Murder of the dancefloor? Jahrelang klagen Anwohner:innen in der Altstadt schon wegen Lärmbelästigung. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Mannheim ihnen Recht gegeben
Freitag, 3 Uhr nachts in Heidelberg. Die Untere ist gefüllt mit partylustigen, leicht überarbeiteten Studierenden. Aus den Fenstern der Kneipen und Bars, die sich entlang der Unteren Straße ziehen, leuchten bunte Partylichter, aus den geöffneten Türen dringt Tanzmusik.
Was momentan noch eine Erzählung über reale Zustände ist, könnte sich bald in eine alte Sage verwandeln, die man sich um kurz vor Mitternacht erzählt, bevor alle wie Aschenputtel nach Hause eilen müssen. Denn bereits seit Jahren klagen Anwohner:innen wegen der extremen Lautstärke und des Chaos der betrunkenen Gäste für frühere Schließungszeiten. Auch den Verwaltungsgerichtshof Karlsruhe hat diese Klage erreicht, wo man sich im Juli 2019 auf frühere Sperrzeiten einigte. Das Nachtleben solle unter der Woche um 1 Uhr nachts, wochenends um 4 Uhr morgens zu einem Ende kommen. Dennoch verlangten die klagenden Bewohner:innen frühere Schließungszeiten sowohl an Werktagen um 0 wie auch am Wochenende um 1 Uhr. Dabei liegen die landesweiten Sperrstunden an Wochentagen bei 3 Uhr nachts und wochenends um 5 Uhr morgens.
Das Problem nicht bestehender Alternativen führt zur Überfüllung
Eine Gegenpetition namens „Unsere Altstadt lebt! Gegen strengere Sperrstunden, für Vielfalt und Kultur“ fordert, gegen die strengeren Sperrzeiten vorzugehen und eine liberale Lösung mit den Einwohner:innen zu finden. Am 30. Oktober 2024 traf der Verwaltungsgerichthof Mannheim die Entscheidung den Kläger:innen zuzustimmen, aber finale Schließzeiten wurden bislang noch nicht veröffentlicht. Auch der Oberbürgermeister Eckart Würzner äußerte sich in einem offiziellen Statement wie folgt: „In diesem Konflikt haben alle Seiten ein berechtigtes Interesse: Anwohnerinnen und Anwohner, Wirtinnen und Wirte und ihre Gäste. Es ist sehr komplex und schwierig, hier einen Ausgleich zu schaffen. Zu restriktive Sperrzeiten sind für eine Stadt mit fast 40.000 Studierenden auch nicht angebracht.“ Doch was halten die Studierenden und Kneipeninhaber:innen davon?
Einerseits ist die Empörung unter den Studierenden groß, zwar zeigt sich ein generelles Verständnis für die Klage der Anwohner:innen, doch das Ausmaß der vorgeschlagenen Sperrzeiten trifft auf Frustration. Durch den bereits stressigen Unialltag ist für viele ein späteres Nachtleben die einzige Option zum Feiern, was nicht mit den früheren Sperrzeiten vereinbar wäre.
„In diesem Konflikt haben alle Seiten ein berechtigtes Interesse“
Andererseits behaupten die Besitzer:innen einer Kneipe, dass mit dem Wohnen in der Altstadt das Nachtleben ein bewusster Bestandteil der Heidelberger Kultur sei. Das Problem nicht bestehender Alternativen zur Unteren Straße führe zur Überfüllung der Altstadt. Die Vermutung wird geäußert, dass, wenn die Kneipen früher schließen werden, sich die Besucher:innen länger auf den Straßen aufhielten.
Der Geschäftsführer von Mel’s Bar, ZKB und Jinx, Daniel Wilson, behauptet, dass im Falle der vollen Umsetzung der Forderungen der Kläger:innen 50 Prozent der Kneipenwirtschaft zu seinem Ende kommen könnte. Als weitere Folge kann es dazu kommen, dass die Kneipengänger:innen das Nachtleben naheliegender Städte als attraktiver empfinden.
Der Prozess werde dadurch erschwert, dass die Kläger:innen keinen Kompromiss anbieten und die Repräsentation der Gastronom:innen im Verfahren fehlt. Während das Nachtleben wie gewohnt weiterläuft, steht noch eine endgültige Entscheidung aus. Eine Sache ist dennoch klar: Nicht nur das Nachtleben, sondern auch die Kneipen müssten sich teilweise mit Verlusten auseinandersetzen.
Von Nina Dettmann und Fabienne Burkhardt
…studiert Geschichte und Anglistik. Seit Oktober 2024 ist sie beim ruprecht aktiv.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.