Kaffeesatz lesen mal anders. Was genau im Kaffee ist, interessiert viele nicht die Bohne, doch wer es genauer wissen möchte, findet hier die wichtigsten Infos to go
To go or no go – das ist hier die Frage. Die Klausurenphase pirscht sich an und mit dem Stresspegel steigt auch der Kaffeekonsum. Ob aus den unverwechselbaren Mensatassen oder aus Pappbechern im Bib-Gewölbe – viele schlürfen den aromatischen Genuss nicht ohne schlechtes Gewissen. Das Getränk genießt nach wie vor einen schlechten Ruf, dabei liegt die bittere Erkenntnis des Kaffees allein in dessen Geschmack, die wissenschaftlichen Befunde der letzten Jahre dagegen sind zuckersüß.
Falsche Binsenweisheiten über ungesunde Auswirkungen von Kaffee halten sich hartnäckig, dabei belegen viele Publikationen: Ein maßvoller Kaffeegenuss kann sogar gesundheitsfördernd sein. Der Aufguss enthält neben Koffein einen Mix aus hunderten biologisch aktiven Pflanzenstoffen. Die Forschung zeigt, dass ein jahrelanger Kaffeekonsum bei vielen chronischen Krankheiten eine vorbeugende Wirkung haben kann. Bei Krankheiten, die das Nervensystem betreffen, können Positiveffekte bei der Vorbeugung von Parkinson und Demenz durch Koffein beobachtet werden. Auch Typ-2-Diabetes scheint bei Kaffeegenießer:innen weniger aufzutreten, solange man mit den Zuckerwürfeln nicht Kniffel spielen kann.
Die Gerüchteplörre, das Getränk sei ein Herz-Kreislauf-Killer, welches den Blutdruck chronisch erhöhen würde, wird immer wieder aufgewärmt. Direkt nach dem Konsum können, je nach Zubereitungsart, der Cholesterinspiegel und Blutdruck im Körper kurzfristig ansteigen. Es gibt aber keine Belege für einen Zusammenhang zwischen chronischem Bluthochdruck und gemäßigtem Kaffeekonsum. Kaffeetrinken kann sogar das Risiko für Herzschwäche und Schlaganfälle senken, solange die empfohlene Tagesmenge nicht überschritten wird. Über den Tag verteilt sind bis zu 400 Milligramm Koffein für gesunde Erwachsene unbedenklich, was circa vier Tassen Filterkaffee oder sieben Tassen Espresso entspricht.
Auch die Behauptung, dass Kaffee das Krebsrisiko erhöhen soll, ist ein Mythos, der bisher wissenschaftlich nicht belegt wurde – ganz im Gegenteil. Mehrere Studien zeigen, dass Kaffeetrinker:innen seltener an Leberkrebs erkranken. Auch für einige andere Krebsarten wie Haut-, Brust-, Gebärmutter-, und Prostatakrebs wiesen Beobachtungsstudien auf ein niedrigeres Risiko durch Kaffeekonsum hin.
Es gibt allerdings Hinweise, dass heiße Getränke über 65 Grad Celsius das Risiko für Speiseröhrenkrebs erhöhen, weshalb man Kaffee bei vernünftigen Temperaturen trinken sollte.
Die dehydrierende Wirkung des Getränks ist ein weiterer Irrglaube, der wissenschaftlich widerlegt wurde. Kaffee hat zwar einen harntreibenden Effekt, entzieht dem Körper aber kein Wasser, anders als beispielsweise Alkohol. Man muss also öfter aufs Klo, aber letztendlich scheidet man nicht mehr Wasser aus. Der aromatische Aufguss hat also keine negative Auswirkung auf den Wasserhaushalt und kann genauso wie andere Getränke bei der täglichen Flüssigkeitsaufnahme gezählt werden. Koffein und andere Inhaltsstoffe können jedoch den Verdauungstrakt stimulieren und haben bei vielen Menschen einen abführenden Effekt.
Doch wie wirkt eigentlich der Aufputscher Koffein im Kaffee? Das Molekül Adenosintriphosphat, kurz ATP, ist ein universeller Energieträger in unserem Körper. Die chemischen Bindungen zwischen dem Adenosin-Herzstück und den drei Phosphat-Gruppen sind eine unserer wichtigsten Energiequellen. Bei der Spaltung dieser Bindungen wird Energie frei, die vom Körper genutzt werden kann. Sind alle Phosphate abgebaut, signalisiert das nun „nackte“ Adenosin dem Körper, dass viel Energie verbraucht wurde, indem es an bestimmte Bindestellen, sogenannte Rezeptoren, im Gehirn andockt. Das Adenosin signalisiert unserem Hirn: „Sei müde, hier ist keine Energie mehr.“
Koffein ist in seiner Struktur dem körpereigenen ATP so ähnlich, dass es anstelle des Adenosins an diese Rezeptoren bindet und diese blockiert. Gleichzeitig unterscheidet sich das Molekül genug, sodass die Rezeptoren dem Gehirn kein Müdigkeits-Signal weitergeben.
Der Körper bekommt durch Koffein also nicht mehr Energie, sondern wird für einige Zeit gegen das Müdigkeitsgefühl betäubt. Um gut einschlafen zu können, sollte deshalb sechs Stunden vor dem Schlafengehen auf Koffein verzichtet werden.
Dem aktuellen Forschungsstand zufolge kann Kaffee Teil einer gesunden Ernährung sein und sogar gesundheitsfördernde Effekte haben. In den Lernpausen darf es also der pure Genuss ohne schlechtes Gewissen sein. Auf dass in dieser Klausurenphase nicht nur die Geschmacksnote stimmt – hoch die Tassen!
Von Josefine Wagner
...studiert Chemie und schreibt seit 2022 für den ruprecht. Sie leitet das Ressort Wissenschaft.