Im Sommer verlagert sich das Heidelberger Leben an den Fluss. Wer weiß, was er anspült, könnte seine Badegewohnheiten nochmal überdenken
Der Sommer ist da und bei diesen Temperaturen wünschen sich viele nichts sehnlicher als einen Sprung ins kühle Nass. Und was bietet sich da besser an als der Neckar mitten im Zentrum Heidelbergs.
Lothar Erdinger, akademischer Direktor im Zentrum Infektiologie an der Universitätsklinik Heidelberg, macht uns leider einen Strich durch die Rechnung: „Grundsätzlich ist der Neckar kein Badegewässer“, erklärt er. Was man dem Fluss nicht ansieht, sind die zahlreichen Gefahren, die hier lauern. Grundsätzlich sind Badegewässer offiziell als Badestellen zu melden und unterliegen Qualitäts- und Überwachungsvorschriften. Dass der Neckar diesen Vorgaben nicht gerecht wird, zeigt sich daran, dass rund 590 Kläranlagen ihr „gereinigtes Abwasser“ in den Fluss leiten. Was viele nicht wissen: „Geklärtes Abwasser hat im Gegensatz zur landläufigen Meinung keinesfalls Trinkwasserqualität, sondern enthält zahlreiche Krankheitserreger“, so Erdinger. Außerdem würden die Keime laut Merkblatt des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis nicht vollständig reduziert werden. „Dadurch könnten Krankheitserreger wie Fäkalkeime, Salmonellen, Viren, Parasiten oder Pilze die Wasserqualität gesundheitsschädigend beeinflussen“ und es zu Durchfallerkrankungen, Augen- und Ohreninfektionen und Hautausschlägen kommen. Bei Niedrigwasserstand bestehe das Wasservolumen des Neckars dann bis zu 40 Prozent aus Klärwasser, bei starkem Niederschlag könne Mischwasser überlaufen und direkt aus der Kanalisation in den Neckar gelangen.
Auch Ratten sind ein großes Problem für die Sauberkeit des Neckars: „Über deren Urin können Leptospiren übertragen werden, die schwerwiegende Erkrankungen verursachen können“, so Erdinger. Durch kleine Hautverletzungen oder die Schleimhäute kann sich der Mensch anstecken. Auch, „dass der Neckar, bevor er nach Heidelberg kommt, bereits durch viele große Industriegebiete geflossen ist“, und dass mit Neckarwestheim ein Kernkraftwerk direkt am Fluss stehe, solle man sich vor Augen rufen, meint André Müller stellvertretend für die Grüne Hochschulgruppe.
Die Schifffahrt auf dem Fluss kann für Badende ebenfalls gefährlich werden. „Wichtig ist, sich vor Augen zu halten, dass man als Schwimmer nicht immer gesehen wird“, so Jörg Huber, Leiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Heidelberg in einer Pressemitteilung. Deshalb solle man die Schifffahrtsrinne, einen 40 Meter langen Streifen in der Mitte des Flusses, als Schwimmer grundsätzlich meiden. Aber auch 100 Meter ober- und unterhalb eines Wehres gelte aufgrund von Strömungen und Schiffsbetrieb striktes Badeverbot. Im Endeffekt kann man den Menschen das Baden auch in Nicht-Badegewässern nicht verbieten. „Jede*r muss für sich persönlich entscheiden, ob er oder sie das Risiko auf sich nehmen möchte“, meint Müller. Mehr Aufklärung, beispielsweise mithilfe von Schildern an öffentlichen Duschen am Neckarufer, sollte es seiner Meinung nach in jedem Fall geben.
Vielleicht ist der unappetitliche Neckar aber auch die Chance, einmal die Badeseen in der Umgebung, wie in St. Leon-Rot, Weinheim, Heddesheim oder Altlußheim in Erwägung zu ziehen. Deren Wasserqualität wurde nämlich erneut als einwandfrei eingestuft.
Von Julia Edelmann