Das Herz des Heidelberger Studi-Lebens wird zur Baustelle. Die Kult-Mensa schließt ab Mai wegen Sanierungsarbeiten für mehrere Jahre. Über das warum, wie lange und wo wir in Zukunft kalten Brokkoli essen
Anmerkung: Seit Veröffentlichung des Artikels gab es weitere Entwicklungen. Frau Modrow hat inzwischen das Heidelberger Studierendenwerk verlassen. Der Interimgeschäftsführer Clemens Metz hat die Marstallschließung auf Ende nächsten Jahres verlegt
Couscoussalat und Pommes essen, mit den Freund:innen auf einen Kaffee treffen, Fußballspiele ansehen, …
Die Marstallmensa ist für viele Studierende in der Altstadt das Zentrum des Unialltags schlechthin. Jeden Tag werden hier im Schnitt 2000 Mahlzeiten verzehrt. Im Marstall treffen sich nicht nur Jurist:innen und Archäolog:innen am Buffet, hier kommen Lesekreise und Sprachtandems zusammen, es wird gelernt und Karten gespielt. Regelmäßig gibt es kleine Live-Konzerte im Marstallcafé, montags wird Tatort geschaut.
Doch das alles ist ab Mitte 2025 vorerst Geschichte. Wie der ruprecht bereits letzten Sommer berichtete, muss der Gebäudekomplex wegen Brandschutzmaßnahmen vollständig saniert werden. Das bedeutet, dass nicht nur die Zeughaus-Mensa, sondern auch die dort ansässige Verwaltung ausziehen muss. Das Büro für Studienfinanzierung ist schon im Juli umgezogen. Bereits im Mai nächsten Jahres soll der Marstall geschlossen werden, damit die Bauarbeiten wie geplant im August beginnen können. Herr des Verfahrens ist das Land Baden-Württemberg als Eigentümer des Gebäudes, gerechnet wird mit Kosten von insgesamt etwa 42,5 Millionen Euro.
Es wird „einmal alles auf links gedreht“, wie es Tanja Modrow, Geschäftsführerin des Studierendenwerks, dem Betreiber der Mensa, ausdrückt. Konkret heißt das, dass das Gebäude abgesehen von den Anpassungen an den Brandschutz so weit wie möglich behindertengerecht umgebaut wird, die Küche und die Technik aktualisiert und neue Kühlzellen installiert werden. Auch das Marstallcafé wird erneuert. Dort sollen Boden, Wände und Technik nach Brand- und Arbeitsschutz ertüchtigt werden und es soll neue Fenster erhalten. Das Lesecafé muss wegen der Installation der neuen Technik verkleinert werden. Bei diesen umfassenden Maßnahmen gibt es einige Herausforderungen, schließlich steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Um 1510 erbaut, zählt der Marstall zu den ältesten erhaltenen Bauwerken Heidelbergs und kann deshalb nicht ohne weiteres umgebaut werden.
Die größte Herausforderung wird es aber sein, einen Ersatz für die Zeughaus-Mensa zu finden, um ihren Ausfall zu kompensieren und den Studierenden weiterhin Mahlzeiten und Aufenthaltsmöglichkeiten zu bieten. Bereits die Suche nach Alternativen gestaltete sich schwierig, die Anforderungen waren hoch. Die Kosten müssen im Rahmen des Möglichen liegen und es muss selbstverständlich genug Platz vorhanden sein. Gerade in der Altstadt waren die Möglichkeiten durch die hohen Kosten und den mangelnden Platz begrenzt.
Dabei gab es durchaus kreative Ansätze. Container und ein Festzelt im Innenhof des Marstalls wurden in Betracht gezogen, unterirdische Lösungen standen zur Debatte. Sogar über ein Kreuzfahrtschiff auf dem Neckar habe man laut Modrow in der verantwortlichen Arbeitsgruppe durchaus nachgedacht. Letztendlich fiel die Wahl auf die Triplex-Mensa und die Krehl-Klinik am Campus Bergheim.
Da die Triplex aktuell nicht über das Fassungsvermögen für die erwartete Masse an Studierenden verfügt, werden Maßnahmen zu ihrer Ausweitung getroffen. So wird etwa die Außenbestuhlung aufgestockt und die alte Bücherei komplett geleert und in einen Raum zum Essen und Lernen umfunktioniert. Die dortigen Glaswände sollen allerdings zum Zwecke des Lärmschutzes und der Gemütlichkeit bleiben. Auch Container im Innenhof kommen infrage. Besonders wichtig bei diesen Maßnahmen ist, dass alle Fluchtwege weiterhin gesichert sind.
