Glatter, glänzender, gesünder: Die Kosmetikindustrie verspricht viel, was kann sie einhalten? Wir erklären, ob und wie Biotinbärchen, Mizellenwasser und Co. genau funktionieren
Biotin-Gummibärchen
Haaribo macht schön und froh oder doch ein Griff ins Klo? Einfach und lecker – gesundes und strahlendes Haar durch Vitamin-Gummibärchen hört sich erstmal super an, aber was können die Süßen wirklich?
Die meisten Haar-Gummibärchen sind Kombipräparate aus verschiedenen Vitaminen und anderen Nahrungsergänzungsmitteln wie Eisen, Zink und Selen. Der prominenteste Inhaltsstoff ist hierbei das Vitamin Biotin, das beim Aufbau der Haut, Haare und Nägel eine Rolle spielt.
Die Forschung, auf die beim Marketing der Bärchen verwiesen wird, bezieht sich immer auf Studien, bei denen Menschen mit klinischem Biotinmangel untersucht wurden. Bei ihnen führten Biotinpräparate zu einem verbesserten Haarbild. Allerdings gibt es keine wissenschaftlichen Beweise, dass die Ergänzungsmittel Haare von Menschen ohne nachweisbares Defizit in irgendeiner Form optimieren könnten. Ein Biotinmangel ist jedoch äußerst selten, da das Vitamin in vielen Nahrungsmitteln wie Hefe, Sojaprodukten, Haferflocken, vielen Nüssen und Eigelb enthalten ist. Mit einer ausgewogenen Ernährung können gesunde Menschen also problemlos die empfohlene Menge von 30 Mikrogramm am Tag aufnehmen.
Biotin-Bärchen, die in ausgewählten Drogeriemärkten zu kaufen sind, haben Konzentrationen zwischen fünf- und zehntausend Mikrogramm und überschreiten damit die empfohlene Tagesmenge um mehr als das Hundertfache. Auch wenn ein Biotinüberschuss für den Menschen nicht giftig ist, bringt er keine bisher bekannten Vorteile. Ohne nachgewiesene Mängel, wird die Ergänzung von Biotin deshalb nicht empfohlen.
Wichtig zu wissen: Verschiedene Labortests, wie die Untersuchung der Schilddrüse oder des Herz-Kreislauf-Systems, können durch das Vitamin verfälscht werden. Ärzt:innen müssen vorher über die Einnahme informiert werden. Da die Wirksamkeit von Biotin für schöneres Haar bei Normalverbraucher:innen bisher nicht bewiesen werden konnte, bleiben sie schlicht eine extrem teure Süßigkeit. Die einzige nachweisbare Mangelerscheinung ist nachher die im eigenen Geldbeutel.
Von Josefine Wagner
Mizellenwasser
„Wie ein Magnet“ soll Mizellenwasser schonend Make-Up, Talg und Unreinheiten entfernen – so wird es zumindest von einschlägigen Kosmetikmarken beworben. Mizellenwasser ist ein Gesichtspflegeprodukt, das schon seit Jahren verlässlich in Badezimmern der Republik anzutreffen ist. Doch wie genau wirkt die beliebte Lotion und was sind Mizellen?
Seife besteht aus langen Molekülen mit einem wasserlöslichen Kopfteil und einer langen wasserabweisenden Molekülkette aus Kohlenstoffatomen. Werden diese Moleküle in Wasser gelöst, ordnen sie sich so an, dass die wasserscheuen Ketten möglichst von diesem abgeschirmt werden. In Seifenwasser bilden sich deshalb winzige Kügelchen, die in ihrem Inneren jeglichen Schmutz einfangen, während die wasserzugeneigten Köpfe nach außen die Wasserlöslichkeit gewährleisten.
Diese mikroskopischen Gebilde heißen Mizellen – genau wie das Pflegeprodukt. Und das ist kein Zufall, denn Mizellenwasser ist nichts anderes als Seifenwasser, und tut auch nichts anderes: Es reinigt ohne aufwändiges Reiben die Haut. Natürlich handelt es sich dabei nicht einfach um aufgelöste Handseife, sondern um eine Mischung hautverträglicher Tenside.
