Von Bibel bis Belletristik: Vieles liest sich gemeinsam besser. Unsere Redaktion stellt verschiedene Lesekreise in Heidelberg vor
Ob auf der Suche nach spannender Literatur, neuen Leuten oder einfach, weil man den Gruppendruck braucht, um das blöde Kapitel endlich fertigzulesen – Lesekreise könnten die Antwort sein! Privat organisiert oder von der Uni, auf Deutsch oder Altisländisch, feministisch oder ökonomisch, hier ist für alle was dabei. Ihr wollt auch dem ewigen Smartphonescrollen entfliehen und mal wieder ein Buch in die Hand nehmen, das ihr nicht für die Uni lesen müsst?
Unsere Redakteur:innen haben einige Lesekreise besucht und ein buntes Potpourri zur Auswahl für euch zusammengestellt.
Philosophie
Was haben Galileo Galilei und Jazz eigentlich mit Kapitalismus zu tun? Sind moderne Wissenschaft und swingende Tonleitern wirklich tragende Teile eines unterdrückerischen Systems? Und wer stellt sich überhaupt solche Fragen? Da wäre zum Beispiel der Lesekreis zum Thema Kritische Theorie am Philosophischen Seminar. Mangels regulärer Veranstaltungen zum Thema, diskutieren die Studierenden hier selbstorganisiert die Autor:innen dieser einflussreichen Denkschule. Deren Gedanken sind teilweise hochaktuell geblieben, allerdings auch reichlich abstrakt – es fällt oft nicht leicht, den theoretischen Kern vom rhetorischen Beiwerk zu trennen. Genau diese Schwierigkeiten, das manchmal etwas ratlose In-den-Text-Staunen, greift der Lesekreis auf. Die Texte, die gelesen werden, werden gemeinsam ausgesucht, sodass sich nicht nur an dem immer gleichen Literatur-Kanon abgearbeitet wird. Immer wieder wird auch der Bezug zur Gegenwart hergestellt: Wie hätten Adorno und Co. zum Beispiel über das Internet gedacht? Wer teilnehmen möchte, kann mittwochs um 11:45 Uhr in Raum 117 des Philosophischen Seminars vorbeischauen, nähere Infos und Ansprechpartner:innen findet man auch auf Heico.
Von Mathis Gesing
Alte nordische Sprachen
Montags um 18 Uhr trifft sich ein besonders kleiner und feiner Lesekreis im Marstall. Die Größe der Gruppe lässt sich auf die Sprache der gelesenen Texte zurückführen: Altisländisch. Der Germanische Lesekreis will sich jedem Semester einer anderen alten nordischen Sprache widmen, erzählt uns Gerrit, der den Lesekreis zusammen mit einem Freund gegründet hat. Jede Woche sucht er einen Textausschnitt aus, den die Gruppe dann gemeinsam durchgeht und ins Deutsche übersetzt. Besonders schwierige Wörter werden in Fußnoten übersetzt und grammatikalische Besonderheiten erklärt. Gerade liest die Gruppe die Originaltexte der Völsunga-Saga, einer verwandten Erzählung der Nibelungensage aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Während Linkin Park durch den Marstall schallt, steht jede Woche eine totgeglaubte Sprache wieder auf und bevölkert die Mensa für eine kurze Zeit mit Helden, Drachen und Burgen.
Von Mara Renner und Robert Trenkmann
Belletristik
Wer gerne verschiedenes liest und sich mit fremden Leuten auf Gespräche einlässt, dem empfehle ich herzlichst, ein Shared Reading zu besuchen. Die in der Weststadt liegende Buchhandlung „Wortreich“ bietet allen Interessierten die Möglichkeit, zu einem Shared Reading vorbeizukommen – und das ohne Anmeldung oder Eintritt. Es besteht auch die Möglichkeit, per Zoom daran teilzunehmen. Dafür sollte man sich jedoch vorab per E-Mail anmelden. Für ein Shared Reading braucht es außerdem keine Vorbereitung des Lesematerials, denn die Texte, die gemeinsam in einer Gruppe gelesen und besprochen werden, bekommt man kurz zuvor ausgeteilt oder zugeschickt. Bei jedem Treffen wird ein anderer Text gelesen und dabei kann alles drankommen, was die Bücherwelt zu bieten hat. Untereinander werden Eindrücke und Meinungen zu dem Gelesenen ausgetauscht und in der Runde diskutiert.
