Nachhaltigkeit spielt eine wachsende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen. Wie der neue Sustainability Think Tank die Uni Heidelberg für die Zukunft wappnen soll
Nachhaltigkeit wird für Universitäten weltweit immer mehr zum zentralen Faktor im Wettbewerb um die besten Wissenschaftler:innen und Forschungsgelder sowie nicht zuletzt auch um Studierende. In Heidelberg hinkt man diesen Entwicklungen – trotz des Status als Exzellenzuniversität – bislang hinterher.
Das soll sich nun ändern: Erst im letzten Jahr errechnete die Uni eine Treibhausgasbilanz und stellte ein umfassendes Klimaschutzkonzept vor. Mit dem neuen Prorektorat für „Qualitätsentwicklung und Nachhaltigkeit“ ist das Thema nun aber fest auf der Chefetage verankert. Neben konkreten Ansätzen, beispielsweise zur Reduktion von Material- und Energieverbrauch, zog das etwa einhundertseitige Papier auch die Gründung eines „Sustainability Think Tanks“ (STT) nach sich.
16 Prozent des Energiebedarfs der Uni ließen sich durch Solar auf dem Campus decken
Angesiedelt am Heidelberg Center for the Environment (HCE), das bereits seit 2011 die umweltwissenschaftliche Forschung in Heidelberg interdisziplinär bündelt, soll das STT Entscheidungsträger und Stakeholder der Universität zur Entwicklung einer integrativen und umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie zusammenbringen.
Bis zum kommenden November sollen dabei Vorschläge für die verschiedenen Bereiche der Universität in Forschung, Lehre, Betrieb sowie Transfer und Kommunikation erarbeitet werden.
Vor dem Hintergrund des Lieferkettengesetzes sowie neuer Richtlinien der EU könnte die Uni schon bald unter Zugzwang geraten, auch wenn die Anwendung der neuen Bestimmungen auf Universitäten noch nicht geklärt ist. Fällt die Uni aber unter die neuen Regelungen, entstehen umfangreiche Berichtspflichten zu Materialbezug, Emissionen, Maßnahmen und vielem mehr. Schaut man dabei auf die anderen Universitäten, die Teil der prestigeträchtigen und mit hohen Förderungen verbundene Exzellenzinitiative sind, gehört die Uni in Heidelberg in vielen Bereichen bislang nicht zur Spitzengruppe, wo sie zum Beispiel im bekannten QS-World-University-Ranking sonst regelmäßig zu finden ist.
Im Gespräch erläutern die an den STT-Arbeitsgruppen beteiligten Ökoreferenten des Stura Marius Baumann und Jan Neumann die Defizite, Schwierigkeiten, aber auch die Potentiale für nachhaltiges Forschen, Lehren und Wirtschaften an der Universität.
So ließen sich bis zu 16% des Energiebedarfs der Uni durch Solarflächen auf dem Campus decken, und durch die Sanierung und Ersetzung der oftmals veralteten Bausubstanz könne man den Energieverbrauch reduzieren. Auch die Abfall- und Beschaffungswirtschaft biete zahlreiche Möglichkeiten, Ressourcen zu sparen. Insbesondere im Forschungsbetrieb sei das Einsparpotential durch die Ersetzung von veralteter Technik groß. So sei die Uni derzeit dabei, alte Ultratiefkühlschränke zu ersetzen, die bislang große Mengen an Strom verbrauchen. Aber nicht nur bei der Bausubstanz bieten sich Transformationskanäle: auch im Bereich Lehre sollen Nachhaltigkeitskonzepte die Studierenden und Lehrenden in den nächsten Jahren auf die neuen Kernkompetenzen nachhaltigen Wirtschaftens vorbereiten und beispielsweise durch Zusatzzertifikate oder integrierte Nachhaltigkeitsmodule in Studiengängen greifbare Qualifikationen ermöglichen.
„Die Ansatzpunkte sind schon lange bekannt“, sagt Jan Neumann zum Thema. Das alte Rektorat habe die Umsetzung aber versäumt. Auch wenn sich das gerade ändere, fehle von politischer Seite dennoch oft der Wille zur Implementierung und damit finanzielle Mittel. Die Zustimmung an der Uni schätzen die beiden aber als hoch ein und fordern Studierende auf, an den derzeit stattfindenden Veränderungen und Prozessen mitzuwirken.
Für den Erfolg der anstehenden komplexen und langwierigen Transformationsprozesse sei man daher vor allem auch auf die Ideen und Initiativen aus dem Kern der Universität angewiesen, zu dem auch die Studierenden zählten. Auch das STT zeigt sich auf seiner Webseite als explizit offen für Ideen und Vorschläge aus der Studierendenschaft.
Wer sich einbringen möchte und bereit ist, eigene Ideen in den Arbeitsgruppen des STT zu entwickeln und zu diskutieren, kann sich einfach per Mail an das STT wenden. Man kann sich in den Arbeitsgruppen längerfristig einbringen oder einfach eigene Ideen einreichen. Auf der Webseite des Think Tanks findet sich zu diesem Zweck ein Ideenformular, in dem man einen eigenen Vorschlag kurz vorstellen kann. Dieser wird dann in den Arbeitsgruppen diskutiert und gegebenenfalls weiterentwickelt.
Das Engagement lohne sich, sagt Marius Baumann: Da die Entscheidungsträger:innen unmittelbar mit beteiligt seien, habe man „großen Einfluss auf reale Probleme.“
Von Mathis Gesing
...studiert Politikwissenschaft und Philosophie und leitet aktuell Seite 1-3. Er interessiert sich vor allem für Politik, Kultur, die neuesten Entwicklungen in Heidelberg und was die Studis oder ihn gerade so bewegt.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.