Nach dem Erfolg der AfD auf Sozialen Medien versuchen sich nun auch andere Parteien als Content Creator:innen
Jeder dritte junge Mann hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu? […] Lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts. […] Dann klappt’s auch mit der Freundin,“ so verkündet es der EUSpitzenkandidat der AfD, Maximilian Krah, auf seinem Tiktok-Account. Was wie ein schlechter Scherz klingt, funktioniert: Der Online-Beziehungsratgeber des Politikers zählt bis heute knapp 1,4 Millionen Aufrufe.
Die AfD setzte als erste Partei vermehrt auf Social Media als Wahlkampfstrategie. Und ihr Plan geht auf: Auf den meisten Plattformen ist die AfD deutlich erfolgreicher als andere Parteien. Dass diese nun nachziehen und Tiktok als Medium ernstnehmen, ist also die einzig richtige Reaktion. Jedoch ist der Content, den die Tiktok-Neulinge hierbei produzieren, noch holprig.
Es sind beinahe alle EU-Spitzenkandidat:innen auf der Plattform aktiv. Am erfolgreichsten ist hierbei mit Abstand FDP-Spitzenkandidatin Marie Agnes Strack-Zimmermann. Zwar kann sie mit ihren über 22.000 Follower:innen auf der Plattform Krah mit seinen fast 50.000 Follower:innen noch nicht einholen, liegt aber dennoch Welten vor ihren Wahlkampfgegner:innen. Dass Strack-Zimmermann auf der Plattform so erfolgreich ist, überrascht bei einem genaueren Blick auf ihre Videos nicht: Der produzierte Content der 66-Jährigen ist beinahe jugendlich. Man kann der Politikerin dabei zuschauen, wie sie Kartoffelarten rankt und dabei ihre Liebe für Pommes zum Vorschein bringt, den Wahl-O-Mat vor laufender Kamera ausfüllt und hierbei ihre Meinungen knapp begründet, oder auf konkrete Fragen ihrer Zuschauer:innen eingeht. Der liberalen Politikerin gelingt es also, sich sowohl als bodenständig und nahbar zu inszenieren, als auch tatsächlich der Plattform angemessenen Content zu produzieren.
Im Ranking des Tiktok-Ruhms folgt ihr: Katarina Barley, EU-Spitzenkandidatin der SPD, mit fast 7000 Abonnent:innen. Auch sie ist seit über zwei Jahren auf Tiktok vertreten, fährt aber eine weniger erfolgreiche Strategie. Ihre Videos bestehen vor allem aus Ausschnitten ihrer Reden, die mit dramatischer Musik hinterlegt sind.
Ob Söder die Wähler:innen mit Döner-Videos überzeugen kann, ist fraglich
Ähnlich gestaltet ist auch der Account von Terry Reintke von den Grünen. Zwar stößt man hier auch auf millennialartige Edits aus dem Alltag der Politikerin, dennoch besteht der Großteil der Videos aus Wahlkampfkampagnen oder Reden. Dass hinter dem Account eher ihr Team als sie selbst steckt, ist nach einem Blick in die Videounterschriften recht schnell klar: Oft wird hier in dritter Person von Reintke gesprochen. Die rund 2300 Follower:innen zeigen, dass ihr Account weniger beliebt ist.
Während die drei Spitzenkandidatinnen sich also bis jetzt mehr oder weniger erfolgreich in die Welt der Kurzformatvideos integrieren, bleibt eine Partei hierbei der Plattform und so wohl auch der jungen Generation noch fern. Die Union hat inzwischen einen gesamt-parteilichen Account, die EU-Spitzenkandidaten Ursula von der Leyen (CDU) und Manfred Weber (CSU) sind der App aber beide noch nicht beigetreten. Ganz anders ihr Parteikollege Markus Söder, der wohl eigentlich lieber Foodinfluencer als Politiker geworden wäre. Ob er die Erstwähler:innen mit Videos über Döner und Star Trek politisch überzeugen kann, ist allerdings fraglich.
Fest steht: Dass die Politiker:innen der demokratischen Parteien inzwischen auch auf Tiktok als Wahlkampfstrategie setzen, ist im Hinblick auf die Popularität rechtsextremer Videos auf der Plattform längst überfällig. Nur das richtige Maß zwischen Inhalten, die sie primär zu Sympathieträger:innen machen sollen, und tatsächlicher politischer Information gilt es noch zu finden.
Von Nicola van Randenborgh
Nicola van Randenborgh studiert Philosophie & VWL und schreibt seit dem Wintersemester 23/24 für den ruprecht - Und das am liebsten über das, was sie oder die Welt eben gerade bewegt.
...studiert Übersetzungswissenschaft im Master und fotografiert seit dem Wintersemester 2023/2024 für den ruprecht.