Die Internetplattform OMGYes will die weibliche Sexualität revolutionieren. Dabei stellt sich die Frage: Fürsorge oder Verkaufsstrategie?
[dropcap]D[/dropcap]ie sexuelle Lust der Frauen ist schon zu lange im Dunkeln verborgen.“ Mit diesem Anliegen wurde in den USA seit 2015 eine Studie unter 2000 Frauen im Alter zwischen 18 und 95 Jahren zur weiblichen Lust durchgeführt. Im Vordergrund stand dabei, was sich gut anfühlt und warum es das tut.
Um die dabei gewonnenen Erkenntnisse in die Welt zu tragen, entwickelten Wissenschaftler, Pädagogen und Kreativschaffende die Plattform OMGYes, auf der die Ergebnisse zugänglich sind. Sie präsentieren sich jedoch nicht in Tortendiagrammen und Tabellen, sondern in Videosequenzen. Darin erklären und zeigen Frauen, welche Techniken der Selbstbefriedigung sie gerne verwenden. Begleitet werden diese Vorführungen von einem Mitmach-Tool, das ermöglicht, die beschriebenen Techniken auf einer digitalen Vulva auf dem Bildschirm nachzufahren. Dabei sind die Erklärungen in unterschiedliche Kapitel wie „Hochschaukeln“ oder „Akzente setzen“ eingeteilt. In den Kapiteln finden sich zudem Auszüge aus den Erhebungen der Studie.
Das Auftreten der Seite ist dabei hip und bunt, die Sprache beinahe missionarisch. Die Frauen präsentieren sich intim in ihrem Zuhause, und schaffen damit eine Atmosphäre, wie sie auch im Gespräch zwischen Freundinnen entstehen könnte. Um allerdings in den Kontakt mit den Protagonistinnen der Videos zu kommen, ist ein kostenpflichtiger Account notwendig. Ist diese Hürde überwunden, lädt die Seite Frauen und auch Paare zum Mitmachen und Ausprobieren ein.
In der Begründung ihres Anliegens spricht OMGYes dabei von Tabus, die es zu brechen gelte, nachdem vor Jahrzehnten das Schweigen über Homosexualität und Oralsex gebrochen wurde. Auf diesen Zug sprang auch Emma Watson auf und verhalf der Seite zu internationalem Ruhm, indem sie in einer Talkshow begeistert von ihr berichtete. Doch auch wenn man Amerika eine gewisse Prüderie zugestehen kann, bleibt es fraglich, ob OMGYes der Beginn oder schlicht das medienwirksame Ergebnis der sexuellen Befreiung der Frau ist. Diese begann schließlich mit der Einführung der Pille und führte über den tatsächlich revolutionären Umgang mit Sexualität in den 70er Jahren dazu, dass Frauen heute keine Scham mehr haben, über ihre Sexualität zu sprechen und diese auch auszuleben. Daraus ergibt sich, dass junge Frauen Spaß daran haben, ihre Lust zu entdecken, was mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie sie OMGYes liefert, gehemmt wird.
Die wissenschaftliche Untersuchung sei dabei nicht in Frage gestellt, denn auch Stefan Zettl, der in Heidelberg als Sexualtherapeut tätig ist, bemängelt, dass „in Deutschland an nur wenigen medizinischen und psychologischen Fakultäten konkretes Wissen zu Sexualität und Sexualtherapie vermittelt wird.“ Gleichzeitig warnt er vor den Auswirkungen, die eine Überpräsenz von Sexualität in den Medien haben kann. „Sexualität ist in den Schatten der Ökonomie geraten. Das ist gefährlich, da die Medien ein Bild von Sexualität, Partnerschaft, Potenz und multiplen Orgasmen vorgeben, das nicht realitätsnah ist.“ Auch OMGYes kann durch die vermittelten Praktiken Frauen in ihrer eigenen Sexualität verunsichern.
Ein positives Bild vermittelt OMGYes hingegen von der Relevanz des Orgasmus. „Zunehmend wird der Orgasmus zu einem Qualitätsmerkmal für Partnerschaft. Diese Gleichung geht nicht auf und ist im Zusammenhang mit der Tendenz zur Selbstoptimierung der Gesellschaft gefährlich“, so Zettl. In den Kapiteln bei OMGYes wird jedoch deutlich, dass als Single und in der Partnerschaft das sexuelle Spiel aus einer Gesamtheit besteht.
Von Maren Kaps