Die Mitfahrzentrale BlaBlaCar hat ihre Bestimmungen geändert. Was für Auswirkungen haben diese Änderungen und was für Alternativen existieren?
Der Regen trommelt auf das Dach. Einzustürzen droht es nicht durch den Regen, sondern durch die eine Million To-Do-Listen an der Pinnwand, die ausgeliehenen Bücher, die noch nicht mal mehr geöffnet wurden und den rot markierten Klausurtagen in dem Terminkalender, die immer näher rücken. Die Lösung gegen den Nervenzusammenbruch? Ganz einfach: Weg hier! Weg von dem Schreibtisch, auf dem sich die Lernzettel stapeln, weg von dem Bücherregal, aus dem die ungelesenen Bücher drohende Blicke schießen und weg von den rot markierten Tagen, die jeden Tag röter werden. Stattdessen strahlender Sonnenschein, Mamas beste Gemüselasagne, entspannende Ruhe oder aufregende Partys. Doch dazu müsste die Strecke in den Süden, in Deutschlands Metropolen oder ins Kaff der Eltern überwunden werden.
Der Griff zum Smartphone lässt nicht lange auf sich warten, mit BlaBlaCar kommt man schließlich überall hin. Doch da ist das Problem mit den neuen Bestimmungen. Nicht nur in der Uni scheint es nur noch um Leistung zu gehen, auch BlaBlaCar möchte sich der Leistungsgesellschaft anpassen und ein richtiges Unternehmen werden.
Und ein solches kann nicht unzählige Menschen täglich unentgeltlich vor dem drohenden Nervenzusammenbruch bewahren. Nein, die erste Priorität muss Profit sein! Dafür werden sie ihre Monopolstellung als Deutschlands einzige große Mitfahrzentrale ausnutzen und in Zukunft Gebühren für die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten erheben.
Zunächst müssen jedoch einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Schließlich könnten die verzweifelten Studierenden, die in Lernzetteln ertrinken und an der Leere ihres Geldbeutels verhungern, auf die Idee kommen die Gebühren von BlaBlaCar zu umgehen und ihre Flucht selbst zu organisieren. Also dürfen die Kontaktdaten, wie Telefonnummer und E-Mail-Adresse der Fahrenden, nicht mehr vor der verbindlichen Buchung bekanntgegeben werden.
Zudem kann nicht länger mit Bargeld bezahlt werden, stattdessen muss eine Kreditkarte oder Paypal verwendet werden. Für viele bedeutet dies eine Abkehr von BlaBlaCar: Sie haben weder eine Kreditkarte, noch ein Paypal-Konto, scheuen die Gebühren und wollen Details mit dem Fahrer vor der Buchung besprechen können.
Bisher werden noch keine Gebühren erhoben und der Zeitpunkt der Einführung wurde auch noch nicht bekannt gegeben, eine Bargeldzahlung und Kommunikation zwischen den Anbietenden und den Suchenden wird Ende des Jahres jedoch nirgends in Deutschland mehr möglich sein. Wer eine Onlinezahlung, Gebühren und ein Buchen ohne vorherige Absprachen nicht akzeptieren möchte, sollte sich also langsam eine Alternative zu BlaBlaCar suchen. Im Internet finden sich zahlreiche Mitfahrzentralen.
So könnte ein Entkommen aus dem stressigen Alltag auch mithilfe von fahrgemeinschaft.de, ADAC Mitfahrclub, mitfahren.de, TwoGo, BesserMitfahren.de oder flinc gelingen. Dann müssen die ungelesenen Bücher jedoch weiterhin mit drohenden Blicken auf den verzweifelten Studierenden schießen, der seine Zeit jetzt damit verbringt, das gesamte Internet vergeblich nach einer passenden Mitfahrgelegenheit zum gewünschten Ziel zu durchsuchen. Die Zentralen standen bisher im Schatten von BlaBlaCar und sind deshalb vielen Fahrenden unbekannt. Zudem gehen auch nicht alle diese Alternativen schonender als BlaBlaCar mit den studentischen Finanzen und den preisgegebenen Daten um.
Der nächsten oder übernächsten Krise kann also eventuell durch diese, dann hoffentlich bekannteren Mitfahrzentralen entkommen werden, doch dieses Mal kann die Flucht nur über öffentliche Verkehrsmittel gelingen. Bei Langstrecken scheint – am Beispiel einer Fahrt von Heidelberg nach Hamburg – der Zug auch tatsächlich die günstigste Möglichkeit zu sein. Allerdings wird eine gewisse Flexibilität bezüglich der Abfahrtszeit und die Nutzung von Sparpreisen vorausgesetzt. Bis 250 Kilometer ist eine Fahrt mit dem Zug ab 19 Euro möglich, ab 250 Kilometer innerhalb Deutschlands für 29 Euro. Ab und zu lassen sich sogar noch günstigere Angebote finden, doch dann stößt die Flexibilität jedes Studierenden an seine Grenzen.
Bei Kurzstrecken sollte die deutsche Bahn jedoch möglichst gemieden werden, wenn eine Zuspitzung des Konflikts mit dem Geldbeutel vermieden werden soll. Am Beispiel einer Fahrt von Heidelberg nach Frankfurt lässt sich erkennen, dass bei der Überwindung geringer Entfernungen die Nutzung von Fernbussen geeigneter ist. Alternativ können für Kurzstrecken auch Mitfahrzentralen genutzt werden: Vielleicht meint das Schicksal es ja gut mit einem und eine passende Mitfahrzentrale wird wunderlicherweise doch gefunden oder man greift trotz der Bedenken auf BlaBlaCar zurück.
Die perfekte Möglichkeit von A nach B zu kommen scheint nicht zu existieren, entweder wird kostbare Zeit bei einer endlosen Fahrt vertrödelt oder eine Komparation des Adjektivs „leer“ muss erfunden werden, um den Zustand des Portemonnaies beschreiben zu können. Und die Moral von der Geschicht’? Anstatt einen Ausbruch aus dem Alltag zu planen, bleiben alle Studierenden im schönen Heidelberg, greifen nach den Büchern mit den drohenden Blicken und lesen sie, verhindern ein Ersticken an den Lernzetteln, indem sie sie endlich abarbeiten und lassen die rot angestrichenen Tage rot sein. Schließlich ist Flucht nie die Lösung.
Von Lina Rees