Basteln, Party, Demonstrieren: Die Veranstaltungen des Kritischen Semesterstarts zeigen neue Perspektiven auf Heidelbergs linke Szene
Sie sind überall! Die kleinen, gelben Plakate, auf denen eine riesige Gans über die Alte Brücke stampft, und die noch kleineren, lila-gelben Sticker sind am Marstall, vor der Bergheim-Bib oder an der Alten PH zu finden. Auf beidem prangt der Schriftzug „KriSe“. Doch was hat es damit auf sich?
Die Aufschrift ist eine Abkürzung für den „Kritischen Semesterstart“, der seit dem Sommer- semester 2024 existiert und Anfang November seine zweite Auflage erlebte. Das Team von „KriSe“ sammelt Veranstaltungen wie Treffen, Vorträge oder auch Partys, die von links oder solidarisch orientierten Gruppen rund um den Semesterbeginn veranstaltet werden. „KriSe“ erstellt dann daraus einen Terminkalender.
„KriSe“ bietet ein breites Programm solidarischer Veranstaltungen an
Für diese Idee gibt es mehrere Vorbilder. „Schon 2019 gab es ähnliche Aktionen, diese schliefen aber während der Pandemie wieder ein“, erklären zwei der insgesamt sechs Organisator:innen. Auch in vielen weiteren Unistädten, wie Leipzig oder Freiburg, gibt es vergleichbare Angebote, etwa unter Namen wie Kritische Einführungstage oder Kritische Orientierungswoche. Hinter diesem Konzept stecken direkt mehrere Gedanken. Zum einen sollen Erstis, die erst seit kurzem in Heidelberg wohnen und sich politisch engagieren wollen, die Möglichkeit erhalten, die Arbeit verschiedener Gruppierungen und Vereine kennenzulernen. Aber auch bereits länger hier lebende Studierende und alle anderen interessierten Menschen gehören zur Zielgruppe. Darüber hinaus hat das „KriSe“-Team das Ziel, dass bereits organisierte Menschen mehr auf Gruppen mit ähnlichen Zielen achten und so ihre Engagements kombinieren können.
Das erklärt auch, weshalb ein so breites Spektrum an Organisationen im Programm vertreten ist, sowohl was die Formalität als auch den weltanschaulichen Hintergrund angeht. „KriSe“ soll so dazu beitragen, dass typische innerlinke Spaltungen verhindert werden und mehr zusammengearbeitet wird. Dementsprechend wurde bisher auch noch keine Veranstaltung, die Teil des „Kritischen Semesterstarts“ sein wollte, abgelehnt. Es wurden also bisher keine Organisationen angelockt, die gänzlich unerwünscht wären. Und das, obwohl der programmatische Hintergrund bisher alles andere als scharf umrissen ist.
Allerdings sieht das Orga-Team vor allem bei der Zusammenarbeit der Gruppen noch Verbesserungspotential: „Dieses Semester hatten wir an einem Abend drei verschiedene Veranstaltungen zum Thema Klimaschutz, sodass sich Interessierte für eine davon entscheiden mussten“, berichtet eine Organisatorin. In der Zukunft sollen solche Konkurrenzsituationen verhindert werden, damit ähnliche Veranstaltungen ihre Kräfte bündeln können, anstatt einander zu überlagern. Die Veranstaltungen im „KriSe“-Terminkalender werden teils von den Organisator:innen angefragt, melden sich teils auch aus eigener Initiative an. So kam Anfang November ein buntes Programm zustande, das von Vortragsabenden von Nachwuchsorganisationen der „Grünen“ oder „Linken“, über Schnuppertreffen bei sozial engagierten Vereinen wie der Gemeinschaftsgärtnerei „Wildwuchs“ oder „Rolling Safer Spaces“ (ROSA) bis hin zu Veranstaltungen von der „Antifaschistischen Initiative Heidelberg“ oder der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ reichte.
Die Nilgans auf den Plakaten erfüllt dabei übrigens eine Doppelfunktion: Zum einen ist sie als Schrecken der Neckarwiese ein präsenter Teil des Lebens vieler junger Heidelberger:innen, zum anderen liefert sie Anlass für den Untertitel der Aktion, „Gans kritisch“.
Von Linus Pascher