Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert Graduiertenkolleg am Heidelberg Center for American Studies mit 3,5 Millionen Euro
[dropcap]D[/dropcap]as Heidelberg Center for American Studies (HCA) ist, soweit ich weiß, die einzige wissenschaftliche Institution in Deutschland, die je ein Dankes- und Anerkennungsschreiben von Präsident Obama erhalten hat.“ Sichtlich stolz ist Detlef Junker, Gründer und Direktor des HCA, auf die signierte Urkunde in seinem Büro. Ebenso wenig alltäglich wie Post aus dem Weißen Haus dürfte der millionenschwere Brief sein, der jüngst unweit des Uniplatzes am Zentrum für multidisziplinäre Amerikaforschung eingeworfen wurde.
Gemessen an den finanziellen Dimensionen, die in den Geistes- und Sozialwissenschaften geläufig sind, muten die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bereitgestellten 3,5 Millionen Euro zur Einrichtung eines Graduiertenkollegs am HCA beinahe astronomisch hoch an. Derzeit 205 solcher Kollegs zur Förderung und Vernetzung von Promovierenden finanziert Europas größte Förderorganisation für Wissenschaft und Forschung deutschlandweit – mehrheitlich in den Naturwissenschaften.Auch an der Uni Heidelberg wird in die erlauchte Runde der momentan sechs Kollegs das erste und einzige von geisteswissenschaftlicher Provenienz aufgenommen. Unter dem Titel „Autorität und Vertrauen in der amerikanischen Kultur, Gesellschaft, Geschichte und Politik“ nehmen nach einer internationalen Ausschreibung zehn Doktorandinnen und Doktoranden sowie ein Post-Doc ab Oktober 2017 ihre Arbeit auf und werden nach drei Jahren durch eine zweite Kohorte abgelöst. Angelehnt an das interdisziplinäre Profil des HCA wird der wissenschaftliche Nachwuchs aus den Fächern Geographie, Geschichte, Literatur-, Politik-, Religions-, und Sprachwissenschaft stammen und zu drei großen Themenkomplexen forschen: Entstehung und Wandel von Autorität und Vertrauen im Kontext politischer und sozialer Institutionen, innerhalb urbaner Räume und im Hinblick auf Kultur und Religion.
Manfred Berg, Lehrstuhlinhaber für Amerikanische Geschichte, zeichnet als Sprecher des Graduiertenkollegs federführend für dessen Organisation verantwortlich und zweifelt nicht daran, dass das Thema des Kollegs auch über den konkreten USA-Bezug hinaus von öffentlichem Interesse sei: „Man kann in den USA bzw. den westlichen Gesellschaften im Allgemeinen einen dramatischen Verfall von Vertrauen in die Autorität staatlicher Organe konstatieren. Die Ausrichtung des Kollegs ist nicht allein durch das Ergebnis der jüngsten US-Wahl inspiriert, sondern greift Entwicklungen auf, die westliche Gesellschaften bereits seit einigen Jahren prägen.“ Am HCA plant man daher, mittels Konferenzen und einer Website über die laufende Arbeit ein interessiertes Publikum anzusprechen. Die Befürchtung, dass durch die intensive Förderung der Forschung die Lehre am HCA zu kurz kommen könnte, hält Berg für unbegründet. Gute universitäre Lehre zeichne sich gerade durch die enge Verknüpfung mit der Forschung aus.
Direktor Junker verspricht sich vom Graduiertenkolleg noch stärker als bisher die Bündelung aller Amerikaforschung an der Uni Heidelberg unter einem Dach und nicht zuletzt einen deutlichen Reputationsschub: „Das HCA hat seit seiner Gründung 2004 einen beachtlichen Aufstieg erlebt. Mit der DFG-Förderung können wir es auf Augenhöhe mit renommierten Einrichtungen wie dem Kennedy-Institut in Berlin aufnehmen.“ Ob sich zu Obamas Brief weitere präsidentielle Würdigungen gesellen, ist fraglich. Jedenfalls wären sie höchstens 140 Zeichen lang.
Von Tillmann Heise