Darüber hinaus steht die Ausweitung der Küche auf dem Plan, um die zusätzliche Masse an Essen bewältigen zu können.
Und nicht nur räumlich wird die Triplex-Mensa vergrößert. Auch die Öffnungszeiten sollen deutlich länger werden, denn zur Zeit hat sie als Saisonmensa gerade mal von 11:00 bis 14:00 Uhr geöffnet.
Schon im Jahr 2008, als die Marstallmensa schon einmal wegen Bauarbeiten schließen musste, wurde die Triplex-Mensa mit zusätzlichen 380 Stühlen ausgestattet. Damals ging es aber nur um eine Ausweichmöglichkeit für wenige Monate, während die diesmaligen Maßnahmen deutlich länger andauern werden. Ungefähr zeitgleich mit der Schließung ist geplant, die Krehl-Klinik im Campus Bergheim zu eröffnen. Die Fertigstellung dieser Mensa ist bereits zwei Jahre im Verzug, soll aber im Sommer nächsten Jahres abgeschlossen werden und dann als weitere Ausweichmöglichkeit dienen.
Die Geschäftsführerin des Studierendenwerks Modrow geht davon aus, mit diesen Maßnahmen insgesamt 40 Prozent des üblichen Betriebs ausgleichen zu können. Es bleibt allerdings unsicher, wie viele Studierende diese Alternativen tatsächlich nutzen. Das hänge schließlich mit den Präferenzen der Studierenden zusammen. Ob es sie statt ihrem regulären Marstall in die Zentralmensa im Neuenheimer Feld verschlägt, sie sich ein Schokocroissant beim Bäcker holen oder doch in die Triplex gehen, sei schwer vorherzusagen. „Wir werden nicht alles kompensieren können, das ist ganz klar“, so Modrow. Das Personal hingegen bleibt vollständig und wird zukünftig in den anderen Mensen zum Einsatz kommen, an der Zeughaus-Mensa hängen schließlich 30 Arbeitsplätze.
Angst, dass der Mensabesuch durch die Maßnahmen zum Luxusausflug wird, muss allerdings nicht bestehen. Es sind laut Studierendenwerk keine Preiserhöhungen geplant. Bei einem Gespräch mit dem Studierendenrat erwähnte Tanja Modrow hingegen, dass sie eine Preiserhöhung nicht völlig ausschließen könne, wie einem Stura-Protokoll von Juni dieses Jahres zu entnehmen ist. Bereits im Vorfeld kritisierte der Studierendenrat die Pläne des Studierendewerks scharf und forderte, eine Ersatzlösung zu finden, die die bisherigen Kapazitäten zu mindestens 90 Prozent deckt. Die geplante Kompensation des Marstalls hält der Stura für unzureichend und schlägt Kooperationen mit Restaurants vor.
Die kulturellen Veranstaltungen wie beispielsweise Poetry-Slams oder Film-Vorführungen, die gewöhnlich im Marstall stattfinden, will das Studierendenwerk voraussichtlich auf den Campus Bergheim sowie in und vor die Triplex auslagern. Ein genaues Konzept stehe hierfür noch nicht fest. Für weitere Räume zum Lernen und Aufhalten will das Studierendenwerk mit der Uni zusammenarbeiten. Laut Angaben der Universität sei diese bereits mit verschiedenen Akteuren in der Altstadt im Austausch. Fest steht allerdings schon, dass sie den Theatersaal aus dem Seminarraumangebot nimmt, um dort einen Lern- und Aufenthaltsort zu schaffen.
Wie lange die Studierenden letztendlich auf den Marstall verzichten müssen, hängt davon ab, wen man fragt. Die Behörde Vermögen und Bau geht von einer reinen Bauzeit von etwa drei Jahren aus. Inklusive Ein- und Auszug dürfte selbst diese optimistische Prognose vier Jahre dauern, so Tanja Modrow. Die Wiedereröffnung des Marstalls würde somit ins Wintersemester 2028/29 fallen. Sie sei allerdings eine „vorsichtige Person“ und wisse, dass sich Bauprojekte gut und gerne verzögern.
Von Pauline Zürbes
...studiert Übersetzungswissenschaft im Master und fotografiert seit dem Wintersemester 2023/2024 für den ruprecht.