Eine Ärztin gab es in Neuenheim schon vor 2000 Jahren. Das Kurpfälzische Museum zeigt Funde aus dem Imperium Romanum
Wer vor zweitausend Jahren von Ladenburg nach Heidelberg reiste, kam schon eine halbe Meile vor den Siedlungstoren an Gräberstätten vorbei. Monumentale Grabbauten wohlhabender Familien stehen rechts und links der Straße, auf der ein Planwagen fährt, Römer laufen vorbei: Dieses Bild des antiken Heidelbergs zeigt das Kurpfälzische Museum im Großformat und lässt die Besucher in die Stadtgeschichte eintreten.
Bei der Ausgrabung dieses römischen Gräberfeldes im heutigen Neuenheimer Feld wurden die sterblichen Überreste einer antiken Ärztin geborgen. Aus der Zeit des Imperium Romanum sind nur vier weitere Ärztinnengräber bekannt, was dem hiesigen Fund eine herausragende Bedeutung verleiht.
„Durch die Schröpfköpfe, die ihrem Grab beigelegt worden sind, konnte die Frau als Medica identifiziert werden“, berichtet Renate Ludwig vom Kurpfälzischen Museum. Die Medica von Heidelberg ist im Alter von Mitte 30 gestorben, ihre Todesursache ist unklar, erzählt Ludwig. Bei ihrer Beerdigung gab man der verstorbenen Ärztin einen Teller und eine Münze mit. „Die Münze sollte dem Fährmann Charon, der die Toten über den Fluss Styx rudert, gegeben werden“, erklärt Ludwig das beigelegte Zahlungsmittel. Anhand dessen lassen sich auch die Lebensdaten rekonstruieren: Die Münze ist von Trajan in Rom geprägt worden, sodass die Medica um 100 nach Christus gelebt haben muss.
Das Kurpfälzische Museum zeigt mit seiner Ausstellung nicht nur die Grabbeigaben der berühmten Medica von Heidelberg, sondern erinnert mit steinernen Grabstelen oder prächtigen Grabbeigaben an den römischen Totenkult und das antike Heidelberg. Ein großer Stadtplan verdeutlicht dabei die Lage der römischen Siedlungen bei Heidelberg und des Gräberfeldes.
Der Friedhof war gut erhalten, denn der Campus im Neuenheimer Feld wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg bebaut. Um die 100 000 Grabbeigaben – Gefäße, Schmuck, genagelte Schuhe, Spielzeug, Püppchen, Rasiermesser – die das Leben des Verstorbenen schon vor seinem Tod alltäglich begleitet haben, sind vom Archäologen Berndmark Heukemes zwischen 1951 und 1969 in den 1400 freigelegten Gräbern gefunden worden. Viele dieser Ausgrabungen gehörten zur Standardausstattung bei römischen Bestattungen. Speise- und Trinkgeschirr geben Hinweise auf Totenmähler oder Trankopfer. Mit diesen Funden verdeutlicht das Kurpfälzischen Museum die Stadtgeschichte zur Zeit des Imperium Romanum.
Während dieser befand sich die römische Siedlung zwischen der heutigen Berliner Straße und der Keplerstraße. Das Gräberfeld erstreckte sich beiderseits der Fernstraße von Mainz nach Augsburg auf einer Länge von 450 Metern – außerhalb der Siedlung, denn die Toten wurden abseits der Wohnstätten begraben. Knapp 200 Jahre lebten die Römer im rechtsrheinischen Gebiet.
Zu Lebzeiten der Medica war Heidelberg ein Militärstandort der Römer. Dass eine Frau als Ärztin wirkte, war im zweiten Jahrhundert nichts Ungewöhnliches. In der Antike praktizierten mehr Frauen die Medizin, als es bis vor zwei Generationen hier der Fall war, erst 1899 wurden Frauen in Deutschland zum Medizinstudium zugelassen.
In den Unikliniken und Hörsaalgebäuden des Neuenheimer Feldes kommen heutzutage viele Studierende der Medizin zusammen. An das einstige römische Leben erinnert jedoch nichts, denn die Grabstätten sind überbaut worden. Trotzdem lässt sich eine Linie von der Vergangenheit in die Gegenwart ziehen: Vor 2000 Jahren begann mit der antiken Ärztin die Medizingeschichte in Heidelberg. Sie fand ihre letzte Ruhe zu Füßen des Ortes, wo heute vor allem die Naturwissenschaften der Universität und die Ärzte in den Unikliniken forschen und arbeiten.
Von Lea Dortschy