Amílcar Cabral kämpfte für die Unabhängigkeit Guinea-Bissaus und Kap Verdes von derportugiesischen Kolonialmacht. Heute ist sein Name ein Synonym für Hoffnung und Emanzipation. Seine Visionen für die Zukunft Afrikas leben auch auf der Leinwand weiter
Es sind Tausende, die 1973 trauernd durch die Straßen von Guinea-Bissau und Kap Verde ziehen. Die Ermordung des Revolutionärs und Poeten Amílcar Cabral ist ein Schock für die Bevölkerung, die für die Unabhängigkeit von der portugiesischen Kolonialherrschaft kämpft. Der Kampfgeist, den er verkörperte, lebt jedoch weiter – in Liedern, Reden und den Geschichten seiner Weggefährt:innen.
Antikolonialer und antirassistischer Widerstand in Afrika hat viele ikonische Figuren hervorgebracht, sei es Thomas Sankara, Nelson Mandela oder Patrice Lumumba. Der Name Amílcar Cabral ist in Deutschland jedoch weniger bekannt, obwohl sein Kampf für die Unabhängigkeit Guinea-Bissaus und Kap Verdes beispielhaft für den Widerstand gegen koloniale Unterdrückung steht. Um seinem Vermächtnis mehr Sichtbarkeit zu verschaffen, beleuchtete die Amílcar-Cabral-Gesellschaft zuletzt mit einer Filmreihe im Karlstorkino Leben, Werk und die bis heute spürbaren Nachwirkungen seines Kampfes für Freiheit und Unabhängigkeit.
Der Kampfgeist, den er verkörperte, inspiriert bis heute
Der Eröffnungsfilm, der schlicht den Namen des Protagonisten trägt, portraitiert Cabral durch die Erinnerungen von Wegbegleiter:innen; etwa denen seiner Witwe und Tochter, aber auch seiner Studienfreundin oder politischen Mitstreiter:innen. Ihre Anekdoten lassen ein vielschichtiges Bild des Freiheitskämpfers entstehen – von seiner kulturellen Politisierung bis hin zur Organisation des bewaffneten Widerstands. Geboren 1924 in Guinea-Bissau, wuchs Cabral friedlich auf. Erst als Jugendlicher in der Hauptstadt Kap Verdes wurde er Zeuge der tiefgreifenden Ungerechtigkeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft, die das gesellschaftliche Leben durch rassische Hierarchien prägte. Diese Erfahrungen wurden zum Ausgangspunkt seines politischen Denkens. Später, während seines Studiums in Lissabon, nutzte er die Chance, Kontakte zu Studierenden aus anderen portugiesischen Kolonien zu knüpfen. Gemeinsam gründeten sie das „Zentrum für Afrikanistik“, ein intellektuelles Netzwerk, das nicht nur theoretische Fragen der Dekolonisierung behandelte, sondern auch aktiv politische Ideen schmiedete. Viele dieser Mitstreiter:innen wurden später zentrale Figuren in den Befreiungsbewegungen Afrikas. Auch Cabral kehrte nach dem Studium in seine Heimat zurück und rief dort die PAIGC ins Leben, die Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit von Guinea-Bissau und Kap Verde, der er sich Zeit seines Lebens verschrieb. Ein Jahr bevor das Ziel der Unabhängigkeit erreicht war, wurde Cabral im Januar 1973 erschossen. Hinter dem Mord stecken innerparteiliche Konkurrenzkämpfe, auf die die Zeitzeug:innen jedoch nicht eingehen – sie schildern vielmehr ihre persönlichen Reaktionen auf die Nachricht von Cabrals Tod.
Mit „O Regresso de Amílcar Cabral“ wurde 1974 der erste Film des unabhängigen Guinea-Bissaus veröffentlicht – ein visuelles Denkmal für den ermordeten Nationalhelden. Der Film dokumentiert die Trauermärsche, die Cabrals Leichnam in die Hauptstadt Bissau begleiteten, untermalt von guineischen Liedern über den Ermordeten. Zwischendurch werden Szenen aus Cabrals Reden und Begegnungen mit den Menschen des Landes eingeblendet. Es entsteht ein Portrait, das nicht nur seine politische Bedeutung, sondern auch seine Rolle als Bindeglied zwischen dem Volk und der Unabhängigkeitsbewegung einfängt.
Den Abschluss der Filmreihe bildet „Cabralista“ aus dem Jahr 2011, in dem junge Menschen aus verschiedenen afrikanischen, aber auch europäischen Ländern berichten, wie Cabrals Wirken und Denken sie beeinflusst hat. So nannte einer der Interviewten Cabral als Inspiration dafür, sich kritisch mit den im Hip-Hop transportierten geschlechtlichen Rollenbildern auseinanderzusetzen. Auch, dass sich Cabral für einen Weg entschied, der ihn von den Blöcken des Westens und Ostens unabhängig bleiben ließ, beeindruckte die Befragten; ebenso der durch ihn verkörperte Panafrikanismus. Die Identifizierung mit dem Revolutionär ging bei den jungen Menschen so weit, dass sie sich als Cabralist:innen bezeichneten.
Damit Amílcar Cabral in den Erinnerungen weiterlebt – durch seine Reden und die Lieder, die ihn ehren – muss sein facettenreiches Leben auch heute noch erzählt werden. Die Filmreihe im Karlstorkino leistete einen bedeutenden Beitrag dazu, Cabrals Erbe lebendig zu halten und es einem breiteren Publikum näherzubringen.
Von Linus Pascher