Das Künstlerpaar Dominik Bär und Olive Green Anna hat einen ehemaligen Schusterladen in eine Pop-Up-Galerie verwandelt. Kunst und Musik laden zum Verweilen ein.
Mittwochabend, Pfaffengrund, ein Paketshop-Parkplatz – normalerweise nicht der Ort der Wahl, wenn man in Heidelberg nach Kunst und Kultur sucht. Die ruhige Einfamilienhaussiedlung wird von der Stimme eines Singer-Songwriters und geselligem Gelächter durchbrochen. In der „Zeitgenießischen Galerie“ eröffnet eine temporäre Ausstellung der Britin Kirsty Ellen Mottram. Ein minimalistischer Do-it-yourself-Flair hüllt den Ort ein. Ja, hier lässt sich die Zeit genießen.
Das Gesicht hinter der kleinen Galerie ist das Heidelberger Künstlerpaar Dominik Bär und Olive Green Anna. Ihre Geschichte klingt wie der fernwehgeplagte Traum eines jeden Musikers: „Mit der Geburt unseres Sohnes vor anderthalb Jahren haben wir uns dazu entschieden, gemeinsam die Elternzeit zu nehmen und uns als Künstler selbstständig zu machen. Seitdem haben wir eine Menge Abenteuer erlebt. In einem umgebauten Van sind wir durch Europa gereist, produzierten Songs für das neue Album.“ Möglich war und ist das vor allem durch eine gesunde Portion Idealismus.
Als die beiden vor ein paar Monaten ihrem Schuhmacher im Kranichweg einen Besuch abstatten wollten, fanden sie nur eine leere, zu vermietende Ladenfläche. „Wir hatten direkt die Idee, diesen Raum nochmal anders zu nutzen. Der Einfall kam total spontan.“ Schnell war der Mietvertrag unterschrieben, ein Logo entworfen und die Vernissage organisiert. Seitdem finden in und um den „kleinen aber feinen“ Raum, mit rührend gepflegtem Kaugummiautomaten an der Außenfassade, regelmäßig Ausstellungen und kleinere Konzerte statt. „Unter den zahlreichen internationalen Ausstellenden sind sogar ein paar Leute direkt aus Pfaffengrund dabei.“ Das Paar will ansässigen Künstlern die Möglichkeit geben, sich zu präsentieren und einen Ort für Kunst und Austausch bieten. Die zwei Hauptakteure des Abends sind die britische Künstlerin Kirsty Mottram und der Sänger der Band „Classic Brian“ aus Oklahoma. In sommerlichen Indie-Pop-Songs besingt er seine Verwunderung über Papageien in Heidelberg, die Liebe und das Leben.
Das Publikum betrachtet währenddessen interessiert die ausgestellten expressionistisch-bunten Werke. „Pfaffengrund ist ein recht ruhiger Stadtteil. Wir freuen uns, wenn junge Leute mit neuen Ideen frischen Wind bringen“, meint ein älterer Anwohner. Immer wieder bleiben Menschen stehen, plaudern mit den Anwesenden oder lauschen nur kurz, wer da im heimischen Viertel so ästhetischen Tumult macht.
Der „Indie-Pop-Abenteurer und Musiker“ Dominik Bär ist viel in der Welt herumgekommen. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Thailand, Sri Lanka und Pakistan. 2012 nahm er mit seiner Band das Debütalbum “Pixels & Molecules” auf, 2015 folgte dann die Cinematic EP “On Our Own”.
Seine Frau, die US-Amerikanerin Olive Green Anna, verarbeitet ihre Inspiration in großformatigen expressionistisch-abstrakten Kunstwerken. Das momentane Projekt der beiden vereint ihr künstlerisches Schaffen zu einem neuen Ganzen – dem Visual Album „Colliding in the dark“.
„Das Album besteht aus zwölf Songs, die jeweils für sich stehen und auch vom Stil her sehr vielfältig sind.“ Der monatliche Release ist dabei jedes Mal ein kleines Kunstwerk für sich: zu jedem der Lieder erscheint ein Gemälde von Anna und ein Musikvideo. „Für mich ist das Projekt etwas Besonderes, weil es zum einen so vielfältig ist und zum anderen auch den Sprung in die Selbstständigkeit markiert“, meint Bär. Das Ergebnis kann sich bis jetzt sehen lassen. Von einem postapokalyptischen Musikvideo im Alpenhochland mit spektakulären Drohnen-Aufnahmen über fröhlichen Indie-Pop bis hin zu einem emotionalen Song über die Erfahrung einer Fehlgeburt. Dominik und Anna vereinen eine starke Fan-Base hinter sich. So kamen bei einer Crowdfunding-Kampagne, um das Album zu finanzieren, stolze 11 431 Euro zusammen.
In einem Heidelberg, das sich sonst künstlerisch nur wenig Experimentelles und Anormales traut, sind Projekte wie eine Pop-Up-Galerie willkommene Abwechslung. „Die Resonanz war wirklich groß, uns haben etliche Künstler angefragt, ob sie bei uns ausstellen können. Da merkt man, dass es an solchen Räumen fehlt – frische, kreative, neue Orte.“ Umso schöner, dass die Bärs immer wieder neue Räume erschließen und in neue Richtungen denken. „Wir haben immer tausend neue Ideen. Es ist eher die Frage, welcher man nachgeht.“
Von Alexandra Koball