Die Polarisierung der US-Parteien zeigt sich deutlich in ihren Kampagnenstrategien. Eine Journalistin kommentierte die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl im HCA
In den Vereinigten Staaten bleibt es spannend – am 5. November wird entschieden, wer die nächsten vier Jahre in das Weiße Haus einziehen wird. In diesem Zusammenhang hat das Heidelberg Center for American Studies (HCA) in Kooperation mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Heidelbergs (DAI) im September die Reporterin Jazmine Ulloa der New York Times (NYT) zu einer Fragerunde empfangen. Ihre Perspektive direkt aus dem Herzen des politischen Geschehens machte ihre Einschätzungen zu den anstehenden US-Wahlen umso relevanter. Im Fokus standen die Kampagnestrategien beider Parteien.
Ein einzigartiger Wahlkampf
Laut Ulloa unterscheide sich diese Präsidentschaftswahl sehr von den bisherigen aufgrund des Tons. Vor allem die Rhetorik sei in diesem Jahr noch provokanter und direkter geworden. Hier hob die Reporterin hervor, dass insbesondere die republikanische Kampagne durch ihre stets ungefilterte und mehrfach mit Falschaussagen gespickte Art auffiele. Bereits im September sorgten verschiedene Behauptungen der Republikaner:innen für mediale Aufregung, darunter die absurde Aussage, dass Einwander:innen Haustiere essen würden. Hinzu kommen die wiederholten Verwendungen offen rassistischer Äußerungen und gezielte Angriffe auf Minderheiten. Politische Journalist:innen, Ulloa eingeschlossen, sehen in Trumps Wahlkampf eine Intensität von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die sie so zuvor noch nie erlebt hatten.
Ulloa ist sich sicher: „Republicans love to label.“ Anders gesagt neigen Republikaner:innen dazu, Menschen und politische Themen gerne in einfache Schubladen zu stecken. Für sie ist die Welt klar aufgeteilt: Immigration? Böse. Harris? Böse. Walz? Böse. Und Demokrat:innen? Natürlich auch böse.
Ulloa zufolge sei die Fokussierung auf Einwanderung als größte Bedrohung des Landes das Markenzeichen Trumps. Laut Trump sei jede Stadt von einer Überflutung an Einwander:innen bedroht, die im Umkehrschluss für alle bereits bestehenden Probleme verantwortlich gemacht werden. Schließlich muss am Ende des Tages im historischen Hamsterrad jemand den Sündenbock spielen.
Die Macht der Medien und Vorurteile
Obwohl bei Trumps politischen Herangehensweisen die populistischen Alarmglocken läuten sollten, beeinflussen die Medien die Wahrnehmung in den USA weiterhin häufig zum Vorteil der republikanischen Partei. Trumps Aussagen sind meist so provokant und absurd, dass die Medien förmlich darauf anspringen, aufregende Berichterstattungen zu liefern, die das Interesse der Öffentlichkeit wecken.
Ein Beispiel, das die NYT-Reporterin besonders hervorhob, bezog sich auf Harris und den sogenannten „Border Czar“-Titel. Der Begriff „Czar“ bezieht sich hier auf einen Titel, der Personen verliehen wird, die für eine wichtige Aufgabe verantwortlich sind. Mit diesem Namen wurde Harris fälschlicherweise als Hauptverantwortliche für die Grenz- und Einwanderungspolitik dargestellt. Diese Titulierung diente dazu, Harris für ihr vermeintliches Versagen als Vizepräsidentin bei der Bewältigung der wachsenden Probleme an der Grenze verantwortlich zu machen.
Ulloa stellte hier jedoch klar: Harris war als Vizepräsidentin offiziell nie für die Einwanderungspolitik zuständig und wurde für eine Position kritisiert, die sie nie innehatte. Parallel zu diesem chaotischen Gerüchtewahn habe Harris in den vergangenen Jahren zunehmend ihre politische Stimme und ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Besonders ihre Fähigkeit, sich ihrer Rolle als „Prosecutor“ anzulehnen, sei eine sehr positive Entwicklung. Ein Beispiel hierfür ist die Taktik, die Harris in öffentlichen Reden und auf ihren Social-Media-Kanälen einsetzt: Sie verweist nun bewusst auf ihre frühere Rolle als Staatsanwältin, besonders um ihre Kompetenz in rechtlichen und sicherheitspolitischen Fragen zu unterstreichen. Bei Trumps wachsendem Führungszeugniss könnte der Verweis auf ihr Amt als Justizbeauftragte wohl kaum passender sein.
Republikaner:innen im Gerüchterausch
Ein anderes wichtiges Element, das die Reporterin bei den Republikaner:innen beobachtet habe, seien die zunehmenden Verschwörungstheorien, die in Trumps Bewegung allgegenwärtig seien. Ulloa selber habe im Laufe der Jahre einige persönliche Einblicke auf Rallys bekommen und sei bei Trump-Anhänger:innen häufig auf Desinformationen gestoßen, von denen diese mehr als überzeugt waren. Die Reporterin gab bekannt, dass viele dieser teils obsessiven Trump-Fans den ehemaligen Präsidenten trotz offensichtlicher Lügen weiterhin als das Opfer sehen. Sie sehen ihn als den tapferen Märtyrer, der gegen die ‚bösen‘ Demokrat:innen kämpfen müsse. Trumps Lügenverbreitung stelle für seine Unterstützer:innen keinen Grund für Zweifel an seinen politischen Fähigkeiten dar – sie würden eher das Bild festigen, dass Trump im politischen System ungerecht behandelt werde.