Letztendlich kauft man jedoch die stark verdünnte Version einer herkömmlichen Gesichtsseife. Mizellenwasser gilt daher als genauso unbedenklich, dennoch werden durch Seife nicht nur unerwünschte Rückstände weggespült. Auch wichtige Stoffe werden aus der Haut gelöst, was diese austrocknet und Pickel begünstigt. Auch das geringer konzentrierte Mizellenwasser, das zu weniger als fünf Prozent aus Seife besteht, sollte deshalb nicht übermäßig genutzt werden.
Schlussendlich bringt eine milde Gesichtsseife, die beliebig von Nutzer:innen verdünnt werden kann, bis zu zwanzigmal so viele Mizellen und damit den deutlich stärkeren „Magneten“.
Von Lennart Kopp
Koffeinshampoo
Wenn die Geheimratsecken nicht mehr geheim bleiben wollen, greift so mancher Mann zur Flasche. „Doping für die Haare“. Das versprechen Koffeinshampoos wie Alpecin, die Haarausfall vorbeugen sollen.
Die häufigste Ursache für Haarausfall hängt mit einem erhöhten Testosteronspiegel zusammen. Ein Enzym in der Haarwurzel verwandelt das Testosteron in seine aktive Form Dihydrotestosteron um. Dieses führt bei erblich bedingter Überempfindlichkeit zu einer verkürzten Wachstumsphase und damit zur Ausdünnung des Haares. Koffein soll die Wirkung des Enzyms hemmen und damit die Wachstumsphasen verlängern.
In Laborstudien wurden Haare mit ihren Wurzeln für über 120 Stunden in Testosteron- und Koffeinlösungen eingelegt. Es zeigte sich unter diesen extremen Versuchsbedingungen, dass eine erhöhte Konzentration von Testosteron das Haarwachstum verlangsamt und dass Koffein dem tatsächlich entgegenwirken kann. Eine andere Studie belegte die Nachweisbarkeit von Koffein in der Kopfhaut nach zwei-minütiger Einwirkzeit. Allerdings beweisen die Ergebnisse nicht, dass das Koffein bis in die Haarwurzeln vordringen kann.
Über den tatsächlichen Effekt des Shampoos unter normalen Duschbedingungen ist die Studienlage nicht eindeutig. Es wurden mehrere Studien durchgeführt, jedoch gab es bei allen methodische Mängel. Dazu zählen eine ungenaue Quantifizierung der Wirksamkeit, fehlende Informationen zum Studiendesign, zu wenige oder schlecht vergleichbare Versuchsgruppen. Außerdem wurden die meisten Studien nicht von unabhängigen Forschungsgruppen geleitet, sondern von der Firma hinter Alpecin finanziert. So können Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen werden.
Sicher ist, dass Koffeinshampoos schütteres Haar nicht wieder voller machen können, sondern höchstens den altersbedingten Haarausfall verlangsamen. Voraussetzung für die mögliche Aufnahme des Wirkstoffs wäre zudem eine tägliche und durchgängige Anwendung mit langer Einwirkzeit, um überhaupt die Chance auf einen Effekt zu haben. Bei Haarausfall aufgrund von Krankheiten oder Mangelerscheinungen hilft Koffein nicht.
Von Silas Janke
Kollagenpulver
In den Jungbrunnen gefallen oder doch nur Kollagenpulver in den Kaffee gerührt? Mit dem Alter schreitet bekanntermaßen auch die Faltenbildung voran. Ein Grund dafür ist die Hautdicke, die im Laufe des Lebens durch den Abbau von Kollagen verringert wird. Von der Kosmetikindustrie werden nun orale Kollagenpräparate als Anti-Aging-Produkte angepriesen.
Kollagen besteht aus abertausenden Aminosäuren und ist das am häufigsten vorkommende Protein im menschlichen Körper. Als Stützmolekül gibt es der Haut, den Knochen und den Sehnen Halt. Für Nahrungsergänzungsmittel wird es hauptsächlich aus tierischen Geweben, oft Schlachtabfällen, gewonnen.
