Wie unsere Stromversorgung in Zukunft aussehen kann, erklärt
Christian von Hirschhausen bei einem Vortrag im Heidelberger Kreis
Optimismus und Begeisterung begleiten Christian von Hirschhausen, Professor und Leiter des Instituts für Infrastrukturpolitik an der Technischen Universität zu Berlin zu seinem Vortag „Energiewende – wir haben gewonnen” beim Heidelberger Kreis. Dass er über Vorteile der alternativen Energien gegenüber fossilen und atomaren Energien spricht, liegt bei einem Blick auf seinen Lebenslauf nahe. Bei seinen Vorlesungen, Forschungen und Veröffentlichungen zum Energie- und Ressourcenmanagement findet sich immer wieder die Verknüpfung zwischen Wirtschaft, Technik, Infrastruktur und Umwelt.
Basierend auf den Forschungsergebnissen seines Lehrstuhls betont er die ökonomischen und ökologischen Nachteile der atomaren und fossilen Energien. Technisch und wirtschaftlich betrachtet, könne der Wandel zu den erneuerbaren Energien schon bald erfolgt sein, wobei besonders Wind- und Solarenergie den gesamten deutschen Stromverbrauch decken könnten. Auch Wasserstoff, Biofuels und eine Elektrifizierung des Verkehrs könnten zu einer Dekarbonisierung führen. Der Übergang zu nachhaltiger Energieversorgung sei „nur mit erneuerbaren Energien möglich“.
Dass ein schnelles Abrücken von der fossilen und atomaren Energieversorgung nötig und umsetzbar ist, bestätigen internationale Anstrengungen sowie die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen wie die Transformationsziele 2011 oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Laut Gesetzesbeschluss 2013 sollen zudem die erneuerbaren Energien in Zukunft immer weiter ausgebaut werden, sodass sie im Jahr 2035 55 bis 60 Prozent der Stromerzeugung ausmachen.
Obwohl von Hirschhausen betont, dass die Energiewende für ganz Deutschland technisch und ökonomisch möglich wäre und sich in Politik und Bevölkerung Zustimmung zu den erneuerbaren Energien abzeichnet, ist Baden-Württemberg noch weit davon entfernt. Bekanntlich besteht ein Strahlenrisiko, wenn man in der Nähe eines Atomkraftwerks lebt – im 54-Kilometer-Umkreis von Heidelberg befinden sich gleich drei. Zudem sind von den insgesamt 17 AKWs und 30 Forschungsreaktoren, die in und um Baden-Württemberg liegen, längst nicht alle inaktiv. Im letzten Jahr wurde in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr etwas mehr erneuerbare Energie erzeugt, sodass sie 2016 34 Prozent der Stromerzeugung deckte. Allerdings stagniert der Verbrauch der fossilen Energien, die für den Klimawandel mitverantwortlich gemacht werden. Das liegt vermutlich besonders an den steigenden CO2-Emissionen im Verkehrsbereich. Auch die kalten Temperaturen beeinflussen diese durch den erhöhten Heizungsaufwand.
Nachdem die Energiewende schon viel mediale Aufmerksamkeit erhalten hat, geht es nun um ihre Umsetzbarkeit. Von Hirschhausen betont, dass die laufenden Entwicklungen zur Energiewende erst einen Anfang darstellen. Konkret müsse der Verbraucher sich aber mit der Einstellung anfreunden, überall weniger Strom zu verbrauchen, „denn nur Strom, der nicht verbraucht wird, bereitet keine Probleme in der Herstellung“. Das bedeutet, einfach mal das Licht im Nebenzimmer auszuschalten und den Kühlschrank über die Ferien auszustellen. Es komme auf mutige und engagierte Geister an, die mit frischen, jungen Ideen neue Wege gehen. An frischen Ideen mangelt es auch seinen Studierenden nicht. Eine von diesen hat beispielsweise KanTe, das „Kollektiv für angepasste Technik“ mitgegründet. Dieses kombiniert das Wissen aus unterschiedlichen Ingenieursdisziplinen mit einem ökologischen und politischen Anspruch und organisiert beispielsweise Workshops zu Ressourcen- und Nährstoffkreisläufen sowie erneuerbaren Energien. Daneben hat es 2016 unter anderem auf dem Dach der Volkswagenbibliothek in Berlin eine 30 kW Photovoltaikanlage in Kooperation mit dem Verein „solarpowers“ errichtet.
Nicht nur die hiesigen Start-ups, sondern auch Forschungsprojekte in Schwellenländern zeigen, dass sich parallel zu der explodierenden Nachfrage unterschiedliche Ansätze zur Energietransformation entwickeln. Beispielsweise hat 2016 im sonnenreichen Indien ein 648-Megawatt-Solarkraftwerk die Topaz Solar Farm in Kalifornien als stärkstes Solarkraftwerk der Welt abgelöst. Es unterstützt ein Programm zur Ausweitung der Solarkapazitäten auf 100 Gigawatt bis 2022. Zum Vergleich: 100 Gigawatt entsprechen laut der Bundesnetzagentur etwa der Hälfte der 2016 in ganz Deutschland installierten Netto-Leistung zur Stromerzeugung. Oder 235.000 Jahren permanentem Fernsehen. Ein guter Anfang.
Von Livia von Oldershausen
[box type=“shadow“ ]CO2, Atom- und Plastikmüll – nur einige der Herausforderungen unserer Generation. Immerhin das Heizproblem scheint sich von selbst zu lösen – dem Klimawandel sei Dank. Dennoch liegt es an uns. Was unternehmt Ihr, um Strom zu sparen? Schreibt uns an post[@]ruprecht.de. Die besten Tipps und Tricks werden veröffentlicht.[/box]