Dennoch waren einige dieser Anhänger:innen überraschend offen dafür, ihre Ansichten zu hinterfragen, nachdem Ulloa bei mehreren Begegnungen auf Trump-Rallys versucht hatte, sie aufzuklären – wie etwa ihre Anwesenheit beim Sturm auf das Kapitol deutlich machte. Da Trump sich diesbezüglich wiederholt von jeglicher Verantwortung freigesprochen hatte, verbreitete sich unter seinen Anhänger:innen das Gerücht, dass der Sturm auf das Kapitol gar nicht stattgefunden habe. Doch Ulloa wusste, dass der Angriff alles andere als ‘Fake News’ war: „Ich war dort,“ wiederholte Ulloa mehrfach und erzählte, dass viele Trump- Anhänger:innen tatsächlich überrascht waren, mit jemandem zu sprechen, der die Ereignisse am Kapitol aus erster Hand bestätigen konnte. Insbesondere gab Ulloa den Zuhörenden des Panels hier ein Bild, das oft nicht gesehen wird: Anstatt sich aus einer herablassenden Perspektive über Trump-Anhänger:innen lustig zu machen, stellte sie klar: „Viele dieser Trump-Fans sind einfach falsch informiert. Einige waren wirklich bereit, mir zuzuhören und zu verstehen.“
Die Misogynie der Politik
Abgesehen von der Verbreitung von Falschinformationen in den Medien sei laut Ulloa Sexismus ein weiteres Hindernis, das den Demokrat:innen im aktuellen Wahlkampf im Weg stehe. Abgesehen von den Spötteleien über Harris‘ Lachen, die Trump bereits genutzt hat, um sie als ‚verrückte‘ Frau darzustellen, gebe es weitere Aspekte, die auf tief verwurzelten Sexismus in der Politik hinwiesen. Ulloa zufolge würden „die Herausforderungen, denen sich Frauen in der Politik stellen müssen, nicht so groß sein, wenn es nicht gewisse tief verwurzelte Vorurteile gegen Frauen gäbe.“ Harris werde als Frau beispielsweise weiterhin oft mit einer Doppelmoral konfrontiert, was dazu führe, dass sie häufig für Dinge verantwortlich gemacht und kritisiert werde, auf die sie keinen Einfluss habe – wie etwa beim “Border Czar”-Titel. Darüber hinaus wurde ihr seitens der Öffentlichkeit mehrfach vorgeworfen, in ihrem früheren Beruf als Staatsanwältin zu hart gewesen zu sein und Unschuldige, darunter Schwarze Menschen, ins Gefängnis gebracht zu haben. Dadurch sei sie in den Augen mancher plötzlich nicht nur die „böse“ Staatsanwältin, sondern auch noch rassistisch; und das als schwarze Frau mit jamaikanisch-indischen Wurzeln.
Zudem würden die Erwartungen an sie übermäßig hochgesteckt werden, denn laut Trump sei sie nicht nur rassistisch, sondern aufgrund ihrer indischen Wurzeln auch nicht ‚Schwarz genug’, um sich mit der Black-Community zu identifizieren. Ulloa stellte jedoch klar, dass Harris’ Herkunft kein Bestandteil ihrer Kampagne sei. Die Diskussion um ihre ‚Blackness‘ belasse sie vollständig Trump, der damit lediglich das bestehende Problem von Sexismus und Rassismus bestätige.
Unterschätzte Wähler:innengruppen
Ulloa hob für die demokratische Seite die sogenannten „Super-Voters“ hervor. Diese Wähler:innen setzen alles daran, Menschen aus ihrem Freundes- und Familienkreis zu mobilisieren und zum Wählen zu bewegen. Ulloa berichtete, dass sie bei der Wahl 2020 persönlich überrascht gewesen sei von dem enormen Engagement dieser Gruppen, möglichst viele Menschen zur Wahl zu bringen.
Resümierend lässt sich festhalten, dass die Reporterin einige wertvolle Einblicke in die Dynamik des amerikanischen Wahlkampfs liefern konnte, die zwar nicht alle neu, aber durch ihre journalistische Beteiligung an den vergangenen Wahlen besonders aufschlussreich und spannend waren.
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Von Michelle Schmid
...studiert derzeit Amerikanistik und schreibt seit November 2023 für den ruprecht, um während ihres Studiums bereits Erfahrungen und Praxiskenntnisse für ihren Traumberuf als Autorin und Journalistin zu sammeln. Ihre besonderen Interessen im Schreiben liegen in den Bereichen Psychologie, Bildungswissenschaften und Popkultur.
...studiert Übersetzungswissenschaft im Master und fotografiert seit dem Wintersemester 2023/2024 für den ruprecht.