Mittlerweile tragen sogar Jurastudent:innen Adidas Samba und gefährden damit das eigentlich coole Image des Schuhs. Eine Fashion-Ikone im Wandel der Zeit und Demographie
Man soll darin so elegant Fußball spielen können, als würde man eben… Samba tanzen. Und dafür braucht es nicht einmal Roberto Blanco. So besagt zumindest die Legende, die Adidas ihrem neusten Modell zuschreibt, seitdem es bei der WM 1950 in Brasilien so zahlreich das Spielfeld betrat. Damals verwandelten die Schuhe Urgesteine wie Fritz Walter in brasilianische Grazien, die anmutig über das Feld tanzten und sich den Brutalitäten des rauen Bolzplatzes durch ihr neues Schuhwerk entzogen.
Es folgten Jahre, in denen Sambas nicht viel mehr und nicht viel weniger als konstantes deutsches Kulturgut waren, wie Sandalen mit Socken, nur cooler. Niemand hätte sich gewundert, wären Persönlichkeiten wie Angela Merkel mit Sambas auf den roten Teppich getreten. So sehr war der Schuh in das kollektive Modebewusstsein integriert. Eine Fashion-Ikone, die jahrelange Fans mit stoischer Selbstverständlichkeit zur Schau trugen. Schlicht, funktional und preiswert. Für 50 Euro konnte man als Boomer noch vor kurzer Zeit den Griff in die Warenauslage des örtlichen Schuhgeschäftes tätigen.
Doch dann, wir schreiben das Jahr 2022, entdeckt eine emanzipierte Avantgarde junger Schuhträger das Relikt aus Vaters Kleiderschrank und macht daraus den Statement-Schuh schlecht hin. Nun steht er nicht mehr nur noch für die Robustheit und das klassische Design. Er steht für Freiheit, für das Alternative und natürlich für einen außergewöhnlichen Style, der sich von der Masse absetzen soll.
Der Hype abseits vom Mainstream kulminiert spätestens, als „Adidas Samba, Rambazamba auf ei‘m Dach drauf“ studentische Trinkgelage beschallt. So wie 01099 ist der Schuh zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr Indie, sondern bewegte sich gänzlich in den Orbit der Allgemeinheit. Und wird auf Tiktok bereits fleißig mit Fleecewesten, Miniröcken und McCartney Taschen kombiniert. Alternativität für 120 Euro – mittlerweile ein schlechtes Narrativ.
Heute ist es wie bei einem guten langjährigen Familienstreit: Jeder trägt es dem anderen nach. Und das auch zurecht. Denn ob als sportliches Add-On zum Jura-Look oder verklärtes Freiheitssymbol – Sambas bleiben in ihrer Optik das, was sie schon seit 70 Jahren sind: ästhetisch.
Von Nikolai Glasow