Studierendenvertretung wirft Ministerin Bauer „Verrat“ vor – Änderung des Landeshochschulgesetzes sorge für drohende „Handlungsunfähigkeit“ der Verfassten Studierendenschaft
Will die schwarz-grüne Landesregierung in Baden-Württemberg die Studierenden „mundtot“ machen? Dies befürchten mehrere Verfasste Studierendenschaften (VS) sowie die Landesstudierendenvertretung (LaStuVe), nachdem Ende dieser Woche bekannt geworden war, dass das Wissenschaftsministerium das „politische Mandat“ der Verfassten Studierendenschaften aus dem neu aufgelegten Landeshochschulgesetz (LHG) streichen will. Die entsprechende Formulierung soll ersatzlos wegfallen, während die konkreten Aufgaben der VS jedoch nicht verändert werden.
In einer Pressemitteilung kritisiert die LaStuVe eine drohende „große Rechtsunsicherheit“, weil die VSen eigentlich ein „klares politisches Mandat“ benötigten, um auch die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Belange der Studierenden nach außen hin sinnvoll vertreten zu können, wie es das LHG konkret vorsieht. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) begehe mit der Einschränkung einen „Verrat“ an ihrer ursprünglichen Position und solle deshalb zurücktreten. Im Jahr 2012 hatte sie den wieder eingeführten VSen in Baden-Württemberg noch ausdrücklich ein politisches Mandat zugesichert, nachdem diese für mehr als 30 Jahre unter CDU-Regierungen verboten gewesen waren.
Der Argumentation, dass die VSen durch die Änderung in vielen Bereichen nicht mehr wirkungsvoll arbeiten könnten, schließen sich auch der Studierendenrat (StuRa) der Uni Freiburg und das Außenreferat der VS in Heidelberg an. Auch wenn die ursprünglichen Aufgaben erhalten blieben, könne man diese ohne ein politisches Mandat rein rechtlich gar nicht umsetzen. „So wäre beispielsweise auch die Möglichkeit, sich gegen die Wohnungsnot in vielen Hochschulstandorten einzusetzen, nicht mehr gegeben“, so Eva Gruse vom Außenreferat der VS in Heidelberg in einer Stellungnahme. Ebenso betroffen seien die Verhandlungen um das Semesterticket, denn beide Aufgaben drehen sich um die Interessen der Studierenden, spielen sich aber außerhalb der Universität ab. Dafür sei jedoch ein politisches Mandat nötig.
Unterstützt werden die Studierendenvertretungen in ihrem Protest von der SPD-Landtagsfraktion sowie dem Deutschen Gewerkschaftsbund. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch wirft der Regierung in der RNZ vor, den Studierenden einen „politischen Maulkorb“ zu verpassen.
In ihren Reaktionen auf die scharfe Kritik verteidigen sich Bauer und die Landtagsfraktion der Grünen. Bauer betont in einer Pressemitteilung, dass „das Aufgabenfeld der Verfassten Studierendenschaft nicht beschnitten“ werde. Es handele sich lediglich um eine „Präzisierung“ des missverständlichen Begriffs „politisch“, da eine allgemeinpolitische Betätigung der VSen bereits in den Siebzigerjahren vom Bundesverwaltungsgericht unterbunden worden sei. Auch Alexander Salomon, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, betont, dass es wichtig sei, dass sich die VSen „auch über hochschulpolitische Fragen hinaus“ einbringen können. Man habe gegenüber dem Koalitionspartner CDU durchgesetzt, das Mandat nicht auf rein hochschulpolitische Aufgaben zu beschränken. An der Handlungsfähigkeit ändere sich also nichts.
Tatsächlich begrüßen die CDU und der Ring christlich-demokratischer Studenten (RCDS) als einzige Studierendengruppe die geplante Änderung. Sie stoßen sich insbesondere daran, dass das „politische Mandat“ in den letzten Jahren „Tür und Tor für Missbrauch“ geöffnet habe, so Sabine Kurtz von der CDU-Landtagsfraktion gegenüber der RNZ. RCDS-Landeschef Matej Peulić spricht von Studierendenvertretungen, die „mit den Pflichtbeiträgen ihrer Studenten radikale und extremistische Gruppierungen unterstützen“. Damit spielt Peulić beispielsweise auf den von der VS Heidelberg finanzierten Bus zu den EZB-Protesten in Frankfurt im Jahr 2015 an, der bereits für Konfliktstoff gesorgt hatte.
Im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und CDU war nur noch von einem „klaren hochschulpolitischen Mandat“ der Verfassten Studierendenschaften die Rede gewesen, nachdem die CDU eine diesbezügliche „Weiterentwicklung“ der Aufgaben bereits im Wahlkampf gefordert hatte. Mit der notwendig gewordenen Novellierung des LHG , die sich eigentlich auf die Struktur des Senats bezog, sieht man offenbar nun die Chance gegeben, auch weitergehende Änderungen in der baden-württembergischen Hochschullandschaft vorzunehmen – und das Mandat der VS ist für die Betroffenen überraschend in die Verhandlungsmasse geraten. Als besonders „bedauerlich“ sieht es Tenko Glenn Bauer vom Außenreferat der VS Heidelberg an, dass Wissenschaftsministerin Bauer als Heidelberger Abgeordnete vorab nicht mit einer einzigen Studierendenschaft gesprochen habe, auch nicht in ihrem eigenen Wahlkreis.
Von Simon Koenigsdorff