Die Termine für das Shared Reading im Wortreich werden auf deren Website wortreich-hd.de hochgeladen.
Von Amélie Lindo
Sozialwissenschaften
Ist unsere parlamentarische Demokratie wirklich die bestmögliche Regierungsform? Wer genau ist am Rechtsruck schuld? Kann man sich das noch mit Max Weber erklären? Egal woher man seine ECTS bekommt, der gesellschaftlichen Realität kann man nicht entkommen. Alle, die sich deshalb mehr mit sozialwissenschaftlichen Themen beschäftigen wollen, sind beim Soziologischen Forum (SoFo) bestens aufgehoben. Die Hochschulgruppe wurde letztes Semester von Soziologiestudierenden gegründet, ist jedoch offen für Studis aus allen Fächern – spezielles Vorwissen ist dabei nicht nötig. Bei jedem Treffen werden ausgewählte Bücher und Texte vorgestellt. Die Diskussion hat so einen klaren Ansatz und bleibt dadurch spannend wie auch unterhaltsam. Bei der Themenauswahl gibt es keine Kriterien: Gramscis Hegemonie-Begriff, Luxemburgs Reformismus-Verständnis, aber auch Tagesaktuelles wie das Erstarken von Rechtsextremismus können Kern der Debatte werden. Darüber hinaus besucht das SoFo gemeinsam Vorträge in und um Heidelberg und tauscht regelmäßig interessante Literatur aus. Wer also seinen soziologischen oder sozialphilosophischen Horizont erweitern will, ist herzlich willkommen. Treffen finden alle zwei bis drei Wochen dienstagabends am Campus Bergheim statt. Für mehr Informationen kann man sich an soziologischesforum@gmail.com wenden.
Von Justus Brauer
Glauben
Come & See – das verspricht der Bibellesekreis, der von der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) angeboten wird. In kleiner Runde wird eine kurze Bibelstelle gelesen und über persönliche Eindrücke und Interpretationsansätze diskutiert. Der Lesekreis wird von Christian König, dem Pfarrer der ESG, organisiert, der Denkanstöße gibt und die Diskussion anleitet. Obwohl aktuell auch Theologiestudierende am Lesekreis teilnehmen, die das Wissen aus ihren Vorlesungen einbringen, richtet sich der Bibelkreis vor allem an Interessierte ohne Vorerfahrung, auch Nichtchrist:innen sind willkommen. Gemeinsam wird entschieden, welches biblische Buch gelesen wird, aktuell ist es der erste Johannesbrief. Auch wenn seit seiner Gründung im Oktober 2023 nur Bücher aus dem Neuen Testament gelesen wurden, gibt es keinen Fokus auf einen bestimmten Teil der Bibel. Der Lesekreis findet jeden Dienstag von 16 bis 18 Uhr im Karl-Jaspers-Haus statt. Neugierige können einfach zu den Treffen kommen.
Von Maximilian Fülle
...studiert Politikwissenschaft und Philosophie und leitet aktuell Seite 1-3. Er interessiert sich vor allem für Politik, Kultur, die neuesten Entwicklungen in Heidelberg und was die Studis oder ihn gerade so bewegt.
...studiert Kunstgeschichte und Politikwissenschaft, seit 2021 schreibt sie über Kurioses aus Politik, Kultur und dem studentischen Leben
...leitet Weltweit und studiert nebenbei Geographie in Kombination mit Politikwissenschaft.
Interessenschwerpunkte: ferne Länder, Tagespolitik, Botanik & Sport.
...studiert Germanistik und Japanologie im Bachelor. Seit 2022 ist sie beim ruprecht aktiv und leitet seit dem WiSe 2022 das Feuilleton.
…hielt schon immer gerne eine Zeitung in der Hand. Seit Frühling 2023 kann er seine Begeisterung für den Journalismus beim ruprecht ausleben.
...studiert Mathematik im Master und schreibt seit dem Sommersemester 2024 für den ruprecht. Neben Politik und Literatur interessiert er sich für alles, was in der Uni gerade wichtig ist.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.