Stress, Spannung, Schmerzmittel: Ein kritischer Blick auf den Umgang mit Schmerzen unter Studierenden
Müde, gestresst und zwischen überforderten Kommiliton:innen eingeklemmt. Dazu der halb aufgeladene Laptop auf dem viel zu kleinen Tisch inmitten eines überfüllten Hörsaales, in dem die Atmosphäre einer Sauna gleicht. Ist die erste oder zweite Vorlesung endlich geschafft, begrüßt einen bereits vormittags der brennende Kopf auf dem Weg zum Marstall.
Nach stundenlanger Buckelhaltung, verursacht durch die architektonisch meisterhafte Bestuhlung des Hörsaals, sind da selbst Rückenschmerzen, keine Überraschung mehr. Desto weniger ist es ein Geheimnis, dass viele zu einer scheinbar einfachen Lösung greifen: den Schmerzmitteln. Den meisten ist vermutlich jedoch nicht bewusst, dass sich hinter diesen vermeintlichen Lebensrettern eine echte Gefahr verbirgt – eine Schmerzmittelsucht.
Eine solche Sucht bezieht sich aber nicht auf das dramatische Runterschlucken einer Vielzahl von Tabletten im Laufe eines Tages, wie es oft in Filmen und Serien gezeigt wird. Ganz im Gegenteil: Eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln kann bereits entstehen, wenn man über mindestens drei Monate hinweg an mehr als neun Tagen pro Monat zur Akutmedikation bei Kopfschmerzen oder Migräne greift. Aufgepasst, hier kommt der Plot Twist: Diese Einnahmeregel betrifft nicht nur starke rezeptpflichtige Tabletten, wie beispielsweise Morphium und andere Opioide, sondern auch freiverkäufliche Präparate wie Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen und ähnliche. Selbst Schmerzsalben wie Voltaren gehören dazu.
In einer vom ruprecht durchgeführten Umfrage, an der insgesamt 71 Personen teilgenommen haben, wurden Schmerzgewohnheiten unter Studierenden untersucht. Etwa ein Viertel der Befragten berichtete von Schmerzen an 4 bis 6 Tagen pro Monat, während 20 Prozent an 11 bis 14 Tagen oder mehr betroffen waren.
Fast 20 Prozent der Befragten gaben ebenso an, Schmerzmittel an 4 bis 6 Tagen pro Monat einzunehmen, während über 15 Prozent angaben, an 11 oder mehr Tagen im Monat Schmerzmittel zu verwenden. Bei diesen Schmerzen handle es sich laut Umfrageantworten mit absoluter Mehrheit um Spannungskopfschmerzen. Genau hier beginnt jedoch das Problem: Der regelmäßige Gebrauch von Schmerzmitteln, kann in diesem Zusammenhang dazu führen, dass sich der Körper an die Einnahme gewöhnt.
Auch rezeptfreie Medikamente wie Ibuprofen können abhängig machen
Ein Interview mit Caroline Jagella, Chefärztin der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein, macht deutlich, dass die Unterschätzung des Schmerzmittelkonsums ein verbreitetes Problem ist.
Darüber hinaus bestätigt Jagella, dass Studierende aufgrund verschiedener aufeinandertreffender Risikofaktoren besonders anfällig für einen übermäßigen Gebrauch von Schmerzmitteln bei häufigen Beschwerden wie Spannungskopfschmerzen und Migräne sein können. Zu diesen Faktoren zählen unter anderem ein unregelmäßiger Tagesablauf und abrupt auftretender Stress, insbesondere während der Klausurphasen.
„Häufig auftretende akute Schmerzen sind ein weitreichendes gesellschaftliches Problem; insbesondere, wenn diese in Lebensphasen auftreten, während derer oft erwartet wird, dass man trotz gesundheitlicher Belastungen durchhält,“ erklärt Chefärztin Jagella.
In der Umfrage des ruprecht gaben fast 60 Prozent an, dass sie lediglich an maximal drei Tagen pro Monat Schmerzmittel einnehmen. Die Befragung zeigt ebenso, dass eine Vielzahl von Personen, die vermeintlich an wenigen Tagen pro Monat zur Akutmedikation greifen, dennoch häufige Schmerztage haben.
