EU-Klimaschutz trotz Rechtsruck
Kaum ein anderes Thema dominiert den EU-Wahlkampf so, wie die Sorge vor einem Rechtsruck. Umfragen prognostizieren Zugewinne für rechtsextreme Parteien, was die aktuelle EU-Kommission unter Druck setzt, sich mehr nach rechts zu orientieren. Könnte das auch die Zukunft des von Ursula von der Leyen als „europäischer Mann-auf-dem-Mond-Moment“ bezeichneten Green Deal in Gefahr bringen?
Und was ist dieser Green Deal eigentlich? Das Maßnahmenpaket zielt auf eine fundamentale Transformation der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft ab. Da die Fortschritte in den unterschiedlichen Sektoren stark divergieren, ist es schwer den gesamtheitlichen Erfolg des Green Deals zu bewerten. Die EU hatte das ambitionierte Ziel formuliert, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Um dieses Vorhaben zu erreichen, wurde in den letzten Jahren von der EU und ihren Mitgliedstaaten eine Vielzahl von Umweltschutzmaßnahmen verabschiedet. Zum Beispiel wurde die EU-Lieferkettenrichtlinie eingerichtet, die Unternehmen dazu verpflichtet, regelmäßig über die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Produktion zu berichten. Außerdem hat sich der CO2-Preis des EU-Emissionshandels mehr als vervierfacht. Trotzdem wird die EU ihr Ziel voraussichtlich verfehlen. Prognosen schätzen nur eine 48-prozentige CO2-Emissionsreduktion bis 2030, sollten die Anstrengungen nicht deutlich erhöht werden. Besonders im Landwirtschaftssektor und im Energie- und Rohstoffverbrauch blieben bedeutende Reformen aus. Auch fehlt der EU der strukturelle Rahmen, um langfristig Investitionen in grüne Technologien zu fördern. Es stellt sich nun natürlich die Frage, wie es mit dem Green Deal nach der EU-Wahl weitergehen wird. Dabei hat sich eine Studie des Jacques Delors Centre ein aktuelles Meinungsbild der Bürger:innen diesbezüglich eingeholt. Eine Mehrheit der 15.000 Befragten in Deutschland, Frankreich und Polen wünscht sich weiterhin eine ambitionierte Klimapolitik. Insbesondere die Ausarbeitung ist dabei relevant, vor allem industriepolitische Ansätze sind beliebt.
Im internationalen medialen Diskurs liegt der Fokus aktuell jedoch mehr auf anderen Themen wie Migration oder Inflation. Dies sollte aber kein Grund sein, den Green Deal zu beerdigen, sondern weiter an dem Ziel für 2030 festzuhalten.
Von Moritz Kapff und Lennard Friedrich
Moritz studiert Economics/Politische Ökonomik in Heidelberg. Er ist aktiv beim Netzwerk Plurale Ökonomik und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen. Seine Interessen umfassen Zentralbanken, die sozial-ökonomische Transformation und ökonomische Ideengeschichte.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.