Wein, Bier und Melonenschnaps sind aus dem studentischen Leben nicht wegzudenken. Eine Woche Selbsttest eröffnet unserer Autorin einen neuen Blick auf die Selbstverständlichkeit ihres Alkoholkonsums.
[dropcap]A[/dropcap]lkohol gehört zum studentischen Leben dazu wie schlechter Mensa-Kaffee und überfüllte Bibliotheken in der Prüfungszeit. Man trinkt nach einem langen Uni-Tag noch ein Feierabendbierchen mit Freunden oder genehmigt sich zur Weihnachtszeit einen Glühwein in der Studenten-Happy-Hour auf dem Weihnachtsmarkt. Doch in einer Woche jeden Tag Alkohol zu trinken, erscheint selbst mir, die gern und oft dem vergorenen Traubensaft zuspricht, zu Beginn meiner Recherche etwas ambitioniert.
Was wie eine Herausforderung wirkt, ist jedoch erstaunlich leicht umzusetzen. Montag: Stammtisch nach der Redaktionssitzung. Dienstag: Weißwein nach Kinobesuch mit einer Freundin, Mittwoch: Wein zum Essen mit meiner Familie, Donnerstag: Cocktails mit Freunden. Erst am Freitag denke ich zum ersten Mal überhaupt darüber nach, ob ich eigentlich an diesem Tag trinken will. Doch um mit größter journalistischer Sorgfalt vorzugehen – mein Bericht soll schließlich authentisch sein – schenke ich mir ein Glas meines Lieblingsweins ein und trinke eben allein an meinem Schreibtisch. Bei dem einen Glas bleibt es dann auch nicht. Samstag und Sonntag gehen ohne große Schwierigkeiten mit feuchtfröhlichen Abenden in meiner WG ins Land. Ist ja auch eigentlich nichts dabei und nach einem alkoholgeschwängerten Abend mache ich mir keine Gedanken mehr um mein nächstes Referat oder den Redaktionsschluss und sinke wohlig entspannt ins Bett.
Dass sich eine Woche „Recher-chearbeit“ dann so gar nicht anders anfühlt als mein normales Studentenleben, gibt mir zu denken. Dabei liege ich im Durchschnitt der Studierenden Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass 37,3 Prozent der Studierenden sehr häufig trinken.
Klar, kein Alkohol ist auch keine Lösung und Kamillentee schmeckt auch nicht wirklich, aber am Ende meiner Alkohol-Woche ertappe ich mich dabei, wie ich die Kriterien für Alkoholismus google. Von den sechs Symptomen, den gängigen Diagnosekriterien des ICD-10, gibt mir vor allem eines zu denken: „Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich der Menge, des Beginns oder Ende des Konsums“.
Ich halte mich nicht für eine Alkoholikerin, aber die Selbstverständlichkeit, mit der ich ohne nachzudenken Wein, Bier und gelegentlich auch mal einen Melonenschnaps konsumiere, grenzt an Kontrollverlust. So nehme ich mir fest vor, an meine sieben Tage Alkohol sieben Tage ohne anzuschließen: Schon am ersten Tag scheitere ich und bestelle ohne darüber nachzudenken beim Stammtisch wie immer einen Riesling.
Mittlerweile vertrage ich auch einiges. Am Morgen danach schnurrt das Käterchen nur sanft und mit einem Kaffee bringe ich es immer schnell zum Schweigen. So schlimm ist das also alles gar nicht.
Doch wenn ich meine Woche Revue passieren lasse, fällt mir auf, dass trotz gewisser Toleranz die Auswirkungen meines Konsums zu spüren sind. Einen Tag mit Kopfschmerzen zu beginnen ist eigentlich nicht angenehm. Auch der oft willkommene Kontrollverlust beim Trinken führt neben der Entspannung auch dazu, dass ich am Ende eines Abends auf dem Sofa eines Freundes lande und ihm völlig ungefragt viel zu viele persönliche Dinge erzähle. Ohne die fünf Cosmopolitans hätte ich das vermutlich nicht getan.
Und die Moral von der Geschichte – Gar nicht mehr trinken? Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich ab jetzt zur Tee-Fraktion gehöre. Stattdessen nehme ich mir vor, bewusster zu trinken. Wenn ich einen Wein bestelle, dann weil ich wirklich Lust darauf habe und nicht aus Gewohnheit oder um danach gut schlafen zu können. Gelingen wird mir das mit ziemlicher Sicherheit nicht immer. Meine Woche mit Alkohol hat mir aber deutlich vor Augen geführt, wie nötig es ist mich hin und wieder zu fragen: Warum trinke ich jetzt? In diesem Sinne: Auf euer Wohl!
Von Esther Lehnhardt