Einen Positionierungsantrag gegen die israelkritische BDS-Bewegung hatte der Studierendenrat nach hitzigen Debatten angenommen. Zwei Wochen später revidiert er seine Entscheidung.
Eine Debatte um Antisemitismus hat den Studierendenrat (StuRa) in den vergangenen Wochen in Atem gehalten. Anlass war ein Antrag auf eine inhaltliche Positionierung gegen die israelkritische Boykott-Bewegung BDS. Zunächst war der Antrag nach einer emotionalen Diskussion mit knapper Mehrheit angenommen worden. Zwei Wochen später wurde aufgrund eines Formfehlers erneut abgestimmt, mit anderem Ergebnis.
Patrick vom Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zeigte sich enttäuscht über dieses Ergebnis. Die Gruppe hatte den Antrag auf die inhaltliche Positionierung in den StuRa eingebracht. Im Antragstext heißt es, dass der StuRa sich im Sinne seines Bekenntnisses gegen Antisemitismus klar gegen die Bestrebungen der BDS-Bewegung positionieren soll. „Die Kampagne wird von Wissenschaftlern und Journalisten als antisemitisch und rassistisch eingeordnet“, heißt es in der Begründung des Antrags.
Hintergrund dieses Vorwurfs ist, dass BDS – oder lang Boycott, Divestment, Sanctions – die Rückgabe der Gebiete, die Israel nach dem Sechstagekrieg zugefallen waren, erreichen möchte. Das möchte die Kampagne durch den Boykott israelischer Waren ähnlich dem Protest gegen die Apartheid erreichen, um damit auf Menschenrechtsverletzungen gegen die Palästinenser aufmerksam zu machen. BDS äußere dabei jedoch keine konstruktive oder sachliche Kritik und trage durch die Aufforderung zum akademischen, kulturellen und wirtschaftlichen Boykott Israels zu einer Einschränkung der freien Gesellschaft bei, so das Junge Forum.
In zwei Sitzungen wurde der Antrag insgesamt drei Stunden lang diskutiert. Neben positiven Äußerungen kam auch Kritik an dem Antrag aus dem Plenum. „Der Antrag des Jungen Forums nimmt zwar Bezug auf die StuRa-Positionierung gegen Antisemitismus, geht jedoch inhaltlich weit über diesen hinaus, indem er der transnationalen politischen und sozialen Bewegung BDS pauschal vorwirft, in ihrer ‚Gesamtheit antisemitisch und antiaufklärerisch‘ zu sein“, so Mahmud vom SDS. Eine solche undifferenzierte Verunglimpfung dürfe aus seiner Sicht und der des SDS nicht Leitlinie des StuRa sein. Die Grundsatzpositionierung gegen Antisemitismus trage die Gruppe aber selbstverständlich mit. „Eine Bewegung, die sich selbst als eine gewaltfreie Bewegung für den gerechten Frieden in Nahost bezeichnet, muss auf angemessene Weise differenziert und kritisch betrachtet werden“, so Mahmud. Die Diskussion im StuRa war wie bei dem Thema zu erwarten, sehr emotional. Besonderen Eindruck hinterließen die Schilderungen jüdischer Mitstudierender, die beschrieben, wie sie sich auf dem Campus durch BDS diskriminiert fühlen. Die Kampagne habe Auswirkungen auf jüdische und israelische Mitstudierende, die im Namen von BDS vermehrt diskriminiert werden würden, meint Patrick. Die Debatte verlief vor allem in der zweiten Lesung so hitzig, dass die Sitzungsleitung mehrfach einzelne Personen zur Ordnung rufen musste. „Neben Verunglimpfungen und unangemessenem Redeverhalten vieler Beteiligter sind aus meiner Sicht sogar menschenverachtende und entmündigende Aussagen von Seiten der Unterstützer des Antrags gefallen“, kritisiert Mahmud den Verlauf der Debatte. Das habe ihn veranlasst, zwischenzeitlich den Saal zu verlassen.
Nach der Diskussion sprach sich der StuRa schließlich mit einer knappen Mehrheit von 16 Ja-Stimmen zu 15 Nein-Stimmen gegen BDS aus. Doch dieser Beschluss wurde zwei Wochen später durch den StuRa selbst wieder aufgehoben, nachdem eine formale Beschwerde bei der Schlichtungskommission eingegangen war. Bei der Sitzung war ein Mitglied von einer Fachschaft nicht ordnungsgemäß entsandt worden. Da bei der Abstimmung des BDS-Antrages aber genau eine Stimme den Ausschlag gab, wurde er erneut abgestimmt. Das Ergebnis fiel jedoch anders aus: 16 Mitglieder stimmten für den Antrag, 21 dagegen.
„Wir sind enttäuscht und erschüttert über dieses Ergebnis“, sagt Patrick. Diese Gefühle teilt auch Max, Fachschaftsvertreter der Theologie, der aus Protest den Saal verließ. Das Ergebnis sei für ihn unerträglich gewesen, heißt es in seinem Statement. Kritik üben sowohl Befürworter als auch Gegner vor allem daran, dass er ohne Diskussion abgestimmt wurde. „Eine Vertagung des Tagesordnungspunkts wurde vom StuRa nicht gewünscht, was ich sehr schade finde“, erklärt Mahmud. Diese hätte Antragsstellern und ihren Kritikern den Raum für eine erneute Aussprache gegeben. Ohne diese sei ihnen die Möglichkeit genommen worden, nochmals Stellung gegen die Kampagne zu beziehen, meint auch das Junge Forum. Trotz dieser Umstände wollen sie sich jedoch nicht entmutigen lassen: „Wir werden uns weiter gegen jeden Antisemitismus an der Universität und in der Stadt Heidelberg einsetzen und Aufklärungsarbeit leisten.“
Von Esther Lehnardt