Das ehemalige Galeria-Gebäude am Bismarckplatz steht seit fast einem Jahr leer. Wie es dazu kam und was damit in Zukunft passieren soll
Wenn man über die Alte Brücke auf die Südseite des Neckars blickt, thront die sandsteinfarbene Ruine des Heidelberger Schlosses über der Altstadt. Die Kulisse erzählt dem Betrachter von einer vergangenen Welt pfälzischer Kurfürsten und böhmischer Könige.
Weiter flussabwärts steht man an der grauen Theodor-Heuß-Brücke. Dort ragt am südlichen Rand des von Bushaltestellen und Schienen durchzogenen Bismarckplatzes die leere Fassade des ehemaligen Galeria-Kaufhofs empor. Der leerstehende Komplex erzählt von der untergehenden Welt der Warenhäuser. Und von dem österreichischen Immobilienunternehmer René Benko. Der Wiener begann seine Karriere im Immobiliensektor 1995 mit der Renovierung und dem Verkauf von Wohnungen. Benko reizte in der Folgezeit das Geschäftsmodell, Gebäude möglichst günstig zu kaufen, um sie möglichst teuer weiter zu verkaufen, aus. Dabei eignete sich Benko mit seiner Immobilienfirma Signa eine beeindruckende Sammlung prestigeträchtiger Immobilien in Europa und den Vereinigten Staaten an, wie das Kaufhaus des Westens in Berlin oder das Chrysler-Building in New York. In Hamburg bekam Benko den Zuschlag, den Elbtower bauen zu lassen.
Bürgerinitativen haben Vorschläge zur Nutzung des Gebäudes präsentiert
Aber auf Dauer funktionierte dieses Geschäftsmodell nicht. Dazu stieg Benko 2014 in die auch damals ohnehin schon schwächelnde Kaufhauskette Galeria-Kaufhof und Karstadt ein. Dabei wurde er nicht nur Eigentümer des Konzerns, sondern auch der Immobilien, in denen die Filialen ihren Standort hatten. Die Mieten für die jeweiligen Filialen wurden daraufhin in marktungewöhnliche Höhen geschraubt, wodurch der Wert der Immobilien stetig stieg; dazu kam Anfang Januar der dritte Insolvenzantrag der Kaufhauskette. Diese Doppelbelastung verschärfte aber die Situation für den Warenhauskonzern. Mit seinen ehemals zwei Standorten in Heidelberg war die Schließung mindestens einer der beiden Filialen absehbar. Getroffen hat es schließlich die Filiale am Bismarckplatz, die zusammen mit 21 weiteren Standorten Mitte Januar schloss. Alle Mitarbeiter:innen verloren ihre Stellen. Kleinere Geschäfte, die ebenfalls Mieter des Komplexes waren, mussten schließen oder ihren Standort verlegen.
Das Gebäude erzählt von der untergehenden Welt der Kaufhäuser
Erst Anfang November wurde der Verkauf des leerstehenden Gebäudes verkündet. Eine Frankfurter Immobilienholdinggesellschaft, die bisher Anteile an dem Gebäude besaß, wird nun Haupteigentümerin des Gebäudes. Laut mehrerer Presseberichte plant sie bisher im Erdgeschoss wieder Einzelhandel anzusiedeln. Was mit den oberen Etagen geplant ist, bleibt allerdings noch unklar. Eine Anfrage des ruprecht zu der künftigen Nutzung des Gebäudes blieb vonseiten der Holding bis Redaktionsschluss allerdings unbeantwortet. Verschiedene Vereine und Bürgerinitiativen haben im Laufe diesen Jahres Vorschläge präsentiert, wie das Gebäude künftig genutzt werden könnte. Seit Anfang November jedenfalls gestaltet „Urban Innovation“ mit seinem Projekt „Hinterhof“ die Rückseite des Gebäudes mit einer Präsentation, die die bisherige Nutzungen des Platzes und des Gebäudes zeigt, sowie der Bereitstellung und Aufbereitung kleiner Flächen für Veranstaltungen und Künstler. Wie das Gebäude allerdings in Zukunft tatsächlich genutzt wird, bleibt unklar.
Klar dürfte jedoch die Zukunft für Benkos Signa sein. Da mit den angehobenen Zinsen einer der wichtigsten Faktoren für Benkos System wegfällt, ließen sich die Strukturen der Geldverschiebung nicht mehr aufrecht erhalten. Derzeit steht Benko in Österreich vor Gericht, kürzlich ist in Italien gegen ihn ein Haftbefehl erlassen worden.
Von Robert Bretschi
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.