Viele Frauen erfahren Diskriminierung in den Naturwissenschaften. Seit letztem Jahr macht der Instagram-Account „Unbiasing Physics“ diesen Umstand über anonyme Zitate sichtbar
Wie sieht eigentlich ein Physikstudent aus? Die Antwort auf diese Frage zeigt unsere Vorurteile auf – und hat Nachteile für all jene, die nicht ins Bild passen.. Die Initiative Unbiasing Physics hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt Erfahrungen von Studierenden in der Physik – und verwandten Studiengängen – mit unterbewussten Voreingenommenheiten , Ausgrenzung oder Diskriminierung zu sammeln und auf Instagram zu teilen, um diesen eine Öffentlichkeit zu verschaffen. Die Gruppe aus Heidelberger Physikstudierenden, die selber anonym bleiben will, erhofft sich damit eine öffentliche Diskussion anzuregen und damit zu der Bekämpfung dieser Vorurteile beizutragen. Eingereicht werden die Berichte über eine anonyme Umfrage. Auf ihrer Instagram-Seite unbiasing.physics.hd und auf Stickern, die in den Physik-Instituten verteilt sind, kann man Ausschnitte aus diesen Schilderungen lesen. Aufgrund der Anonymität können die geteilten Inhalte nicht auf ihre Authentizität geprüft werden. Gleichzeitig teilt die Initiative keine Namen oder identifizierbare Verweise. Gegenüber dem ruprecht erklärt die Gruppe verantwortlich für die Seite, sie halte die Berichte für authentisch und verweist dafür auch auf eigene ähnliche Erfahrungen.
Liest man sich die Ausschnitte durch, so tritt vor allem ein Thema immer wieder auf: Studentinnen berichten, von ihren Kommilitonen sowie von Außenstehenden nicht als Physikstudentin ernst genommen zu werden, oder unfair behandelt zu werden. Die Schilderungen reichen von den wiederholten überraschten Reaktion auf eine weibliche Physikstudentin, über das Gefühl von männlichen Kommilitonen für weniger kompetent gehalten zu werden, bis hin zu offenen abschätzigen Äußerungen, wie dass Frauen schlechtere Tutorinnen seien. Dazu kommen Berichte über negative Erfahrungen mit Dozenten. So berichten gleich zwei Studentinnen, dass ihr Masterbetreuer ihnen als Frau von einem Master abgeraten habe, da sie womöglich zu sensibel dafür wären.
Abseits von konkreten Erfahrungen teilen viele der Einschreibenden das Gefühl, als Frau, queere Person oder Erstakademiker:in unter den Studierenden und den Dozierenden untervertreten zu sein, und nicht im gleichen Sinne als zugehörig wahrgenommen zu werden. So beklagt eine anonyme Studentin, dass selbst im Gebäude des Kirchhoff-Instituts, dem neusten Gebäude der Physik, nicht die gleiche Anzahl an Toiletten für Frauen wie für Männer eingeplant wurde.
Doch die Initiative teilt nicht nur Berichte von negativen Erfahrungen, sie will sich auch konkret zum Abbau von Vorurteilen und zur Vermeidung von Diskriminierung innerhalb der Universität einsetzen. So hat die Gruppe zum Beispiel die Einführung eines verpflichtenden Workshops zu Gleichstellungsfragen im Rahmen der Einführungsveranstaltung für Erstsemester erreicht. Auch von Seiten der Universität gäbe es positive Schritte, lobt die Initiative, so zum Beispiel die Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Networking-Veranstaltungen für FLINTA* (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, transgeschlechtliche und agender Personen) beim Forschungszentrum Isoquant und dem Exzellenzcluster Structures. Gleichzeitig gebe es noch Raum für Verbesserung. So wünscht sich die Gruppe eine Referent:innenstelle bei der Gleichstellungsbeauftragten der Fakultät für Physik, um eine unabhängige Ansprechperson zu schaffen.
Von David Hildebrandt
...studiert Physik und schreibt seit dem Wintersemester 2023 für den ruprecht. Neben natürlicherweise der Wissenschaft, schreibt er hier vor allem für die Ressorts Heidelberg und Hochschule.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.