Bali ächzt unter der Last des Massentourismus. Während sich Touris im Strandglück sonnen, leidet die Insel unter den Nebenwirkungen des Reisebooms
Türkisfarbenes Wasser, traumhafte Strände und tropische Temperaturen lockten 2023 rund fünf Millionen Touris nach Bali. Auf der Suche nach Selbstfindung à la ,Eat, Pray, Love‘ oder pittoresken Motiven für den Instagram-Feed jetten Menschen von überall her auf die indonesische Insel, die mit vermeintlich günstigen Preisen besticht. Hier kann sich auch Otto Normal für einen schmalen Taler fühlen wie Gott in Frankreich.
Die Besucher:innen aus Industrienationen wollen Lebensstandard und Komfort von zuhause in exotischem Setting. In den touristischen Zentren von Canggu, Kuta und Co. gibt es italienische, mexikanische, bis hin zu chinesischer Küche zu Genüge. Nach einem Warung, dem typisch indonesischen Lokal, hält man hingegen oft vergeblich Ausschau. Die Verwestlichung von Balis Süden ist nicht zu verleugnen. Vom Tourismus profitieren jedoch hauptsächlich ausländische Investor:innen, die das nötige Kleingeld haben, um Luxusresorts, exklusive Beachclubs und noble Restaurants zu eröffnen. Schätzungsweise nur 15 Prozent der touristischen Unternehmen sind in balinesischer Hand. Diese wirtschaftliche Dynamik, bei der die lokale Bevölkerung zunehmend marginalisiert wird, gleicht einem modernen Kolonialismus. Die balinesische Ursprungskultur wird für den Profit einer globalisierten Elite plattgewalzt.
Die Vulkaninsel ächzt unter dem Wasser- und Energieverbrauch ihrer touristischen Infrastruktur, der angesichts der schieren Menge nicht mehr nachhaltig gedeckt werden kann und den Einwohner:innen Ressourcen vorenthält. Laut ,Tourism Watch‘ verschlingt der Tourismussektor auf Bali inzwischen rund 65 Prozent des auf der Insel verfügbaren Wassers.
Indonesien ist zudem der weltweit zweitgrößte Plastikverschmutzer. Die Bewohner:innen Balis leben traditionell in enger Verbindung mit der Natur. Ihr Abfall besteht ursprünglicherweise vor allem aus organischen Materialien, die einfach entsorgt werden können, da sie schnell verrotten. Die Kommerzialisierung der Insel brachte nicht nur Wohlstand, sondern auch eine Flut an Plastik, Einwegverpackungen und anderen schwer abbaubaren Materialien mit sich. Das über Generationen entwickelte Verständnis beeinflusst bis heute das Verhalten der Einwohner:innen und macht die Abfallentsorgung zu einem komplexen Problem. Abgeladen wird der Müll am Straßenrand, in Flüssen oder auf Hinterhöfen. Über ein Drittel landet im Meer. Anfang 2024 wurde auf Bali daher eine Tourismussteuer von umgerechnet circa neun Euro eingeführt, ein verzweifelter Hilferuf der im Müll erstickenden Insel. Die Einnahmen – jährlich 60 Millionen Euro – sollen vor allem in die Bewältigung des Abfallproblems fließen.
Mit dem Massentourismus kam das Verkehrschaos, das auf Bali längst das Maß des Erträglichen überschritten hat. Die wenigen Hauptverbindungsstraßen sind bis zur Schmerzgrenze überlastet, jede Fahrt wird zur Geduldsprobe. Eine Strecke von nur 30 Kilometern kann gut zwei Stunden oder länger dauern. Fußgänger:innen haben es schwer: Bürgersteige sind Mangelware, und öffentliche Verkehrsmittel gibt es kaum – oder sie stecken ebenfalls im Stau. Wer auf Bali wohnt, ist daher auf Roller oder Auto angewiesen, um von A nach B zu gelangen. Dazwischen drängen sich die Fahrer:innen von Grab und GoJek, den asiatischen Pendants zu Uber, die in Scharen durch die Straßen strömen.
Auch die Strände sind – wenig überraschend – keineswegs so unberührt wie zu Zeiten Elizabeth Gilberts. Stattdessen teilt man sich den Küstenabschnitt mit grölenden Feierlustigen aus Down Under. Bali, das Malle der Australier, ist schon lange kein Geheimtipp mehr, aber noch immer Sehnsuchtsort für viele. Erst kamen die Hippies, dann die Surfer:innen und dann der Rest der Welt. Heute ist das Eiland ein Symbol für Lifestyle und Prestige, ein Ort, um sich mit weltmännischer Eleganz zu zeigen. Indonesien ist zweifelsohne ein wunderschönes Land, das eine Reise allemal wert ist. Es mag eine Mischung aus FOMO, idealisierten Vorstellungen und Eigennutzkalkül sein, die so viele Menschen nach Bali zieht, wo alles immer exotischer, erlebnisreicher, exklusiver sein muss.
Vielleicht ist es nun – ganz im Sinne der Gentrifizierung – Zeit, sich zu neuen Ufern aufzumachen und dem tropischen Paradies die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen. Der Archipelstaat Indonesien hat schließlich noch Tausende andere Inseln, die nicht weniger schön, aber deutlich weniger überlaufen sind.
Von Eileen Taubert
...studiert Französisch und Germanistik. Seit 2022 schreibt sie für den ruprecht über die kleinen und großen Fragen des studentischen Alltags.