„Herr der Fliegen“ trifft Science-Fiction
Wenn man einhundert Straftäter ohne jegliche Regeln allein in die völlige Wildnis schickt, käme vermutlich etwas wie „The 100“ heraus. Genau das ist die Ausgangssituation der Geschichte rund um Protagonistin Clarke Griffins (Eliza Taylor) und ihre Freunde – oder Feinde. Der Knackpunkt: alle hundert Gefangenen waren noch nie in ihrem gesamten Leben auf der Erde. Sie sind im Weltall geboren, nachdem sich die Menschheit in Folge eines nuklearen Krieges in mehrere Raumstationen geflüchtet hat.
Die Bewohner der „Arche“, der Weltraumstation, die aus dem Zusammenschluss dieser zwölf einzelnen Raumstationen besteht, leben nach sehr strengen Regeln, zu denen auch eine strikte Ein-Kind-Politik gehört. Wer gegen sie verstößt, wird mit dem Tod bestraft. Diese Strafe besteht daraus, ohne Raumanzug ins All geschleudert zu werden. Einzig, wenn der Täter unter 18 Jahren alt ist. In diesem Falle wird er bis zu seinem achtzehnten Geburtstag in eine der wenigen Zellen der Arche gesperrt, bis sein Fall bei Erreichen der Volljährigkeit erneut geprüft wird.
Einhundert dieser jugendlichen Straftäter werden in einer Raumkapsel zur Erde geschickt, um zu prüfen, ob sie wieder bewohnbar ist – oder noch nuklear verseucht. Sie erhalten jeder ein Armband, das ihre Vitaldaten an die Arche sendet. Diese Mission wird allerdings vor den restlichen Bewohnern der Arche geheim gehalten.
Die Gründe, aus denen die Jugendlichen verhaftet wurden, sind ebenso vielfältig wie ihre Charaktere. Da gibt es Finn (Thomas McDonnell), genannt „Spacewalker“, der einen kleinen Spaziergang ins All unternahm und dabei versehentlich Sauerstoff für drei Monate entweichen ließ; John Murphy (Richard Harmon), der Mörder; Wells Jaha, Sohn von Arche-Präsident Thelonius Jaha (Isaiah Washington), der einen Brand stiftete; und Octavia Blake (Marie Avgeropolous), deren einziges Verbrechen ist, geboren worden zu sein – denn sie hat einen älteren Bruder, Bellamy (Bob Morley). Und Bellamy konnte nicht zulassen, dass seine Schwester ohne ihn auf die Erde geschickt wird, und schmuggelt sich mit auf die Raumkapsel.
Auf der Erde angekommen, stellen die Jugendlichen schnell fest, dass sie sehr wohl bewohnbar ist. Doch die nukleare Verstrahlung hat ihre Spuren hinterlassen, angefangen bei einem zweiköpfigen Hirsch bis hin zu einem gefährlichen Seemonster. Der Versuch, eine stabile Gesellschaft mit Regeln aufzubauen, scheitert schnell, und der weitere Verlauf der Handlung ist besonders durch die Tatsache geprägt, dass man auf der Arche in einem absoluten Irrglauben gelebt hat: sie waren nicht die einzigen, die den Nuklearkrieg überlebten.
Die Serie basiert auf der gleichnamigen Buchreihe von Cass Morgan, jedoch entwickelt sie sich völlig anders – allein die erste Staffel endet dort, wo das erste Buch endet. Doch das tut dem Plot keinen Abbruch, die Charaktere entwickeln sich fortlaufend, die Grenzen der Seiten zwischen Gut und Bösen verwischen schnell. Die Handlung ist rasant und emotional, enthält sowohl romantische als auch action-haltige Elemente und die Konflikte kochen rasch hoch.
Wer William Goldings „Herr der Fliegen“ gelesen hat, wird von der ersten Entwicklung der Gesellschaft der Jugendlichen nicht allzu sehr überrascht sein – doch dabei bleibt es bei weitem nicht, stattdessen eskaliert und entspannt sich die Situation immer wieder.
Aktuell gibt es drei Staffeln (eine vierte ist geplant), von denen bisher drei auf ProSieben ausgestrahlt wurden; die ersten beiden Staffeln sind auf DVD erhältlich.
Von Verena Mengen