunft fungiert. Erst Asylsuchende, die sich länger als drei Jahre im Land befinden, beziehen eine Grundsicherung nach dem zweiten Sozialgesetzbuch. Dennoch dient der Bezug dieser Sozialleistung in der Studie als Berechnungsgrundlage der Armutsquote. Dass die Daten an dieser Stelle eine Lücke aufweisen, wird durch die Tatsache gestützt, dass zu dem Akademiker:innen- und Gutverdienenden-Anteil in diesem Stadtteil keine Angaben gemacht werden. Personengruppen, welche häufig von Armut betroffen sind, wie Geflüchtete, aber auch Studierende, werden in die Statistik nicht mit aufgenommen. Besonders in Heidelberg könnte dies einen merklichen Einfluss auf die Armutsquote der Stadt haben.
Im Fall des Patrick-Henry-Village wäre es konsequent gewesen, die Leistungen, die aus dem Asylbewerberleistungsgesetz hervorgehen, in die Statistik mit aufzunehmen. Heidelberg ist also sowohl eine wohlhabende als auch eine hoch akademische Stadt. Diese beiden Fakten müssen aber nicht zwingend korrelieren. In anderen Universitätsstädten wie zum Beispiel Göttingen oder Münster gibt es zwar auch einen hohen Akademiker:innen-Anteil, jedoch deutlich weniger Gutverdienende. Das Zusammenspiel aus renommierter Universität und wirtschaftlich starkem Standort ermöglicht es uns Studierenden, durch die wohlhabenden Viertel zu flanieren und anschließend in die Universitätsbibliotheken abzubiegen, damit auch wir bald als Akademiker:innen in die Statistik eingehen.
Von Heinrike Gilles und Emilio Nolte
...studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.
...studiert Volkswirtschaft und schreibt seit dem Sommer '23 für den ruprecht. Er ist ein Freund der pointierten Kolumne und leitete einst die Seiten 1-3.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.