Tausende demonstrierten im Winter in Heidelberg gegen Remigrationsfantasien. Die Initiative Studis gegen Rechts möchte die Dynamik wieder aufleben lassen
„Trump ist Präsident, die Ampel ist zerbrochen, die Afd steht auf der Matte“, hallt es durch den Neuen Hörsaal am Philosophenweg. Über 100 Studierende sind am 20.11. zum zweiten Treffen von „Studis gegen Rechts“ (SgR) gekommen, um sich in den nächsten Stunden untereinander zu vernetzen. In Kleingruppen wird über mögliche Aktionen gebrainstormt, es werden Vorschläge gesammelt, Whatsapp- und Telegram-Gruppen gegründet.
Der Anlass: Seit Correctiv-Recherchen eine Konferenz extrem rechter Nationalist:innen, darunter Mitglieder von Afd und Werteunion, aufgedeckt haben, ist mittlerweile fast ein Jahr vergangen. In ganz Deutschland gingen im Frühjahr Hunderttausende gegen Rechts auf die Straße, in Heidelberg allein waren es etwa 18.000 Menschen.
SgR möchte sich nachhaltig gegen den Rechtsruck in Deutschland einsetzen, da das anfängliche Moment der Demonstrationen extrem schnell verpufft sei. Ein zehnköpfiges Organisationsteam veranstaltet nun regelmäßige Treffen mit einer klaren Agenda. Erstens solle mit Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen, gemeinsam mit der Gruppe „Widersetzen“, gegen den Afd-Bundesparteitag in Riesa protestiert werden. Mit Bildungsarbeit gegen Rechts will SgR zudem mehr Leute ansprechen, um linke Solidarität innerhalb der Studierendenschaft zu stärken.
„Gegen Rechts ist links genug“
Auf ihrer Website sind 18 SgR-Gruppen aus deutschen Universitätsstädten gelistet. Laut Jonas, Mitgründer der Heidelberger SgR, gebe es allerdings bereits in über 30 Städten ähnliche Gruppierungen, ein Zeichen für den rasanten Zuwachs und die Dynamik der Bewegung. Der Impuls dafür ging von Hochschulen in Berlin aus, wo auch am letzten Novemberwochenende ein deutschlandweites Vernetzungstreffen geplant sei.
Diese einzigartige Gruppendynamik betont auch Niels, ebenfalls Mitgründer von SgR in Heidelberg. Das Mobilisieren linker Gruppen könne nach seiner eigenen Erfahrung schwer fallen, hier sei das jedoch nicht der Fall. Fast alle, die beim Vernetzungstreffen anwesend waren, engagierten sich jetzt in Kleingruppen.
Der Kampagnencharakter von SgR kann ein Grund für die weitreichende Mobilisierung sein. Mit der anstehenden Bundestagswahl im Februar und dem Afd-Parteitag im Januar hat man zwei konkrete Aktionsziele vor Augen. Zwar stehe die Afd im Fokus, jedoch sei das nicht der einzige Grund für den Rechtsruck, erklärt Niels: „Faschismus kennt keine Parteigrenzen.“ Am wichtigsten sei es, Menschen für den Rechtsruck zu sensibilisieren.
Beim ersten Vernetzungstreffen erkennt man die starke Heterogenität der Bewegung, Studierende der unterschiedlichsten Fachrichtungen sind gekommen, darunter auch viele Erstsemester.
Denn obwohl Studierende einen hohen Anteil der Bürger:innen ausmachen, sei politische Mobilisierung in Heidelberg laut Niels und Jonas eher untypisch.
Für das Orga-Team stehe deshalb fest: „Gegen Rechts ist genug links“, so Jonas. Ziel sei es, einen Konsens innerhalb der verschiedenen Kleingruppen zu finden, um sich über die eigene Handlungsfähigkeit politisch weiter zu entwickeln.
„Faschismus kennt keine Parteigrenzen“
Möglicherweise entsteht in Heidelberg kein großes Gemeinschaftsgefühl, da es sich nicht um eine Campus-Universität handelt.
Zudem kommen die Studierenden selbst oft aus privilegierten, bürgerlichen Haushalten und seien nicht zwingend politisch links eingestellt. Unter anderem sind PH Studierende noch unterrepräsentiert. Am Gründungstreffen wird klar, dass derzeit dort im Vergleich weniger Flyer als beispielsweise in der Altstadt von SgR verteilt werden.
Neue Interessierte seien immer willkommen. Entsprechende Kanäle finden sich über Instagram und Telegram. Denn die Zeit ist knapp: Schon am 23. Februar finden die Neuwahlen des Bundestags statt, der Afd-Parteitag ist für den 11. und 12. Januar geplant. SgR werden sich in den nächsten Wochen weiterhin regelmäßig treffen und austauschen.
Von Justus Brauer und Sonja Drick
…hielt schon immer gerne eine Zeitung in der Hand. Seit Frühling 2023 kann er seine Begeisterung für den Journalismus beim ruprecht ausleben.
...studiert Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre im Bachelor. Sie schreibt seit November 2023 für den ruprecht und kann die Zeitung besser lesen, als sie danach wieder zusammenzufalten.