Damit Proteine wie Kollagen aufgebaut werden können, muss der Körper die Aminosäurebausteine selbst herstellen oder durch proteinhaltige Nahrungsmittel aufnehmen. In Kollagenpräparaten ist das Molekül in kleinere Aminosäureketten, sogenannte Peptide, zerlegt, sodass sie leichter vom Verdauungstrakt aufgenommen und über den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt werden können. Doch auch aus dem als Wundermittel vertriebenen Kollagenpulver können maximal Bausteine aus drei Aminosäuren auf- genommen werden. Den Löwenanteil der Kollagenherstellung muss der Körper immer noch selbst übernehmen. Der wendet das hergestellte Kollagen aber natürlich nicht ausschließlich für die Hautstraffung auf, sondern verteilt es gleichmäßig auf seine Aufgaben. Einige Studien vermuten, dass Kollagenpeptide zu gesteigerter Feuchtigkeit und Elastizität der Haut beitragen könnten. Ob und wie diese Mechanismen genau funktionieren, ist jedoch nicht ausreichend geklärt. Da also die Wirksamkeit von Kollagenpräparaten wissenschaftlich nicht ausreichend belegt ist, dürfen Hersteller:innen nicht mit Versprechungen wie „unterstützt ein normales Hautbild“ werben. Stattdessen ergänzen Firmen ihre Produkte mit Inhaltsstoffen wie Vitaminen, die solche gesundheitsbezogenen Angaben erlauben.
Um die Kollagenbildung ohne Hokuspokus zu unterstützen, hilft vor allem eine gesunde Routine: Täglicher Sonnenschutz, viel Wasser, ausreichend Schlaf sowie Verzicht auf Nikotin und Alkohol können den Hautalterungsprozess verlangsamen.
Von Eileen Taubert
Cellulitecreme
Bei fast 90 Prozent aller Frauen bilden sich im Laufe ihres Lebens Cellulite. Das rein kosmetische Problem entsteht durch eine Schwächung der Kollagenfasern im Bindegewebe, sodass darunterliegende Fettschichten hindurchdringen können. Dadurch bilden sich nach außen sichtbare Unebenheiten. Viele Cremes versprechen deshalb, die Kollagenproduktion zu verbessern und das Fettgewebe zu reduzieren. Mit Hilfe eines Cocktails von Inhaltsstoffen soll ein ebeneres Hautbild hergestellt werden.
Der Einsatz des Vitamins Retinol soll dafür sorgen, dass die Kollagenfasern wieder stärker und flexibler werden und dem Bindegewebe somit seine Stabilität zurückgeben. Parallel dazu enthalten viele Cremes Stoffe wie Koffein, die den Abbau des Fettgewebes bestärken sollen. In vielen Fällen ist in den Lotionen auch Kollagen enthalten. Das Protein soll ebenfalls die Straffheit des Bindegewebes unterstützen. Allerdings ist das Molekül so groß, dass es über die Haut nicht aufgenommen werden kann und nicht bis in das Bindegewebe gelangt.
Problematisch bei all diesen Behauptungen ist, dass sie kaum untersucht und nachgewiesen sind. Die Konzentration der Wirkstoffe im Produkt ist meist so gering, dass selbst eine lange und intensive Anwendung lediglich oberflächlichen Wirkung zeigt.
Das größte Problem bei der Behandlung von Cellulite liegt jedoch darin, dass die Ursachen bis heute nicht geklärt sind. Es gibt verschiedenste Faktoren, wie den Hormonhaushalt und genetische Veranlagung, deren Einflüsse der Wirkung entgegenstehen. Um tatsächlich eine langfristige Verbesserung zu gewährleisten, wären weitreichende Umstrukturierungen der Fette und Kollagenfasern sowie ihrer verbindenden Gewebe erforderlich. So sehr die Cremes also versprechen, Cellulite zu minimieren, gelingt das nie wie beim Kauf erhofft und garantiert somit Enttäuschung.
Von Lara Husemann
...studiert Chemie und schreibt seit 2022 für den ruprecht. Sie leitet das Ressort Wissenschaft.
...studiert Französisch und Germanistik. Seit 2022 schreibt sie für den ruprecht über die kleinen und großen Fragen des studentischen Alltags.
...studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.