Die Umfrageergebnisse in Betracht ziehend, bestätigt Jagella, dass viele Menschen, die regelmäßig unter akuten Beschwerden leiden, dazu neigen können, die tatsächlichen Einnahmetage von Schmerzmitteln falsch einzuschätzen. Dies geschehe oft, da viele kein Schmerztagebuch führen und daher nie genau wissen, wann, wo und wie oft Akutmedikamente tatsächlich eingenommen wurden.
Aber wie erkennt man nun, ob bei einem selbst ein Überkonsum vorliegt? Ein erstes Anzeichen kann laut der Migräne und Kopfschmerzexpertin Jagella ein plötzlich steigender Bedarf an Schmerzmitteln sein, um den Alltag bewältigen zu können. Ebenso sei neben Magenbeschwerden die häufigste Folge der sogenannte Medikamentenübergebrauchskopfschmerz, abgekürzt auch MÜK genannt. Hierbei handelt es sich um eine primäre Kopfschmerzerkrankung, die sich durch die überhäufte Einnahme von Medikamenten chronifiziert.
Die medizinische Begründung hierfür liegt in der Überlastung des Schmerzabwehrsystems, die durch die hohe Einnahmefrequenz verursacht wird. Anders ausgedrückt: Die Verarbeitung von Schmerzmitteln überstrapaziert das Gehirn durch einen Überkonsum so stark, dass die Schmerzwahrnehmungsschwelle absinkt, was wiederum zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit führt. Selbst geringfügige Reize können in diesem Fall ausreichen, um Beschwerden auszulösen. Je häufiger also diese Schmerzen auftreten, desto stärker fühlen Betroffene sich inmitten eines stressigen Studienalltags dazu gezwungen, zur Akutmedikation zu greifen, was den eigenen Zustand weiter verschlechtert – ein Teufelskreis entsteht.
Zusätzlich führt die Chefärztin aus, dass es entscheidend sei, die Symptome eines Medikamentenübergebrauchs zu identifizieren, um gegen diesen vorzugehen. Wer also feststellt, dass bei einem ein Überkonsum vorliegt; kann jetzt aber dennoch aufatmen: Mit den richtigen Herangehensweisen kann dieser bewältigt werden.
Im Falle herkömmlicher Schmerzmittel, einschließlich der Triptane, genügt anstelle eines drastischen Entzugs, oftmals lediglich eine Schmerzmittelpause. Bei einer Opioid-Abhängigkeit hingegen ist ein abruptes Absetzen nicht empfehlenswert; eine schrittweise Entwöhnung ist hier ratsam. Es ist ebenso wichtig, die Begleiterscheinungen einer Schmerzmittelpause zu berücksichtigen und sich davon nicht abschrecken zu lassen. Denn in den meisten Fällen kann es zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Schmerzen kommen. Sollten jedoch starke Beschwerden während der Medikamentenpause auftreten, was die Pause wiederum erschweren kann, ist es ratsam, ärztliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen und möglicherweise einen stationären Aufenthalt in einer Schmerzklinik zu erwägen.
Wie aber kann man feststellen, ob eine Schmerzmittelpause erfolgreich war? Chefärztin Jagella erklärt hier, dass bei Menschen, die unter einem Schmerzmittelübergebrauch leiden, nach etwa sechs bis zwölf Wochen eine deutliche Verbesserung des Allgemeinzustands eintrete, was sich auch in einer deutlichen Reduktion der chronischen Kopfschmerzen um etwa 80 Prozent zeige. Dies deutet ebenso darauf hin, dass sich der Körper, genauer gesagt das Schmerzabwehrsystem, von der ständigen Stimulation durch die Medikamente erholt hat.
Eine Schmerzmittelsucht bedeutet also nicht, dass man Schmerzmittel nie wieder nehmen darf. Vielmehr sollte der Körper vorübergehend entgiftet werden, um danach bei akuten Schmerzen wieder normal auf Schmerzmittel zurückgreifen zu können.
Hierbei ist es ratsam, sich an der sogenannten, „Zwanzig-Zehn-Regel“ zu orientieren: An höchstens zehn Tagen im Monat dürfen Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen und/ oder Migräne eingenommen werden und an mindestens 20 Tagen sollte man ohne auskommen. Wichtig ist ebenso, dass es sich bei der Regel nicht um die Anzahl der Tabletten an den jeweiligen Einnahmetagen handelt, sondern um die Anzahl der Tage im Monat, an denen Schmerzmittel konsumiert werden. Nichtsdestotrotz ist es unerlässlich, an den jeweiligen Einnahmetagen bei der erlaubten Dosis zu bleiben.
