Die LandesAStenkonferenz möchte ein Semesterticket für ganz Baden-Württemberg einführen. Bis Anfang Mai konnten sich Studierende in einer Online-Umfrage dazu äußern. Doch ist die Einführung eines landesweiten Semestertickets sinnvoll?
Ein landesweites Semesterticket ist für die studentische Mobilität vom Gedanken her eine gute Sache. Problematisch wird es jedoch bei der Umsetzung: Es gilt, die Kosten so gering wie möglich zu halten und dennoch dem Einzelnen die größtmögliche Wahlfreiheit einzuräumen. Das jetzt zur Abstimmung stehende Solidarmodell schafft beides nicht! Mit Kosten von bis zu 465,80 Euro ist das Komplettpaket kein Schnäppchen. Zudem sind die Solidarbeiträge in Höhe von 97,55 Euro bei den angebotenen Leistungen deutlich zu hoch angesetzt. Darüber hinaus wird auch der Diversität der Studenten und der Diversität der Universitätsstandorte in Baden-Württemberg nicht ausreichend Rechnung getragen. Die grenznahen Standorte vieler Unis und die vergleichsweise schlechte Anbindung an den ländlichen Raum wurden nicht ausreichend bedacht. Es kann nicht sichergestellt werden, dass jeder Student auch das Angebot bekommt, das am besten seinen Bedürfnissen gerecht wird. Aus diesen Gründen vermag das vorliegende Modell nicht zu überzeugen.
These 1: Ein solidarisch finanziertes landesweites Semesterticket ist ein Gewinn für alle Studierenden.
Falsch. Studenten sind eine sehr heterogene Gruppe. Dies zeigt sich in der Art der täglichen Fortbewegung: Viele Studenten wohnen in unmittelbarer Nähe zur Universität, in benachbarten Städten oder auch einige Stunden vom Studienort entfernt. Auch bei dem Weg in die Heimat gibt es große Unterschiede: Die Familien wohnen in benachbarten Städten, in angrenzenden Bundesländern oder am anderen Ende der Republik. Dies macht deutlich, dass ein landesweites Semesterticket nur für einen Teil der Studenten einen alltäglichen Gewinn darstellt. Durch die solidarische Finanzierung werden aber auch jenen Studenten Kosten aufgebürdet, die aufgrund ihrer persönlichen Situation kein landesweites Ticket benötigen. Die Abend- und Wochenendregelung ist dabei allenfalls ein schwacher Trost und auch nur für einen Teil der Studenten ein wirklicher Gewinn.
These 2: Ein landesweites Semesterticket ist für Studierende aus der Mitte des Landes sinnvoller als für Grenzstädte wie Heidelberg.
Richtig. Wer genau von einem landesweiten Semesterticket profitiert, kann aufgrund der Diversität der Studenten nicht pauschal gesagt werden. Richtig ist aber, dass ein Großteil der Universitäten in Baden-Württemberg nah an der Landesgrenze gelegen sind. Geht man davon aus, dass der Mobilitätsradius sich im Umfeld der Universitätsstadt befindet, so muss man auch davon ausgehen, dass Fahrten aus Grenzstädten – trotz geringer Entfernung zum Zielort – häufiger die Landesgrenzen überschreiten werden. Aber auch bei Fahrten durch das Bundesland ist das Semesterticket nicht für jeden ein Vorteil: Die Beschränkung, längere Fahrten mit dem Regionalverkehr unternehmen zu müssen, mindert die Attraktivität deutlich. Dieses Problem ist besonders bei den Grenzstädten zu finden, da hier die „Nutzungsrichtung“ des Semestertickets schmaler, aber dafür länger ist.
These 3: Kosten für das diskutierte Modell von mehr als 300 Euro eines landesweiten Semestertickets sind zu hoch und wenig sozial verträglich.
Richtig. 465,80 Euro. So viel müsste ein Student in Heidelberg für das landesweite Komplettpaket zahlen. Zum Vergleich: Ein Baden-Württemberg-Ticket young kostet 21 Euro. Erst wer im Semester öfter als 22-mal durchs Bundesland fährt, spart mit dem Semesterticket. Um das Angebot für eine breitere Masse attraktiver zu gestalten, müsste der Preis deutlich günstiger ausfallen. Aber auch die Solidarbeiträge in Höhe von 97,55 Euro sind für den studentischen Geldbeutel keine leichte Kost; besonders, wenn aufgrund der persönlichen Situation die Leistung nicht in Anspruch genommen wird. Diese zusätzlichen Kosten sind nur wenig sozial verträglich. Auch im Vergleich sieht das Angebot schlecht aus: Der Preis für solidarfinanzierte (landesweite) Semestertickets liegt in anderen Bundesländern meist nicht über 200 Euro. Hier zeigt sich erneut, dass die Kosten zu hoch sind.
Von Timo Berenz