Laut Verfassungsgericht ist eine Überarbeitung des Landeshochschulgesetzes nötig. Studierende könnten so mehr Mitbestimmung erreichen.
Das Verfassungsgericht Baden-Württembergs hat einen Artikel des Landeshochschulgesetzes (LHG) für verfassungswidrig erklärt. Dieser regelt die Wahl des Rektorats. Deshalb steht nun eine Überarbeitung des LHG an. Für Studierende bietet das auch die Gelegenheit, das Gesetz in ihrem Sinne mitzugestalten und zum Beispiel die Zusammensetzung mancher Gremien zu ihren Gunsten zu ändern.
Grund für das Urteil ist eine Verfassungsbeschwerde. Joachim Stöckle, Professor aus Karlsruhe, störte die mangelnde Kontrolle der Hochschulprofessoren über das Rektorat. Um die Forschungsfreiheit zu wahren, sei eine umfassende Kontrolle der Professoren über die Wahl des Rektorats notwendig. Momentan bildet der Hochschulrat dafür zusammen mit dem Senat eine Findungskommission. Dort entscheiden sie sich für drei vom Wissenschaftsministerium genehmigte Kandidaten.
Das Gericht sieht die Kompetenzen des Rektorats als forschungsrelevant an. Kontrolle über die Haushaltsplanung oder Baumaßnahmen betreffen die wissenschaftliche Freiheit der Professoren. Sie wäre gewahrt, wenn die Hochschullehrer bei einer Entscheidung wie der Rektoratswahl die Stimmmehrheit hätten. Der Senat besteht zwar zu einer großen Anzahl aus Professoren, diese sind aber häufig in einem anderen Amt, wie Dekan, bestellt. Das ist in den Augen des Gerichtes ungenügend. Die amtlichen Senatsmitglieder seien nicht verpflichtet, die Interessen der Professoren zu wahren. Das Land hat nun bis März 2018 Zeit die Gesetze anzupassen. Ben Seel, Mitglied im Ausschuss Studienreform des freien Zusammenschlusses von Studentinnenschaften, begrüßt das Urteil, da es die Macht der Rektorate einschränke. Er kritisiert jedoch das „überholte Wissenschaftsverständnis“ des Gerichts. Es berücksichtige nämlich nur die Freiheit der Professoren. Studierende und ihre Vertretungen sollten deswegen die Gelegenheit nutzen, dass das Gesetz auch in ihrem Sinne umgestaltet wird. In anderen Bundesländern ist der Senat paritätisch aufgeteilt. Professoren, technische, sowie wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende haben gleich viele Sitze im Senat. Das, so Seel, könnte nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes auch ein Modell für Baden-Württemberg sein.
Das Urteil ist eine Chance für die Studierenden
Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin, Theresia Bauer, hatte bei der letzten Änderung des LHG, die Position der Rektorate gestärkt. Dementsprechend schreibt sie in einem Brief an die Rektorate und Präsidien der Hochschulen, der dem ruprecht vorliegt: „Deshalb werde ich alles dafür tun, dass […] Regelungen gefunden werden können, die die Strategiefähigkeit der Hochschulen erhalten und das in der Novellierung des LHG 2014 geregelte Gefüge von Profil und Kompetenzen der Hochschulorgane sowie die Mitwirkung aller Gruppen weitgehend bewahren.“ Konkret bedeutet dies, dass sich an der Unterrepräsentation der Studierenden und starken Position der Rektorate im Senat nichts ändern soll, ginge es nach der Grünen Ministerin.
Eva Gruse und Tenko Bauer, Außenreferenten der Verfassten Studierendenschaft (VS), sehen das Urteil als Chance: „Die Sicherung absoluter professoraler Mehrheit muss nicht auf Kosten studentischer Mitbestimmung gehen. Wenn zum Beispiel die Zahl der amtlichen Senatsmitglieder sinkt, kann der studentische Einfluss auch steigen.“ Konkreten Einfluss könne dabei die Verfasste Studierendenschaft nehmen, wenn sie während der Novelle angehört werde. Außerdem möchten die beiden zu Theresia Bauer Kontakt aufnehmen, da sie Land-tagsabgeordnete für Heidelberg ist. Die Studierenden müssten die Novelle jedoch sorgfältig beobachten. Sonst bestehe die Gefahr, dass ihr Einfluss weiter sinke.
Von Michael Pfister