Künstliche Beleuchtung lässt die Nacht nicht mehr dunkel werden. Lichtverschmutzung hat Folgen für Mensch und Natur
Wann hast du das letzte Mal unsere Milchstraße gesehen? Bei den meisten kommt das eher selten vor. Eine “sternenklare” Nacht bedeutet in Städten längst nicht mehr, dass man die etwa viertausend Sterne sehen kann, die mit bloßem Auge erkennbar wären. Denn zu viel Helligkeit von der Erde macht das Licht aus dem All für uns unsichtbar. Als heller Schein am Horizont zeichnet sich die sogenannte „Lichtverschmutzung“ besonders deutlich ab.
Künstliches Licht, etwa von Straßenlaternen oder Fassadenbeleuchtungen, wird von Wasser-tropfen in der Atmosphäre zurück- gestreut. Dieser Schein ist oft noch in hunderten Kilometern Entfernung sichtbar. In Europa gibt es dadurch mittlerweile fast keine Orte mehr, an denen es nachts wirklich dunkel wird.
Doch die Auswirkungen der Lichtverschmutzung gehen deutlich weiter als verschluckte Sternbilder. Sie beeinflusst ganze Ökosysteme. Für uns Menschen liegt das Problem hauptsächlich im Schlafrhythmus, denn Licht mit hohem Blauanteil hemmt die Bildung des „Schlafhormons“ Melatonin und erschwert damit das Einschlafen.
Auch viele Tier- und Pflanzenarten verlieren mit dem Tag-Nacht-Rhythmus einen zuverlässigen Taktgeber der Natur. Somit kommt der jahrtausendelang etablierte Lebenszyklus aus dem Gleichgewicht. Pflanzen verlieren ihre Blätter nicht zur ursprünglichen Jahreszeit. Nachtaktive Tiere finden zu wenig Dunkelheit für Jagd und Paarung, während tagaktive Tiere nicht genügend schlafen.
Besonders betroffen sind Insekten. Von der Helligkeit und Wärme des künstlichen Lichts desorientiert, umschwärmen sie dieses bis zum Tod. Die sinkenden Insektenzahlen wirken sich dann über die Nahrungskette auf das gesamte Ökosystem aus. Viele Forscher:innen sehen Lichtverschmutzung als eine der Hauptursachen für das massive Insektensterben. Wir haben uns mit der Diplom-Biologin Brigitte Heinz vom BUND Heidelberg getroffen, um die Situation in Heidelberg besser einschätzen zu können. Sie weist darauf hin, dass sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum viel unnötige Beleuchtung vermieden werden könne. Gerade im Neuenheimer Feld böten sich nachts viele Optionen, Licht und somit auch Energie und Geld zu sparen. Heinz weiß aber, dass der Prozess „sehr zäh ist“, da die Zuständigkeiten nicht immer eindeutig seien.
Es gibt in Deutschland keine gesetzliche Verpflichtung, Straßen und Wege zu beleuchten. Andererseits gibt es auch wenige Regelungen, die die übermäßige Beleuchtung einschränken. Erst seit Anfang 2023 existiert in Baden-Württemberg ein Gesetz, das die Fassadenbeleuchtung von öffentlichen Gebäuden deutlich einschränkt.
In vielen Diskussionen werde nächtliche Beleuchtung auch mit erhöhter Sicherheit gleichgesetzt. Aber diese einfache Gleichung stimme nicht, meint Heinz. Denn das gleiche Maß an Sicherheit könne auch durch eine schwächere und wärmere Beleuchtung gewährleistet werden. Natürlich müssten Gefahrenstellen und Angsträume weiterhin beleuchtet werden, allerdings gäbe es mit Bewegungsmeldern effizientere Maßnahmen als eine helle Dauerbeleuchtung, so Heinz. Diese werden in der Bahnstadt bereits eingesetzt.
Zudem sollten künstliche Lichtquellen so ausgerichtet und abgeschirmt sein, dass sie nicht in den Himmel, umliegende Naturräume oder Fenster von Anwohner:innen strahlen. Auch die Wahl der Glühbirne sei wichtig, betont Heinz. Die oft eingesetzten energiesparenden LEDs strahlen Licht mit hohem Blauanteil aus, das eher dem Tageslicht ähnelt.
Das Wichtigste für Heinz sei es, Bewusstsein zu schaffen. Bei Aktionen wie dem landesweiten BUND-Projekt „Nachtretter“ gehe es hauptsächlich darum zu informieren und zu mobilisieren. Viele wüssten gar nicht, wie schädlich ihre Beleuchtung eigentlich sei. „Es kann jeder mitmachen, ohne Vorkenntnisse, ohne Aufwand. Es gibt keine einfachere Möglichkeit, etwas für den Schutz der Biodiversität, des Klimas und für den eigenen Geldbeutel zu tun“, unterstreicht Heinz.
Wer nun doch einmal die Milchstraße sehen möchte, kann verschiedene Sternenparks besuchen oder über die „light pollution map“ Orte mit wenig Lichtverschmutzung finden. Denn die wahre Schönheit der Nacht offenbart sich erst bei völliger Dunkelheit.
Von Lara Husemann und Silas Janke