Nach weltweiten Protestcamps an Universitäten hat auch Students for Palestine in Heidelberg die Zelte aufgeschlagen. Jüdische Studierende kritisieren die Gruppe
Eine Woche lang protestierten Mitte Oktober etwa 30 Aktivist:innen von Students for Palestine (SfP) in Heidelberg in Absprache mit Universität und Stadt auf dem Universitätsplatz, um Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung zu zeigen.
Von der Universität fordern sie einen umfassenden akademischen Boykott der Universitäten in Israel, dem sie Völkerrechtsverletzungen vorwerfen. Für die Situation in Israel und Gaza macht die Gruppe im Gespräch vor allem die israelische Besatzung in den Palästinensergebieten verantwortlich.
Dem ruprecht gegenüber betonte der Aktivist Miguel* die Distanzierung von „jeglichen Massakern an Zivilisten“, also auch dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Auch würde man gegen Antisemitismus im Camp konsequent vorgehen. Die Protestbewegung sei ein „sicherer Hafen für jegliche Menschen“ und setze sich für einen Staat für alle Ethnien und Religionen in Israel und den besetzten Gebieten ein. Jüdische Stimmen seien laut ihnen im Camp und in der Bewegung präsent und wichtig.
Aussagen gegen bekannte Aktivist:innen, etwa den Heidelberger Mahmoud O., müssten immer im entsprechenden Kontext betrachtet werden.
Der Doktorand an der Universität Heidelberg wurde bereits mehrfach angezeigt und zuletzt vom Amtsgericht Karlsruhe verurteilt. Unter anderem wird ihm vorgeworfen, den Holocaust relativiert und den Terror des 7. Oktober gebilligt zu haben. Bekanntheit erlangte er auch für die Aussage „Die Hamas wird verboten und keiner weiß, wieso.“ Mahmoud O. kündigte bereits an, gegen das Urteil in Revision gehen zu wollen.
Auch andere Redner:innen und Beteiligte der Proteste in Heidelberg verglichen die Situation in Gaza mit Auschwitz, posteten Hisbollah-Fahnen und solidarisierten sich mit der Hamas. Videoaufnahmen zeigen, dass auf vergangenen Demonstrationen Lieder, die die Hisbollah verherrlichen, gespielt wurden. Der Instagram-Auftritt der SfP Heidelberg deutet in einem Post Zweifel an Umfang und Hergang des 7. Oktober an, wirft internationalen Medien Vertuschung und Propaganda vor.
In der jüdischen Community in Heidelberg werden die pro-palästinensischen Proteste auch deshalb mit Sorge beobachtet. „In meinem Umfeld haben viele jüdische Menschen panische Angst, absolut panische Angst“, schildert eine Studentin der Hochschule für jüdische Studien (HfJS) in Heidelberg.
Zwar sei die Situation in Heidelberg im Vergleich mit anderen Städten noch friedlich, viele jüdische Studierende fühlten sich auf dem Campus dennoch nicht mehr sicher. Es habe bereits Anfeindungen gegeben. Die Studierenden werfen SfP unzureichende Abgrenzung von Hamas-Sympathisant:innen und dem Terror des 7. Oktober vor.
Die Vertreterinnen der HfJS und des Bundes jüdischer Studierender Baden heben hervor, dass viele Protestteilnehmende lediglich bedrohte Menschen unterstützen wollen. Das Umfeld der Proteste biete jedoch auch einen ideologischen Nährboden für Gewalt.
Die Studierenden kritisieren außerdem eine gefährliche Verengung des Antisemitismusbegriffs, der gewaltbereiten Antizionismus ausblende. „Es braucht nur eine Person, die den Antizionismus dann als Rechtfertigung für Gewalt sieht“, betonen sie. Es fehle ein echter Dialog, der das Leid der Menschen vor Ort in den Mittelpunkt stelle und ohne den Angriff auf Identitäten, Bedrohung und Terrorverherrlichung auskomme. Auch Toni* von SfP Heidelberg beklagt Diffamierungsversuche in den Medien: „Viele dieser Vorwürfe basieren sehr auf starkem Rassismus.“
Die Vertreterinnen jüdischer Studierender in Heidelberg fordern eine:n Antisemitismusbeauftragte:n an der Universität. Die Uni Heidelberg betont auf Anfrage den offenen akademischen Diskurs ebenso wie die Wichtigkeit des Schutzes aller Menschen.
*Namen von der Redaktion geändert
Von Ulrike Husemann und Mathis Gesing
…studiert Jura und schreibt seit 2024 über das, was Heidelberg bewegt.
...studiert Politikwissenschaft und Philosophie und schreibt seit dem Wintersemester 2023/24 für den ruprecht. Er interessiert sich vor allem für Politik, Kultur, die neuesten Entwicklungen in Heidelberg und was die Studis oder ihn gerade so bewegt.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.