Viele Heidelberger Studierende arbeiten nebenbei als Flugbegleitung. Doch gleicht die Freude am Fliegen die beruflichen Belastungen aus? [dropcap]W[/dropcap]er als Studierender knapp bei Kasse ist, sucht sich einen Studentenjob. Neben Klassikern wie Kellnern und Flyern gibt es Beschäftigungen, die nicht unbedingt Studierende als Arbeitnehmer vermuten lassen. Solch ein ungewöhnlicher Studentenjob ist die Arbeit als Flugbegleiter. Studierende fliegen regelmäßig für die Lufthansa ab Frankfurt. Die Lufthansa stellt im Arbeitsvertrag klar, dass Flugbegleiter aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometer des Flughafenraums kommen dürfen. Dies gilt jedoch nur für den Bereitschaftsdienst, ansonsten reicht es aus, in einer vorher festgelegten Zeitspanne anzureisen.
Meine Kommilitonin Anna (Name von der Redaktion geändert) ist seit dem ersten Semester bei der Lufthansa. „Am Anfang hat mir mein Studium nicht viel Spaß gebracht, viele Vorlesungen habe ich eh nicht besucht“, sagt Anna, „daher dachte ich mir: Warum nicht?“ Nachdem sie ein Assessment Center durchlaufen hatte, hob sie nach drei Monaten Schulung zum ersten Mal ab.
Die Fluglinien verfolgen bei der Auswahl natürlich ein bestimmtes Konzept, um mit einem harmonischen Team sichere und angenehme Flüge zu gewährleisten. Grundlegende Voraussetzungen für die Arbeit sind ein uneingeschränkter Reisepass, eine Körpergröße zwischen 1,60 und 1,95 Meter und „angemessenes“ Körpergewicht, fließende Deutsch- und Englischkenntnisse, eine abgeschlossene Schulausbildung und die Fähigkeit zu schwimmen. Die vergütete Schulung umfasste ein Sicherheitstraining, Workshops zur Erste-Hilfe-Leistung, Deeskalation und Verhalten an Bord. Überraschenderweise wird dem Themenbereich Service nur eine Woche gewidmet. Sehr wichtig ist das interkulturelle Training. „Abhängig vom Reiseziel muss ich wissen, welche Gewürze zu servieren und welche Höflichkeitsfloskeln anzuwenden sind“, erklärt Anna. Laut Stellenbeschreibung fordert die Arbeit einen stets freundlichen, kompetenten und verantwortungsbewussten Umgang mit den Passagieren, den gelebten Servicegedanken und die Souveränität, auch schwierige Situationen ruhig zu meistern. Anna beschreibt ihre Arbeit als Gewährleistung eines sicheren Fluges und des Gästewohls. Die Arbeitsmodelle variieren abhängig von der Airline. Das unbefristete Arbeitsmodell der Lufthansa sieht vor, dass am Anfang zu 83 Prozent geflogen wird. Später ist es möglich, die Arbeitsstunden herabzustufen, bei weniger Gehalt.
Wer bei der Lufthansa fliegen möchte, muss der Airline mitteilen, dass er studiert. Für sie ist das Vollzeitstudium kein Problem. In Heidelberg bereitet eher die Universität Probleme. Sie schreibt vor, dass Studierende nicht mehr als 19,5 Stunden pro Woche arbeiten sollen. Wer nach einem befristeten Arbeitsmodell fliegt, kann das einhalten. Zum Beispiel spricht Condor mit „Study & Fly“ gezielt Studierende für das Arbeiten in der vorlesungsfreien Zeit an. Mit befristeten Arbeitsverhältnissen sparen die Fluglinien aber langfristig Personalkosten. Denn der Flugbegleiter ist für die Airline ein Verbrauchsgut. Es ist günstiger, regelmäßig neue Flugbegleiter zu rekrutieren und zu schulen, als sie dauerhaft zu beschäftigen, um schließlich aufgrund der Verschiebung in den Gehaltsklassen teurere Arbeitskräfte zu haben. Vor allem Billigfluglinien profitieren von dem Prinzip, maximale Arbeit minimal zu vergüten. So lassen sich günstige Flugtickets überhaupt realisieren. Neben Zeit muss auch einiges an Material investiert werden. Zu Arbeitsbeginn stellt die Lufthansa eine Grundausstattung an Arbeitsuniformen bereit, jedoch verlangt der Verschleiß schon bald selbstbezahlten Nachschub.
Für Bewerbung und Schulung wird ein internetfähiger Laptop benötigt. Für die Anreise übernimmt die Lufthansa das Nahverkehrsticket, ihr Auto muss Anna jedoch selbst unterhalten. Dazu kommen Koffer und Schönheitsprodukte für das geforderte gepflegte Auftreten an Bord. Die Ausgaben sind aber steuerlich absetzbar. Die Investitionen zahlen sich aus: Das Einstiegsgehalt beträgt knapp 1500 Euro plus Schichtzulagen, Urlaubs- sowie Abwesenheitsgeld und berechnet sich nach sogenannten Blockstunden. Das ist die Zeit zwischen Off- und Onblock, also der Stabilisierung der Flugzeugreifen mit Keilen.
Anna schätzt, dass die Hälfte der Flugbegleiter in ihrem Alter studieren oder eine Ausbildung machen. Bei den älteren Kollegen handele es sich überwiegend um Akademiker. Viele konnten nach der Berufsausbildung nicht auf das Fliegen verzichten, denn „Fliegen ist eine Droge. Man sagt, wer mehr als zwei Jahre fliegt, kann nicht mehr aufhören.“ Das ist bei dem gebotenen Lifestyle verständlich. Die von der Lufthansa bezahlten Aufenthalte am Reiseziel bis zum Rückflug bieten Gelegenheit, die Welt zu erkunden. „Eine Kollegin fliegt in der Klausurenphase gerne nach Peking, weil sie dort gut lernen kann.“ Jetlag ist ein treuer Begleiter. Wie er in den Unialltag einschneidet, hängt jedoch vom Einzelfall ab.
Insgesamt ist Anna mehr als glücklich mit ihrem Job. Auf das Fliegen möchte sie auch in der Endphase ihres Studiums nicht verzichten. Solange sie nicht durch eine Allergie, Erkältung oder andere Krankheit flugunfähig wird, kann sie nichts davon abhalten.
Von Berenicé Burdack