Wir machen ein Fass auf: Ein Plädoyer für das Schreiben mit Füller, auch an der Uni.
Man mag es Fortschritt nennen, dass heute in Vorlesungen und Seminaren fast nur noch Laptops und Tablets zu sehen sind. Doch während das Papier zusehends verschwindet, lohnt es sich, auch ab und zu den Bildschirm auszuschalten. Besonders in Heidelberg hat das Schreiben mit Tinte Geschichte. Das gibt allen Anlass, sich damit zu beschäftigen.
Dass sich handschriftliche Notizen besser einprägen als solche, die man tippt, ist längst allgemein bekannt. Und trotzdem stellt sich der größte Teil aller, die ein Studium beginnen, die Frage, welches elektronische Gerät sie vom ersten Semester an als Hauptwerkzeug nutzen sollen. Das hat natürlich einen guten Grund, denn ohne auf Heico Moodle oder Heidi zugreifen zu können, ist ein Studium heute ein Ding der Unmöglichkeit. Doch gerade was die ebenso essentiellen Notizen betrifft, egal ob für Seminare, Vorlesungen oder im Selbststudium, bleibt die Option offen, sich gegen Technik und Schnickschnack zu stellen. Und genau dazu will ich einladen.
Heidelberg hatte in einigen Kreisen einmal den Beinamen „Stadt der Füller”, und das aus gutem Grund. In und um Heidelberg gab es einst eine Vielzahl kleiner und größerer Hersteller dieser heute antik erscheinenden Schreibwerkzeuge. Bis heute hat sich davon etwas gehalten; noch immer produzieren ein paar Füller-Unternehmen in Heidelberg.
Warum sollte man also als Student:in in Heidelberg nicht mal ein Stück Stadtgeschichte selbst neu aufleben lassen? Immerhin haben Füller weitaus mehr Charakter als ein Kugelschreiber, und ihren oftmals übermäßig schlechten Ruf verdienen sie kaum. Wer seinen Füller zu pflegen und bedienen weiß, hat mit Klecksen oder Auslaufen so gut wie nie zu kämpfen. Und als Linkshänder kann ich sagen: Auch das ist mit dem Füller durchaus machbar.
Zugleich bestechen Füller mit einem einzigartigen Schreibgefühl, für das es keine Anstrengung in der Hand braucht. Die Federstärken reichen von schmal bis zum Textmarker, und auch die Auswahl an Tinten ist – sofern man Tintenpatronen hinter sich lässt – nahezu unbegrenzt. Vom klassischen Blau über alle Arten von Schwarz bis hin zu Violett ist für Geld alles zu haben. Daneben kann die Nutzung von Füllern durchweg nachhaltig sein, denn der Füller hinterlässt beim Nachfüllen keine Minen aus Plastik und Metall, und auch seltene Erden spielen hier keine Rolle.
Gemein mit anderen Schreibwerkzeugen hat der Füller, dass Papier deutlich weniger fehleranfällig ist als moderne Technik. Damit die eigenen Notizen gelesen werden können, muss man keine Akkus laden, und Tinte kann in wenigen Minuten nachgefüllt werden. Sollte etwas kaputt gehen, kann man auch ohne Cloud auf seine Notizen zurückgreifen.
Warum also nicht einfach mal in der Vorlesung den Füller zücken und in den Genuss kommen, eine Schreibfeder auf Papier zu spüren, statt nur der Finger auf den Tasten.
Ein Kommentar von Marco Winzen
...studiert Politikwissenschaft und Japanologie und schreibt seit dem Wintersemester 2023/24 für den ruprecht. Er schreibt am liebsten zu Themen, die vielleicht nicht alle auf dem Schirm haben.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.