Schmerzmittel sollen ausschließlich eine Lösung für akute, kurzfristige Beschwerden darstellen. Bei langfristigen Schmerzen und einem daraus resultierenden höheren Bedarf der Akutmedikation ist eine ärztliche Abklärung notwendig, um das Risiko eines Überkonsums zu vermeiden und eine langfristige Lösung für die Beschwerden zu finden.
Selbst im turbulenten Studierendenleben bleibt ein bewusster Umgang mit Schmerzmitteln von wichtiger Bedeutung; darunter zählt ebenso, eine gesunde Balance im Alltag zu finden, um langfristig schmerzfrei zu bleiben. Schließlich bietet das Studium bereits genug Herausforderungen, für die man einen klaren Kopf braucht.
Von Michelle Schmid
Kleiner Hinweis an die Leser:innen:
In der Druckversion dieses Artikels wurde im Nachhinein ein inhaltlicher Fehler festgestellt, der wir nun in dieser Version korrigiert haben. Nach erneuter Rücksprache mit der Chefärztin haben wir angepasst, dass die monatlichen Einnahmeregeln für die Akutmedikation spezifisch für Kopf- und Migräneschmerzen gelten und möglicherweise nicht auf andere Schmerzarten übertragbar sind. Wir bitten um Entschuldigung für eventuelle Missverständnisse.
...studiert derzeit Amerikanistik und schreibt seit November 2023 für den ruprecht, um während ihres Studiums bereits Erfahrungen und Praxiskenntnisse für ihren Traumberuf als Autorin und Journalistin zu sammeln. Ihre besonderen Interessen im Schreiben liegen in den Bereichen Psychologie, Bildungswissenschaften und Popkultur.
Was ein schlechter Artikel. Abgesehen von sprachlichen Fehlern und umständlichen Sätzen vorallem gesamtgesellschaftlich: Menschen, mit Krankheiten und Schmerzen, ob chronisch oder akut, werden dafür schon oft genug diskriminiert und stehen am Rand der Gesellschaft. Zu oft wird die Einnahme von Schmerzmittel durch gesunde Menschen ohne Beeinträchtigung kritisiert und stigmatisiert. Wer täglich Schmerzmittel braucht, soll diese auch nehmen dürfen ohne Angst vor gesellschaftlicher Ausgrenzung oder Othering. Der gesamte Tonus des Artikels ist aus einer ignorant-privilegierten Perspektive geschrieben.
Hallo Marie,
vielen Dank für dein Feedback zu unserem Artikel über den verantwortungsvollen Umgang mit Schmerzmitteln.
Unser Artikel zielt darauf ab, ein Bewusstsein für die Risiken des häufigen und unkontrollierten Gebrauchs von Schmerzmitteln zu schaffen. An keiner Stelle werden Menschen kritisiert, die aus medizinischen Gründen auf Schmerzmittel angewiesen sind. Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass viele Menschen mit chronischen Schmerzen täglich Schmerzmittel benötigen, und unser Ziel war es keineswegs, diese Menschen zu stigmatisieren.
Die Empfehlung, Schmerzmittel nicht ohne ärztliche Rücksprache häufig einzunehmen, wurde von einer neurologischen Chefärztin bestätigt und erläutert. Diese ärztliche Perspektive sollte sicherstellen, dass die gesundheitlichen Risiken einer unsachgemäßen Anwendung betont werden. Der Text wurde zudem aus dem Blickwinkel einer Person geschrieben, die von dem Thema des Artikels betroffen ist. Daher sehen wir im Ton des Artikels eher einen empathischen Ansatz.
Wir bedauern es, wenn der Ton des Artikels missverstanden wurde. Es liegt uns fern, Menschen mit chronischen oder akuten Schmerzen zu diskriminieren oder ihre Bedürfnisse zu ignorieren. Unser Anliegen ist es vielmehr, sowohl Patienten als auch gesunde Menschen über den sicheren und verantwortungsvollen Umgang mit Medikamenten zu informieren.
Viele Grüße,
die ruprecht-Redaktion